Für die erste Ausgabe fragt ihr die Leute, ob sie glauben, systemrelevant zu sein. Inwiefern seid ihr momentan systemrelevant?

Moritz Neumeier: Ich glaube, dass sich die Medienwelt ziemlich überschätzt. Wenn man selbst in der Branche unterwegs ist, denkt man natürlich, dass man systemrelevant ist, weil man die Leute in solchen Zeiten mit Unterhaltung ablenken möchte. So richtig systemrelevant ist das aber natürlich nicht. An erster Stelle kommen medizinische Versorgung, Essen und menschliche Nähe. Erst dann kommt Unterhaltung. Ich finde es natürlich toll, dass wir nun solch eine Sendung machen dürfen. Sollte das System im schlimmsten Fall aber komplett zusammenbrechen, brauchen die Menschen eher Kartoffeln, als unsere Witze. 

Till Reiners: Solange du aber Kartoffeln hast, denkst du aber natürlich auch, wie es jetzt weiter geht. Dann braucht man Unterhaltung und dann kommen wir ins Spiel. Wir sind sozusagen der letzte Stein der Bedürfnispayramide, der Stein is entscheident.  


Wie wichtig ist Humor derzeit und seid ihr momentan bisschen vorsichtiger bei euren Witzen?

Neumeier: Was wir gerade erleben, haben die meisten Menschen vorher nie erleben müssen. Wenn normalerweise etwas schlimmes passiert, kannst du dich mit deinen Hobbys oder deiner Arbeit ablenken. Jetzt sitzt du mehr oder weniger zu Hause fest und kannst das eben nicht mehr. Viele von uns sitzen einfach nur auf der Couch und lassen all diese Nachrichten auf sich einprasseln, ohne vernünftig Luft ablassen zu können. Niemand weiß, wie es weiter geht. In meinen Augen hilft es, wenn da irgendjemand ist, der das gleiche Gefühl bei diesen Nachrichten hat und es mit Humor beschreibt. So, dass wir alle mal erleichtert durchatmen können. Humor ist ein tolles Ventil, um mit Trauer und Wut umzugehen und schwere Situationen durchzustehen. 

Reiners: Der Zustand ist dermaßen absurd, dass er eine ständige Unruhe in uns erzeugt. Man könnte meinen, dass man jetzt, wo man zu Hause bleiben muss, ganz leicht abschalten kann. Für viele ist das aber nicht so, da niemand von uns aus einem guten Grund mal die Füße hochlegen kann. Dieses Land befindet sich im Ausnahmezustand. Dass ich diese Show mit Moritz auf die Beine stellen kann, lässt mich wieder spüren, dass ich lebendig bin. 

Neumeier: Die Vorbereitungstage vor der Aufzeichnung der ersten Folge waren die ersten Tage, an denen ich nicht non-stop an dieses Thema und die Zukunft denken musste. Unsere Aufgabe ist es, dass es dem Zuschauer für immerhin eine halbe Stunde ähnlich geht. Wir werden aber aufpassen, unseren privaten, doch gerne mal harten Humor, etwas zu zügeln. Damit möchte ich aber nicht sagen, dass wir kuschen: Wir werden unseren Humorspielraum, so gut wie es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen möglich ist, ausreizen. 

Eure Show ist spontan entstanden, ebenso wie einige andere dieser Tage. Normalerweise wird im Fernsehen immer sehr lange überlegt. Könnt ihr ein bisschen erklären, wie "Homies" genau entstanden ist und ob ein paar Instanzen für die Entscheidung übersprungen wurden, damit es schneller losgehen kann?

Neumeier: Es ging verdammt schnell. Neun Tage vor der ersten Aufzeichnung haben wir einen Anruf von ZDFneo bekommen, mit denen wir tatsächlich vorher schon in Kontakt standen, um uns eine mögliche Show durch den Kopf gehen zu lassen. Und du hast Recht: Normalerweise müsste eine solche Entscheidung durch 28 Instanzen getragen werden, die sich erst nach 1 1/2 Jahren einig werden. Jetzt kam die Ansage, dass alles anders sei und ob wir Bock hätten, eine Sendung zu machen. Und was könnten wir uns vorstellen, wenn ja. Dann haben wir uns mit unserer Produktionsfirma Turbokultur von Mittwoch bis Sonntag an das Konzept gesetzt und final entschieden, wie "Homies" aussehen soll. Montag und Dienstag wurde alles abgesegnet. Am Freitag wurden die Kameras für die erste Ausgabe angeschmissen. Makaber gesagt, ist das momentan der Vorteil für Medienschaffende: Alle brauchen Inhalt und alle wollen zu Hause etwas zu gucken haben. Auch die Fehlerquote kann höher sein, da der Zuschauer einem momentan mehr verzeiht. 

Es klingt zwar logisch, dass zu Hause alle darauf warten, jeglichen neuen Inhalt zu sehen. "Die Quarantäne-WG" hat’s jedoch wenig erfolgreich bei RTL versucht, "Luke, allein zu Haus" in Sat.1 fährt auch eher maue Quoten ein. Warum sollte "Homies" bei ZDFneo fruchten?

Neumeier: Du kannst natürlich nicht einfach so on air gehen und erwarten, dass die Leute dabei zu sehen wollen, wie sich drei Typen einfach so unterhalten. Einer der Gründe, warum wir beide „Homies“ machen, ist, dass wir schon seit Ewigkeiten befreundet sind und schon etliche Projekte zusammen über die Bühne gebracht haben. Wir kennen und verstehen uns blind. Der Sender wusste deshalb, dass er uns irgendwo hinsetzen kann und das Ganze dann auch funktioniert. In unserer gemeinsamen, seit sechs Jahren existenten Show "Schund & Asche", haben wir bereits viele Spiele, wie auch die "Bist du systemrelevant?"-Rubrik ausgetestet und wissen deshalb, dass das auch für „Homies“ funktionieren wird. Zudem haben wir einen Pool an Gästen, die wir auch seit Jahren kennen und bei denen wir wissen, dass die Chemie stimmt. Der große Vorteil unserer Show liegt also darin, dass wir das Konzept bereits seit längerer Zeit mit uns herumtragen. Wir schalten nicht einfach nur die Kamera an und improvisieren. 

Reiners: Nicht nur der Inhalt ist hochwertig, auch die Verpackung. Die Jungs und Mädels von Turbokultur haben eine ähnliche Ästhetik wie wir und den Anspruch, sich etwas mehr Mühe zu geben, als nur die Frontkamera des Laptops einzustellen. "Homies" wird gut aussehen, weil wir uns Mühe geben. 

Neumeier: Uns war klar, dass wir das von zu Hause aus machen müssen. Das hat für uns von vorherein aber nicht bedeutet, dass es billig aussehen muss. Wir machen das nicht wie Mark Forster und gehen in unseren zusammengetackerten Gartenschuppen. 

Homies

Neue Zeiten erfordern neue Maßnahmen: Die Comedians Moritz Neumeier und Till Reiners moderieren ebenfalls von zu Hause aus. 

Was macht ihr optisch groß anders?

Neumeier: Zum Einen sind wir technisch gut aufgestellt. Jeder von uns hat zwei richtig gute Kameras bei sich zu Hause stehen und etliche weitere Technik, bestehend aus Audiostrecken, Laptops und allerlei Bildschirmen.Inhaltlich haben wir acht verschiedene Kategorien mit acht verschiedenen Gästen und verschiedenen Überleitungen. Das hätte wir ohne eine Produktionsfirma technisch niemals alleine hinbekommen. Vor allem nicht dann, wenn du nur eine Woche zur Vorbereitung hast. Dann hätten wir das für Patreon machen können, aber nicht fürs Fernsehen. 

50 Zuschauerinnen und Zuschauer können per Livestream das Geschehen schon bei der Aufzeichnung beobachten. Können sie also irgendwie interagieren?

Neumeier: Sie sind in einer Konferenz samt Audio zugeschaltet, weshalb wir ihr Lachen hören werden, wenn sie etwas lustig finden sollten. Das hilft uns als Entertainern unglaublich. Durch das Delay hören wir sie möglicherweise nicht zeitgleich lachen. Aber alleine, dass wir sie sehen können, hilft sehr dabei, eine authentische Show auf die Beine zu stellen. Es gibt obendrauf eine Kategorie, in der wir die Zuschauer einbinden, ja. 

Reiners: Bei Online-Sachen ist Unterspannung der größte Feind. Wenn man einen Bildschirm vor sich hat und 50 Gesichter sieht, gibt man als Moderator noch einmal mehr Gas, als wenn man in Boxershorts alleine mit einem Kumpel skypen würde. 

Macht es eigentlich Spaß, so begrenzt Fernsehen zu machen, weil die Leute wissen, dass eure Mittel begrenzt sind, oder nervt die Beschränktheit?

Reiners: Ich finde es schon ganz geil, dass es jetzt zur täglichen Routine gehört, dass man aufwacht und erst einmal eine Show plant. Mein Tag hat endlich wieder Struktur. Ich finde es auch ziemlich cool, dass die Möglichkeiten so begrenzt sind. Ich bin sogar der Meinung, dass Kreativität einen Rahmen braucht. Ein komplett leeres Blatt zu haben ist das absolut Schlimmste für mich als kreativen Menschen. Alle Freiheiten zu haben, endet selten gut. Einen Rahmen zu haben, an dem man sich abarbeiten kann, finde ich super.

Neumeier: Wir haben einen Rahmen des Möglichen und innerhalb von diesem können wir ausrasten. Es nervt mich aber schon, dass zu Hause machen zu müssen. Ich habe hier drei Kinder und muss schauen, dass ich das alles gedeckelt bekomme. Sich auf eine Show vorzubereiten, während nebenan die Kids rumbrüllen, ist nicht ganz so einfach. Ins Studio zu gehen und zu wissen, dass alleine dort gearbeitet wird, ist deutlich entspannter als zu Hause rundum die Uhr zu rotieren. 

Reiners: Am Ende des Tages sind wir Live-Künstler und hätten auch lieber unseren Alltag ohne Corona. Wir kommen von der Bühne und es nagt schon an einem, da momentan nicht mehr rauf zu können. Rumheulen bringt aber auch nichts, weshalb wir das Beste draus machen. Ich finde es außerdem super, dass durch die Begebenheit, dass nun alle von zu Hause aufnehmen müssen, eine Vergleichbarkeit entsteht. Man sieht sofort, ob das nur drei Typen mit Laptops sind, denen nach 30 Minuten die Ideen ausgehen, oder ob da doch etwas mehr dahinter steckt. Dem müssen wir uns auch stellen. Es ist jetzt mal spannend zu sehen, wer ohne die größte Konfetti-Kanone gut abschneidet. 

Was glaubt ihr, wie sich unser Medienverhalten mit dieser Krise verändert?

Reiners: Auch der Letzte wird jetzt das Internet verstanden haben. Selbst Omas skypen nun mit ihren Enkeln. Redaktionen werden außerdem merken, dass diese sogenannte Inhalte schon wichtig zu sein scheinen. 

Neumeier: Auf der anderen Seite hast du plötzlich nicht nur zehn Minuten, sondern neun Stunden Zeit, um bei Facebook und Instagram rumzuscrollen. Für zehn Minuten mag das noch unterhalten, doch bei neun Stunden merkst du, dass diese Medien auch nicht ewig ablenken können. Ich hab’ einige Freunde, die deswegen wieder angefangen haben, Bücher zu lesen. Deswegen stimme ich Till zu, dass wir die Vorteile von Social Media noch einmal besser zu Gesicht bekommen. Wir merken aber auch, dass Social Media vielleicht doch nicht das einzige Unterhaltungsmedium auf der Welt ist. 

Reiners: Bei Instagram gibt es deswegen auch einen krassen Inszenierungsstopp. Als Influencer kannst du zwar zwei, drei Mal zeigen, wie geil du Rührei in deiner Küche hinbekommst, aber dann interessiert es irgendwann auch den Letzten nicht mehr. Dann merkt man, dass die auch nur eine 3-Zimmer-Wohnung haben und mit Wasser kochen. 

Till Reiners, Moritz Neumeier, besten Dank fürs Gespräch!

"Homies" ist im wöchentlichen Rhythmus zunächst sechs Mal dienstags um 22:15 Uhr bei ZDFneo zu sehen. In der Mediathek steht die aktuelle Ausgabe immer vorab um 18 Uhr zur Verfügung.