Frau Vernau, wir haben inzwischen Dezember und noch immer gibt es im WDR keinen Tarifabschluss, dafür immer wieder Warnstreiks - und in den anderen ARD-Anstalten war es ähnlich zäh. Warum gestaltet sich das diesmal so kompliziert?

Die Gewerkschaften sind mit der Forderung in die Verhandlungen gegangen, dass unsere Beschäftigten genauso behandelt werden sollen wie diejenigen im Öffentlichen Dienst. Dort war der Abschluss aber sehr hoch – 7,8 Prozent für 33 Monate. Das liegt daran, dass die Steuereinnahmen in den letzten Jahren gesprudelt sind, und es auch einen gewissen Nachholbedarf gab. Für uns war klar, dass wir das finanziell nicht leisten können. Die KEF erlaubt uns Personalsteigerungsraten, die pro Jahr bei 2,25 Prozent liegen, zusammen also bei 6,75 Prozent für drei Jahre – und die KEF zieht hier den Personalabbau noch ab. Bei den Ausgaben für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird sogar nur die Programmsteigerungsrate angesetzt, die noch etwas niedriger liegt. Da das Geld auch in der Summe knapper wird, können wir uns hier auch nicht einfach aus anderen Etats bedienen. Es ist also klar, dass wir so nicht zusammenkommen können.

Nun gab es ja schon einige Verhandlungsrunden und zuletzt lagen Angebot und Forderung von außen betrachtet gar nicht mehr so weit auseinander – das kann doch kaum der Knackpunkt sein...

Ich sehe das genauso. Wir haben - was die Höhe der Gehälter und Honorare angeht - alles angeboten, was die KEF uns zuerkennt. Dieses Angebot haben wir aber an bestimmte strukturelle Komponenten geknüpft. Das bedeutet beispielsweise, dass wir bei den festen Mitarbeitern 0,3 Prozent Gehaltserhöhung davon abhängig machen, dass der so genannte "besondere Steigerungsbetrag" abgeschafft wird.

Vielleicht können Sie kurz erläutern, was es damit auf sich hat.

 Dieser sogenannte "besondere Steigerungsbetrag" ist im WDR noch eine Regelung aus alten Zeiten. Er wird Mitarbeitern bei langer Betriebszugehörigkeit gezahlt, wenn sie bereits seit einigen Jahren in ihrer jeweils höchsten Gehaltsstufe sind. Theoretisch kann der WDR ihn zwar auch verweigern, praktisch bekommt aber jeder diesen Zuschlag. Nun hat die KEF in ihrem Vergütungsgutachten ja auch moniert, dass der höhere Personalaufwand der Anstalten aus einem tariflichen Steigerungsautomatismus sowie kostenintensiven Tarifniveaus zum Ende der Tarifstufen resultiere. Mit der Abschaffung dieser Extra-Zahlung für neue Mitarbeiter wollen wir auch signalisieren, dass wir diese Kritik ernst nehmen. Wir hatten den Gewerkschaften auch angeboten, dass wir die regulären Stufensteigerungen von jetzt zwei Jahren auf drei Jahre ausdehnen. Das wäre sicherlich schmerzhafter gewesen als das jetzige Angebot, wurde aber von vornherein abgelehnt.

Würde das denn nun aus ihrer Sicht als strukturelle Änderung ausreichen?

Wir haben Tarifverträge, die über die letzten Jahrzehnte historisch gewachsen sind und die viele Anforderungen an die moderne Arbeitswelt noch nicht abbilden. Wir verändern im WDR organisatorisch vieles, was sich im Tarifvertrag nicht wiederfindet – beispielsweise crossmediale Honorare. Wir sind als Arbeitgeber auch offen für mobiles Arbeiten oder Sabbatjahre. Es ist da schwierig, mit den Gewerkschaften eine Einigung zu finden, weil diese daraus immer einen 100-Prozent-Anspruch für alle ableiten möchten. Das können wir nicht ermöglichen, weil wir ja auch sicherstellen müssen, dass der Betrieb reibungslos läuft. De facto ist es dann so, dass man ohne Tarifvertrag versuchen muss, Spielräume auszunutzen, um die nötige Flexibilität zu schaffen. Das ist eigentlich schade.

Ein großer Knackpunkt in den Verhandlungen schien zuletzt auch die Situation bei den freien Mitarbeitern. Der WDR bietet nur eine Erhöhung der Mindesthonorare an, die Gewerkschaften wollen eine Erhöhung der Effektivhonorare. Schließen Sie damit nicht wie von den Gewerkschaften bemängelt einen großen Teil der Freien de facto von einer Gehaltssteigerung völlig aus? Und treffen sie damit nicht die Schwächsten?

Es stimmt, dass diejenigen, die bereits über dem Mindesthonorar liegen, davon zunächst nicht profitieren - sie bekommen ja sowieso schon mehr. Und sie bekämen auch noch eine zusätzliche Einmalzahlung; ein weiterer Baustein unseres Tarifangebots für feste und freie Mitarbeiter. Wenn Sie als freier Mitarbeiter für eine Leistung regelmäßig mehr als das Mindesthonorar bekommen, dann verdienen Sie schon sehr ordentlich. Von der Steigerung des Mindesthonorars profitieren aber viele andere - eben jene, die bislang an der unteren Grenze verdient haben. 

Bei den Honoraren für Freie haben sich im Laufe der Zeit gewisse Unverhältnismäßigkeiten eingeschlichen. Zum Beispiel werden längere Stücke wie Features oder Dokus im Hörfunk schlechter bezahlt, als kürzere Beiträge. Deswegen haben wir eine abgestufte Honorarerhöhung vorgeschlagen. Also die Erhöhung der Mindesthonorare für alle – genauso wie bei den Festen um insgesamt 6,75 Prozent. Darin enthalten sind 0,2 Prozent für die Bereiche, bei denen wir uns im Prinzip mit den Gewerkschaften einig sind, dass man dort mal etwas besser bezahlen sollte.Leider vertreten die Gewerkschaften hier die Auffassung „lieber alle gleich schlecht als unterschiedlich gut“ zu bezahlen.