Herr Bommes, "The Chase" ist in England seit zehn Jahren auf Sendung, Sie moderieren das deutsche Pendant "Gefragt – gejagt" nun immerhin schon seit sieben Jahren. Gefühlt hat sich die Sendung seither kaum verändert. Ist das auch Ihr persönlicher Eindruck?

Für mich fühlt sich "Gefragt – gejagt" heute ganz anders an als zu Beginn. Selbst in der aktuellen Staffel empfinde ich eine Steigerung zum vergangenen Jahr.  Die Jäger haben sich extrem entwickelt, ganz besonders Sebastian Klussmann, der zu einer echten Persönlichkeit herangereift ist. Bei mir persönlich stelle ich fest, dass der Umgang mit Kandidaten und Jägern noch selbstverständlicher und leichter geworden ist, auch wenn das Spiel natürlich noch immer im Mittelpunkt steht. Während der Aufzeichnungen hat wieder jede Minute Spaß gemacht.

Hat den Jägern auch jede Minute Spaß gemacht? Ihre Gesangseinlagen sind ja nicht gerade beliebt...

Eigentlich bin ich vom Singen zurückgetreten...

… erst in der vergangenen Woche habe ich eine Ausgabe gesehen, in der Sie wieder gesungen haben.

(lacht) Da ist es wieder über mich gekommen. Insbesondere bei den Doppelfolgen am Freitagabend kann ich meinen Vorsätzen leider nicht immer treu bleiben. Aber es ist wirklich lustig, wie sich Sachen, auf die ich  vor Jahren im Leben nicht gekommen wäre, zu einer Art Kult entwickelt haben. Wenn ich mit Menschen auf der Straße aufs Thema Musik zu sprechen komme, dann schlägt mir oft Freude und Panik gleichermaßen entgegen. Das ist herrlich. 

Die Steigerung gab es im vorigen Jahr, als Sie beim Samstagabend-Special im silbernen Glitzer-Sakko auftraten. Wie viel Überwindung kostet es, einen solchen Auftritt hinzulegen?

Irgendwann habe selbst ich es geschafft, nicht mehr drüber nachzudenken....

Woher kommt dieses Entertainer-Gen?

Ich mag und bin auch privat diese Mischung aus Wettkampf und Ernsthaftigkeit, verbunden mit einer Portion Albernheit, Flachsen, Pfeifen und Singen. Ich bin komplett ich selbst bei "Gefragt – gejagt". 

Wann haben Sie für sich zum ersten Mal gemerkt, dass Sie vor die Kamera gehören?

Ich habe das nicht gemerkt, ehrlich gesagt. Ich hatte vor vielen Jahren nach meinem Volontariat die Möglichkeit, neben der Tätigkeit beim Sport auch bei "Panorama" anzufangen, doch drei Tage, bevor ich mich dort binden konnte, bekam ich plötzlich einen Anruf des Redaktionsleiters des "Hamburg Journals". Damals dachte ich zunächst, das sei "Verstehen Sie Spaß?" - aber es hätte keinen Grund gegeben, mich reinzulegen, weil mich damals niemand kannte. Auf diese Weise bin ich Moderator geworden, ohne es vorher ernsthaft angestrebt zu haben.

Sie waren zuvor Handball-Profi. Wieso hat Sie nach der Karriere überhaupt der NDR gereizt?

Durch meinen Vater hatte ich einen Affinität zum NDR, weil er neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar über 17 Jahre lang am Wochenende aus Spaß an der Freude Radiosendungen bei der NDR 1 Welle Nord moderierte. Gleichzeitig verfolgte ich die Sportberichterstattung des NDR, seit ich denken konnte. Nach meiner Handball-Zeit habe ich zwar mein Examen gemacht, aber mir war schon klar, dass ich kein Jurist werden wollte. Ich wollte eine umfassende journalistische Ausbildung haben, um danach entscheiden zu können, welchen Weg ich einschlage. Hätte ich das Volontariat nicht mehr bekommen, hätte es sogar die Möglichkeit gegeben, noch einmal Handball zu spielen. Rückblickend bin ich froh, dass es anders gekommen ist.

Wie oft müssen Sie sich heute noch kneifen, wenn Sie auf der Straße erkannt werden?

Ein Kneifen ist es lange nicht mehr, es ist inzwischen mein Leben. Aber ich bin ein großer Freund davon, mich regelmäßig zu vergewissern, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin und noch die richtige Einstellung habe zu dem habe, was ich mache. 

Haben Sie die richtige Einstellung zu Ihrer NDR-Talkshow "Tietjen und Bommes" nicht mehr gespürt oder wie ist Ihr Rückzug erklären?

Ich bin dort durch verschiedene Phasen gegangen und habe mir dementsprechend viel Zeit mit der Entscheidung gelassen. Die habe ich mit mir selbst ausgemacht, weil ich nichts davon halte, im Außen etwas zu tun, bevor man es nicht komplett im Inneren geklärt hat. Als ich mit mir im Reinen war, stand die Entscheidung bombenfest. 

"Bei irgendetwas mitzumachen, bei dem man einen grundsätzlichen Widerstand spürt und unzufrieden ist – das killt einen mit der Zeit."
Alexander Bommes

Welche Phasen waren das?

Die Dinge, die ich für wichtig halte, sind in diesem Setting am Freitagabend nicht vollumfänglich möglich. Müssen sie auch nicht sein. Vielleicht sind sie aktuell im Fernsehen gar nicht möglich, das könnte ja sein.  

Was meinen Sie damit? 

Mir wird zu viel über Symptome geredet. Ich selbst würde aber viel lieber über Ursachen sprechen, weil ich festgestellt habe, dass man erst dann auch handeln kann. Wir werden nie etwas klären, wenn wir vorher nicht verstehen, wo es seinen Ursprung hat. Ich finde, dass die momentane gesellschaftliche und politische Entwicklung im Moment nicht darauf hindeutet, dass wir erkennen wollen, wo beispielsweise die Wut oder das Gefühl des Abgehängtseins herkommen, um dann etwas verändern zu können.  

Ist das Fernsehen generell zu oberflächlich geworden, als dass es sich in Talkshows ernsthaft mit den Ursachen solcher Entwicklungen beschäftigen kann?

Wer ist denn das Fernsehen? Jede einzelne Sekunde im Fernsehen wird von Menschen gemacht. Das Fernsehen selbst ist mitnichten zu oberflächlich, und die handelnden Personen haben riesige Chancen. Ich habe für mich entschieden, dass die Sachen, die ich vor der Kamera mache,meinen Werten und meiner Haltung entsprechen müssen. Bei irgendetwas mitzumachen, bei dem man einen grundsätzlichen Widerstand spürt und unzufrieden ist – das killt einen mit der Zeit. 

Wie oft stößt man denn beim Fernsehen an Widerstände und Bedenkenträger, die sich darum sorgen, dass die Zuschauer möglicherweise abschalten?

Bei "Gefragt – gejagt" oder dem "Sportschau Club" bin ich bislang nicht an derart existenzielle Punkte gekommen. Natürlich gehören da auch tägliche Diskussionen und Kompromisse zum Alltag. Aber was glauben Sie, wie viel Spaß solche Auseinandersetzungen machen, wenn das Fundament stimmt. Das ist im Sinne der Sache dann die berühmte "eine Wellenlänge".

In dieser Woche sind Sie mit "Gefragt – gejagt" wieder einmal am Samstagabend zu sehen. Dabei gibt es viele, die die klassische Samstagabendshow für tot erklären. Was halten Sie davon?

Ich mag solche Schlagworte nicht. Dass der Samstagabend ein anderer ist als noch zu Kulis oder Gottschalks Zeiten, ist doch klar. Es gibt aber doch noch immer einige Shows, die von vielen Zuschauern gesehen werden. "Klein gegen Groß" zum Beispiel ist in meinen Augen schon eine Art "Wetten, dass..?"-Nachfolge. 

Auffällig ist allerdings, dass es keineswegs die große Showtreppe sein muss – wie Sie oder auch die Kollegen von "Wer weiß denn sowas?" beweisen.

Gerade diese beiden Formate, mit denen die Zuschauer Abend für Abend eine Stunde verbringen, sorgen für ganz viel Identifikation. Daher macht es Sinn, sie regelmäßig als große Festabende aufzupumpen. Für uns, die diese Sendung einmal im Jahr machen dürfen, ist das immer ein toller Abend, der von allen als Belohnung empfunden wird. Eine große Showtreppe braucht es bei "Gefragt – gejagt" jedenfalls nicht. Wir haben die Jäger-Treppe.

Bei den Jägern gab es zuletzt zwei Neuzugänge. Wann spüren Sie, ob Sie miteinander harmonieren?

Ich vermeide bewusst zu viel Kontakt zu den Jägern, denn das, was wir in der Sendung verkörpern, ist echt – und das soll auch so bleiben. Mit Manuel Hobiger habe ich bestimmt zwei, drei Sendungen gebraucht, um zu erkennen, dass seine anfängliche Zurückhaltung unser gemeinsames Erkennungsmerkmal werden kann. Inzwischen kann ich darauf mehrfach pro Sendung genüsslich hinweisen, was dazu führt, dass er da oben sitzt und sich regelmäßig totlacht. Da sieht er manchmal aus wie ein  schutzbedürftiger 15-Jähriger, wenn ich das mit aller Liebe und Respekt sagen darf. Ab und zu erzählt er dann mal einen Gag, der nichts wird. Aber das ist völlig in Ordnung und besitzt auch Unterhaltungswert. 

Kommen solche Frotzeleien bei allen Zuschauern an?

Grundsätzlich sehr. Aber ich werde auch immer noch täglich von älteren Menschen empört angegangen, weil ich mich regelmäßig über das Alter unseres Jägers Klaus-Otto Nagorsnik auslasse. Dabei nutzt  der doch selbst inzwischen jede Vorlage. Meine Redaktionsleiterin sagt, sie beantwortet entsprechende Briefe immer mit dem Satz: "Im 'Tatort' ist der Mörder auch nur ein Schauspieler."

Und was entgegnen Sie all jenen, die eine Frauenquote bei den Jägern fordern?

Wir nehmen sofort jede Frau, die das Niveau unserer anderen Jäger hat.

Herr Bommes, vielen Dank für das Gespräch.