Nach längerer, überwiegend selbst verschuldeter Durststrecke will Sat.1 offenbar wieder etwas mehr Geld und Liebe auf eigenproduzierte Serien verwenden. Was läge da im Sinne einer beschleunigten Stoffentwicklung näher, als ein bereits im Ausland bewährtes Format zu adaptieren?

Fündig wurde man bei der Konzernschwester Red Arrow Studios International, die die niederländische Comedy-Serie "De Luizenmoeder" – auf deutsch "Die Läusemutter" – im Vertriebsportfolio hat. Die Welt, in der die halbstündigen Episoden spielen, dürfte in beiden Ländern ähnliche Assoziationen wecken: Es geht um die leicht zugespitzten Absurditäten des Grundschulalltags, und zwar vor allem aus Sicht der Eltern. Dieser Nukleus hat seine ganz eigenen Spielplatz- und Parkplatzregeln, Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale, Verpflichtungen und Fettnäpfchen für überengagierte Erziehungsberechtigte. Wer da neu von außen hinzustößt, der kann eigentlich nur alles falsch machen.

So ergeht es auch Hannah (Jennifer Hoffman), einer frisch geschiedenen Kinderpsychologin, die ihr Leben schnellstmöglich wieder auf die Reihe kriegen will. Eigentlich möchte sie nicht viel mehr, als ihrer Tochter Floor den Start auf der neuen Schule zu erleichtern, ohne sich selbst allzu sehr vereinnahmen zu lassen. Dass es dazu allerdings eines regelrechten Integrationskurses bedurft hätte, ahnt Hannah nicht. Sie bekommt es mit der Mütter-Mafia zu tun und mit äußerst merkwürdigen Lehrern, die es ihr alles andere als leicht machen. Ehe Hannah es sich versieht, wird sie zur "Läusemutter" ernannt.

In der Hierarchie der zahlreichen Tätigkeiten, die es für Eltern an der Schule zu übernehmen gibt, steht diese ganz unten. Wer irgendwann zur "Mittagspausen-Mutter" oder zur "Schulausflugs-Mutter" aufsteigen will, muss sich hocharbeiten. Um die Ausbreitung von Läusen zu verhindern, müssen die "Läusemütter" den Schülerinnen und Schülern morgens vor Unterrichtsbeginn sorgsam die Haare auskämmen. Kein Klischee wird ausgespart bei den pointengetriebenen Auseinandersetzungen, wenn sich die Eltern untereinander zerfleischen oder den Lehrern an die Gurgel wollen. Den Drehbüchern von Eva Aben, Diederik Ebbinge und Ilse Warringa – die zwei Letzteren spielen auch Hauptrollen – ist eine erfreuliche Lust an Originalität und politischer Unkorrektheit anzumerken.

Sowohl die Situationskomik als auch der Sprachwitz der Serie sind kaum zu übertreffen. Etwa als Hannah am ersten Schultag auf zwei alteingesessene Mütter trifft und die Namen von deren Töchtern (Shanaya und Youandi) auch nach drei Versuchen noch immer falsch ausspricht, dann zur Auflockerung einen Scherz über die Namen der Mütter versucht ("Mel und Kim? Ich war ein großer Fan von denen!"), der jedoch als totaler Rohrkrepierer endet, weil die beiden das 80er-Jahre-Popduo nicht kennen. Mit dem Spruch "Egal, die sind inzwischen eh tot. Zumindest eine – Krebs" manövriert Hannah sich nur umso tiefer in die Grütze. Gekonnt humorvoll, aber doch mit subtilem Spiel, vermittelt die Szene eine Vorahnung aller sozialen Konflikte und Vorurteile, die noch kommen werden.

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Auch das dysfunktionale Lehrerkollegium und der hart am Rand der Inkompetenz agierende Schulleiter bekommen ihr Fett weg. Allen voran die bei den meisten Eltern verhasste Klassenlehrerin des dritten Schuljahrs, Ank (Ilse Warringa), die nicht nur sehr eigenwillige Lehrmethoden verfolgt, sondern auch stets die Eltern mitzuerziehen versucht. Ihr Credo: "Wenn die Schule keine Regeln setzt, drehen die Eltern durch. Und dann drehen auch die Kinder durch." Als die typischen Helikopter-Eltern sich nicht, wie von ihr verlangt, vor dem Klassenraum von ihrem Nachwuchs verabschieden wollen, sondern von draußen weiter winken, führt Ank eine selbst gebastelte Winke-Ampel ein – die die Verwirrung nur noch vergrößert.

Rektor Anton (Diederik Ebbinge) erinnert an einen entfernten Verwandten von Stromberg, hält sich selbst für den genialsten, modernsten Manager und stapft doch nur von einer Krise in die nächste. Nachdem er auf dem letzten Sommerfest etwas mit Nancy (Bianca Krijgsman) hatte, darf diese weiterhin ehrenvolle Aufgaben im Elternrat übernehmen, obwohl ihre Kinder die Grundschule längst verlassen haben. Als der vermeintlich traumatisierte Ex-Soldat Volkert (Henry van Loon) den Job des Hausmeisters übernimmt und mit seiner beruhigenden Art sofort zum Liebling von Schülern, Eltern und Lehrern avanciert, wird Anton so eifersüchtig, dass er Volkert kurzerhand zum Kriegsverbrecher erklärt.

Wie ein roter Faden steht immer wieder der unbeholfene Umgang mit allem Fremden und Unbekannten im Mittelpunkt der Gags. Lehrerin Ank begrüßt Neuzugang Rianne – ein holländisches Mädchen japanischer Abstammung – mit den Worten: "Konnichiwa! Du Lianne, ich Fräulein Ank." Dann bescheinigt sie derem schwulen Adoptivvater Walter ungefragt: "Keine Mutter, aber zwei Väter – ist doch nicht schlimm." Als ein Schwarzer zum Elternabend erscheint, sagt sie: "30 Minuten noch, dann können Sie mit dem Putzen anfangen." Es handelt sich jedoch um Walters Ehemann Kenneth. Und als Suna, ein muslimisches Mädchen mit Kopftuch, zum Läusekämmen erscheint, wird sie von den zuständigen Eltern gleich wieder weggeschickt: "Du hast ja schon Vorsorge getroffen."

Es ist dieser Humor mit Haltung und Tiefgang, der "De Luizenmoeder" zu einem besonderen Stück Fernsehen macht. Gleichzeitig legt er die Latte für das deutsche Remake ziemlich hoch, da es extrem darauf ankommt, den richtigen Ton zu treffen. Nicht bei jedem niederländischen Import ist das geglückt (erinnert sich noch jemand an "Männer! – Ales auf Anfang"?). Immerhin wird sich die Produktionsfirma des Originals, Bing Film & Televisie, auch um die Sat.1-Version für die TV-Saison 2018/19 kümmern. Ihr gelang mit der "Luizenmoeder" Anfang des Jahres ein großer Erfolg beim öffentlich-rechtlichen Avrotros, der sich im Laufe der Staffel von rund 700.000 auf knapp dreieinhalb Millionen Zuschauer steigerte. Etliche Szenen daraus sind im YouTube-Kanal von Avrotros abrufbar.