Herr Zarrella, was sind Sie eigentlich von Beruf?

In Italien gibt es die Bezeichnung „Fiorello“. Das ist jemand der Moderator, Musiker und Entertainer zugleich ist. Er kann beispielsweise sowohl bei Sky Italia sitzen und über seinen Lieblingsfußballverein reden wie auch auf der Showbühne ein romantisches Duett singen. Er passt in keine Schublade.

Sie also demnach auch nicht?

Mir wurde immer gesagt: Giovanni, Du musst schon wissen, was Du willst! Musiker? Moderator? Die Menschen müssen wissen wofür Du stehst. Kann ich nicht einfach so sein wie ich bin und das machen, was mir Spaß macht? Große Vorbilder von mir wie Harald Juhnke oder Peter Alexander haben genau das früher getan! Florian Silbereisen beweist heutzutage, dass man sehr wohl vielseitig sein und damit Erfolg haben kann. Eine facettenreiche Sendung wie zum Beispiel der "ZDF Fernsehgarten" ist leider eine absolute Ausnahmen im deutschen Fernsehen.  Diese Sendung wird von der jüngeren Zielgruppe oft nicht wirklich wahrgenommen, für mich ist dieses Genre jedoch die perfekte TV-Unterhaltung.



Im Fernsehen scheint RTL II aber inzwischen eine feste Konstante geworden zu sein für Sie..

Richtig. Begonnen hat die Zusammenarbeit mit der Hochzeit der Katzenbergers, die Jana-Ina und ich moderiert haben. Moderation hat mir immer schon viel Spaß bereitet. Meine erste große Bewährungsprobe hatte ich 2005, als ich gemeinsam mit Charlotte Würdig das „Popstars“-Finale in der Arena Oberhausen für ProSieben moderiert habe. Damals war es der Produzent, Holger Roost-Garcias, der das Vertrauen in mich hatte. Mir liegt es besonders, wenn ich nicht zu statisch agieren muss und nicht einen Wort für Wort vorgegebenen Text vom Prompter ablese. Nach Popstars war ich noch für den damaligen Sender DSF (heute Sport1) als Moderator im Einsatz. Und dann kam das ganz große Vertrauen von RTL II.

Für die Sie aber auch schon die unterschiedlichsten Sachen moderiert haben…

Geheimwaffe Zarrella. (lacht) Kochen, Kegeln, Curling, Gameshow oder Event – eine bessere Schule für mich ist kaum möglich! Ich bin den Verantwortlichen um Andreas Bartl herum sehr dankbar, diese vielfältigen Einsätze bekommen zu haben. Es ist schön, wenn ein Sender sagt: „Dich können wir uns dafür sehr gut vorstellen.“ Mal für eine vierstündige Live-Show mit 40 Protagonisten oder aber eine Gameshow wie „Hardball“, deren Piloten wir in Schottland produziert haben.

Sie sprechen „Hardball“ an. Geht diese Gameshow, für die Sie einen Piloten gedreht haben, auch in Produktion?

Das hoffe ich sehr, jedoch liegt die Entscheidung dazu selbstverständlich beim Sender. Unabhängig davon, haben RTL II und ich unserer Zusammenarbeit bis Ende 2019 verlängert. 17 Jahre nachdem für mich mit „Popstars“ bei RTL II alles begann, ist es ein tolles Gefühl, genau dorthin zurück zu kommen und mich weiterzuentwickeln. Früher wurde über mich, heute mit mir Fernsehen gemacht. Das ist mir wichtig.

Ihre Frau ist in der Jury von „Curvy Supermodel“ und moderiert „Love Island“. Die Zarrellas übernehmen RTL II…

Sieht momentan ein bisschen so aus, oder? (lacht) Was aus einem „Popstars“-Kandidat und einer Miss Brasilien so alles werden kann. Und ich bin auch unfassbar stolz auf Jana-Ina. Bei zwei Leuchtturm-Formaten - wie der Sender immer so schön sagt - dabei zu sein, ist wirklich herausragend.

Rückblickend betrachtet: Welche Jahre waren die anstrengendsten für Sie?

Meine schlimmste Zeit in dieser Branche waren die Jahre 2005 bis 2008. 2005 kam das Ende von Bro’Sis und 2008 kamen „Jana-Ina & Giovanni: Wir sind schwanger“ bei ProSieben, neue Musik und wieder einige Erfolge. Diese drei Jahre dazwischen, mit der Angst alles zu verlieren, waren mir eine Lehre. Ich hätte kein Problem damit gehabt, einen normalen Job zu machen. Meine Familie hat mich immer geerdet. Meine Eltern und meine Schwester hatten ja viele Jahre lang ein Restaurant, haben Tag für Tag in der Gastronomie gearbeitet. Aber ich habe das Entertainment geliebt und hatte Angst, das zu verlieren.

Sie hatten eigene Dokusoaps und haben mal dies, mal das gemacht. Das Dschungelcamp aber pausierte ausgerechnet in diesen Jahren…

Da würde ich eh nicht mitmachen.

Sagt das nicht jeder, bis das Geld stimmt und man doch mitmacht?

Ich denke, das dass bei vielen Leuten der Fall ist, aber ganz bestimmt nicht bei jedem. Aus meiner Sicht ist es auch völlig in Ordnung, wenn jemand bei solchen Sendungen mitmacht, solange er auch zu 100 Prozent dazu steht. Ob es wegen des Geldes ist oder sonst einen Grund hat. Für mich kommt es allein daher nicht in Frage, weil ich nicht möchte, dass meine Familie mich im Fernsehen komische Dinge essen oder halbnackt rumlaufen sieht. Ich möchte einfach nicht, beispielsweise meine Mutter, in die Situation bringen, dass Gäste in Ihr Restaurant kommen und Sie darauf ansprechen, wie ich gestern im Dschungel irgendwelche Hoden verspeist habe. Genauso möchte ich Vergleichbares meinen Kindern auf dem Schulhof ersparen. Bilder und Videos, die einmal in der Welt sind, verschwinden nicht mehr. Ich bin diesbezüglich sehr altmodisch von meinen Eltern erzogen worden und fühle mich in solchen Situationen einfach unwohl. Daher kann ich für mich eine Teilnahme am Dschungelcamp oder auch ähnlichen Formaten zu 100 Prozent ausschließen. Gleichzeitig muss ich offen zugeben, dass ich mir mit meiner Frau diese Sendungen sehr gerne ansehe, weil sie extrem unterhaltsam sind.

Woher kommt dieses Bewusstsein, wo die Linie ist, die sie nicht übertreten wollen?

2001 bei „Popstars“ waren wir mit den besten Kandidaten auf Ibiza am Strand. Wir hatten gerade Drehpause und ein paar Minuten frei. Eine Kandidatin fing dann an zu heulen. Ich wusste gar nicht warum, habe aber zum Kamerateam damals so aus Spaß gesagt: „Jungs, ihr müsst draufhalten. Da heult eine.“ Der Kameramann nahm sofort die Kamera in die Hand, hielt aber einen Moment inne. Und wir beide hatten diese, aus heutiger Sicht total banale, Erkenntnis: Es wird eigentlich immer nur drauf gehalten, wenn jemand heult oder anderweitig besonders emotional wird. Das war für mich ein prägender Moment.

Aber Sie haben danach u.a. „Wir sind schwanger“ gemacht. Ist das nicht widersprüchlich?

Bei „Wir sind schwanger“ hatten wir viel Mitspracherecht. Wir haben von Anfang an klar definiert, dass im Kreißsaal nicht gedreht wird. Es ging nicht um den Effekt, um eine Live-Geburt oder sowas. Das war ein durch und durch positives Format in einer Zeit, in der Schuldnerberatung, Super Nanny und Co. das Fernsehen dominiert haben. Da war „Wir sind schwanger“ einfach nette Abwechslung und hat erzählt, wie zwei junge Menschen eine Familie gründen.

Gibt es nichts, was Sie bereuen?

Also ohne „Popstars“ wäre ich schon mal gar nicht in dieser Branche gelandet, das also ganz sicher nicht. Wirklich zu bereuen gibt es nichts, weil es meiner Familie und mir heute gut geht, also kann nicht viel schief gelaufen sein. (überlegt) Aber es gab natürlich Situationen, die man besser nicht erlebt haben will. Während „Wir sind schwanger“ gab es ja Komplikationen bei der Geburt unseres Sohnes. Das ist dann ein Moment, wo man sich wünscht, nicht gerade eine Sendung drehen zu müssen. Wir hatten aber glücklicherweise damals einen Redakteur, der auch gesagt hat: „Hier hält jetzt keiner eine Kamera drauf. Das ist privat.“. In diesem Moment, als es unserem Sohn nicht gut ging, denkt man plötzlich über vieles nach. Wenn man gläubig ist, sowieso. Da habe ich mich schon gefragt: Ist das jetzt eine Backpfeife von oben, als Erinnerung daran, dass ich das nächste Mal die Kameras raushalte aus so einer bedeutenden Phase für meine Familie? Das war ein Moment, in dem ich wirkliche Zweifel hatte.

Damals, wie auch schon zu „Popstars“-Zeiten, wird über Sie geschrieben. Wie gehen Sie damit um?

Das ist schwierig. Man liest ja immer von Kolleginnen und Kollegen, die sagen, sie lesen all das gar nicht mehr und kümmern sich nicht um das, was irgendwer schreibt. Das kann ich nicht. Ich habe natürlich auch einen Google Alert über mich. Wenn ich einen neuen Song veröffentliche oder bei „Let’s dance“ mitmache: Da können tausend tolle Kritiken stehen, aber lass da eine negative dabei sein, dann trifft mich das. Und ich meine nicht diese total erfundenen Geschichten in der Yellow Press, wo du einem Fan ein Autogramm gibst und es dann heißt „Giovanni schrieb ihr seine Nummer auf“.

"Und wenn Jana-Ina bei einem Minigolf-Termin ist, dauert es nicht lange, bis jemand eine zweideutige Frage zum Einlochen stellt."

Es ist also nicht nur die Yellow Press, die nervt?

Auf einem großen roten Teppich passiert es mir zehn Mal, dass ich vor einem Mikrofon stehe und es weder um den Abend noch um mich geht, sondern Aussagen zu irgendeinem Thema gesammelt werden, wo es völlig egal ist, ob ich das bin oder jemand anders. Und dann gibt es Interviews, bei denen eigentlich alles fein ist - bis zur absurden Überschrift. Da heißt auf Nachfrage „Ja, die Überschrift, die hat die Redaktion entschieden, da habe ich keinen Einfluss drauf.“ Und wenn Jana-Ina bei einem Minigolf-Termin ist, dauert es nicht lange, bis jemand eine zweideutige Frage zum Einlochen stellt und man am besten gar nichts mehr sagt, wenn es nicht verdreht werden soll.

Ihre frühere Band Bro’Sis gehörte zu den wenigen sehr erfolgreichen Castingshow-Gewinnern. Danach kamen nicht mehr viele mit annähernd so großem Erfolg. Warum?

Ich glaube diese „Sensation“ einer im Fernsehen gecasteten Band bzw. Sänger/in hat sich abgenutzt, aber die Formate sind ja nach wie vor Stars, wenn ich an „The Voice“ denke. Wer am Ende gewinnt ist, nicht so spannend wie die sehr emotionalen, tollen Blind Auditions. Bei „Deutschland sucht den Superstar“ geht es am Anfang dafür eher um die möglichst schrägen und irren Kandidaten. Das ist auch unterhaltsam. Musik-Castingshows sind vor allem Entertainment für den Zuschauer. Es geht nicht mehr um den Erfolg des gefundenen Gewinners. Nach dem Finale ist es wichtiger geworden, wie das Konzept fürs nächste Jahr aussieht und ob die Jury neu besetzt werden muss.

Sie machen aber weiterhin auch Musik?

Ich mache zunächst einmal Musik mit zwei Jungs, die Band heißt „Vintage Vegas“. Wir machen einen Swing-Pop-Sound und haben damit sehr viele Auftritte bei tollen Veranstaltungen. Die Wertigkeit des Rat-Pack-Style passt halt zu Gala-Veranstaltungen. Aber meine persönliche Leidenschaft gilt nach wie vor der italienischen Musik. Ich bin in den Vorbereitungen für eine neue Platte, die im besten Sinn konservativ italienisch werden soll.

Herr Zarrella, herzlichen Dank für das Interview