Spionagestoffe scheinen in der Serienlandschaft des Jahres 2015 en vogue zu sein – das gilt nicht nur für den deutschen Export- und Aufmerksamkeitsschlager "Deutschland 83". Mit seiner starken Konzentration auf die Psyche der Agenten geht "Le Bureau des Légendes" einen ganz eigenen Weg. Thrill und Action bietet die französische Serie zwar auch, doch das ist eher Beiwerk.

Wäre es nicht gerade das berüchtigte Büro der Legenden beim DGSE, dem französischen Auslandsgeheimdienst, so könnten viele der gezeigten Büro- und Kantinenszenen auf den ersten Blick dem Alltag des Zuschauers entstammen. Genau das will Creator und Regisseur Eric Rochant bezwecken – einen möglichst authentischen Einblick, der seine Spannung aus der Psychologie bezieht.

 

Im Mittelpunkt der Serie steht Guillaume Debailly, Deckname "Malotru", gespielt von Mathieu Kassovitz, der einst als männlicher Hauptdarsteller von "Die fabelhafte Welt der Amélie" berühmt wurde. Nach einer sechsjährigen Mission in Damaskus kehrt Guillaume zurück nach Paris in den Innendienst. Innerhalb von 48 Stunden muss er alle Brücken seines bisherigen Scheinlebens abbrechen – obwohl seine Vorgesetzten die Versetzung schon zwei Monate zuvor beschlossen hatten. "Das ist wie mit einer alten Wohnung", erklärt ihm sein Chef. "Die würde man auch nicht mehr so richtig pflegen, wenn man weiß, dass man bald auszieht."

Diese Form von grundsätzlichem, professionellem Misstrauen zieht sich als roter Faden durch die Arbeit des Büros, dessen Aufgabe es ist, Legenden und falsche Identitäten aufzubauen, um damit Informanten vor Ort an den Krisenherden der Welt zu rekrutieren. Keiner soll mehr wissen als unbedingt nötig. Eine Militärpsychologin wird angeheuert, um die Stabilität der Agenten zu durchleuchten. Und Guillaume bekommt für die Übergangszeit zwei Personenschützer zur Seite, bei denen man nie so genau weiß, ob sie ihn nur vor möglichen Verfolgern abschirmen oder auch sein Privatleben an den Chef berichten sollen.

Denn Henri Duflot, unlängst zum Direktor des Bureau des Légendes befördert, steht unter ständigem Druck der DGSE-Chefetage. Ihn quälen gleich zwei akute Probleme: In Algier ist einer seiner Agenten spurlos verschwunden, was eine größere Geheimdienstoperation gefährden könnte. Und bei seinem besten Mann Guillaume befürchtet er stets eine Art Trauma, weil es nicht das erste Mal wäre, dass ein Agent mit dem Abstreifen der alten Identität nicht zurechtkommt.

Tatsächlich weiß der Zuschauer bald etwas mehr als Duflot: Da gibt es ein Detail, mit dem Guillaume nicht abgeschlossen hat – seine Geliebte Nadia, eine syrische Historikerin, die er gegen alle Regeln weiter anruft und die kurz darauf sogar in Paris aufkreuzt. Auch sie ist freilich nicht, was sie zu sein vorgibt, und Guillaume hat damit ein weiteres Problem. Neben der Suche nach dem vermissten Kollegen muss er auch noch die junge Agentin Marina auf ihren Undercover-Einsatz im Iran vorbereiten.

Für den französischen Pay-TV-Anbieter Canal+ ist "Le Bureau des Légendes" ein weiterer wichtiger Baustein seiner "Création Originale"-Strategie nach Serien wie "Les Revenants" oder "Spotless". Dem renommierten Kinoregisseur Eric Rochant ("Beim Serienmachen habe ich so viel gelernt, dass ich ein anderer Regisseur geworden bin") ist ein mitreißendes Werk gelungen, das vor allem von den fein entwickelten Figuren und deren glaubwüdiger Konstellation lebt. Und eben von den clever konstruierten Irrungen und Wirrungen auf psychologischer Ebene.

"Als wir die ersten beiden Folgen der Serie vorab im echten DGSE vorgefürt haben, herrschte zunächst Stille – und dann kam von allen Seiten ein großes Dankeschön", erzählte Rochant unlängst beim Festival "Série Series" in Fontainebleau. "Natürlich durften die Agenten uns nicht genau sagen, ob unsere Darstellung realistisch ist. Aber sie haben gesagt, die Serie sei super, um ihren Familien endlich mal zu zeigen, wie ihr Job aussieht und warum sie zu Hause nie darüber sprechen dürfen."

Die zehn Folgen der ersten Staffel, die von April bis Juni bei Canal+ liefen, sind im französischen iTunes-Store abrufbar. Einen deutschen Abnehmer fürs "Bureau des Légendes" gibt es noch nicht. Im September beginnen die Dreharbeiten zur zweiten Staffel.