Wie dank einschlägiger Medien so gut wie jedem bekannt sein dürfte, ist Frankreich Fußball-Weltmeister geworden. Vier Jahre wird es dauern, bis möglicherweise jemand anderes diese Stellung einnimmt. Um die Wartezeit auf ein großes Turnier zu halbieren, rollt der Ball in zwei Jahren zur nächsten Europameisterschaft. Events wie diese sorgen dafür, dass Menschen, die sonst kein einziges Bundesliga-Spiel verfolgen, sich plötzlich die Deutschland-Fahne ins Gesich pinseln und das neueste Trikot ihres vermeintlichen Lieblingsspielers tragen. Die Euphorie ist dann dermaßen zu spüren, dass es einfach Spaß macht, sich ihr anzuschließen. Das trifft vordergründig auf den Männer-Fußball zu. Frauen-Fußball hingegen wird von vielen leider lasch als Hobby abgestempelt.

Auch Helena Mikkelsen (Ane Dahl Torp) bekommt diese Einstellung zu spüren. Eigentlich ist sie in ihrem Job als Fußballtrainerin unfassbar erfolgreich. Sie steht mit ihrer Frauen-Mannschaft aus Trondheim im Champions-League-Halbfinale und ist positiv gestimmt, dass das nicht die Endstation ist. Doch das genügt ihr nicht. Sie will die gleiche Aufmerksamkeit wie sie ein Jürgen Klopp bekommt. Sie möchte ein Stadion mit tausenden von Menschen, die das bejubeln, was sie so sehr liebt. Dafür wechselt sie von ihrer weiblichen Champions-League-Mannschaft zum männlichen, norwegischen Erstligaaufsteiger Varg IL.

Schöpfer und Autor der Serie, Johan Fasting, bringt damit wortwörtlich einen Ball ins Rollen, von dem der Zuschauer seine Augen nicht mehr so schnell ablassen möchte. “Home Ground”, wie die von NRK und Motlys produzierte Serie international vertrieben wird, ist in all ihrer ungeschönten Herrlichkeit ein Fußball-Drama, das mit so viel mehr als einem runden Leder glänzen kann. Es ist eine High-End-Geschichte über Sexismus, der im Privaten als auch im Beruf wirkt, das eigene Vortäuschen von Selbstvertrauen, die Demütigungen, die ein Mensch für das größere Ganze manchmal über sich ergehen lassen muss und vor allem über das Erreichen eigener Träume.

Zugegebenermaßen, der letzte Punkt könnte arg kitsch-behaftet klingen. "Home Ground" verschmäht jedoch jegliche Art von Überinszenierung. Viel zu sehr wurde der Fokus darauf gesetzt, eine Serie zu entwickeln, die mit dem richtigen Grad an Leidenschaft eine Balance zwischen Realität und Fiktion halten kann. So werden anfangs einige Punkte angesprochen, die die meisten Fußball-Fans auch in den richtigen Sport-News einmal gehört haben dürften: Norwegen hat es 2018 wieder nicht geschafft, sich für eine WM zu qualifizieren und das Mega-Talent Martin Ødegaard, das seit geraumer Zeit für Real Madrid spielt, wurde mit der komplett falschen Einstellung nach Spanien geschickt. Die essentielle Frage: Was läuft falsch mit der Jugendarbeit in Norwegen?

Helena nimmt sich genau dieser Frage in ihrem fiktiven Club Varg IL an. Sie möchte verdeutlichen, dass Fußball nicht nur ein Sport ist, der über Geld geregelt werden kann. Sicherlich ist ein gewisses Budget von Nöten, jedoch muss es dann gezielt eingesetzt werden. Vor allem für frische, junge Spieler, die die Leidenschaft im Sport sehen und nicht nur das große Gehalt. "Home Ground" ist jedoch nie zu verbissen darin, immer wieder aufzeigen zu wollen, wie schlecht das Fußball-Geschäft in echt doch betrieben wird. Es ist nur eine Facette von vielen, die zeigt, dass nicht nur überragende Krimis aus Skandinavien kommen können.

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Während auf der einen Waagschale das große Ganze betrachtet wird, nämlich der Kampf von Aufsteiger Varg IL in der höchsten Spielliga, stehen auf der anderen Seite ganz viele, einzelne rote Fäden. So muss Helena, die vor der Kamera gerne die toughe Frau spielt und seit 15 Jahren erfolgreich ihrem Job nachgeht, einen rechten Haken nach dem anderen aushalten. Sollte sie anfangs lediglich Assistenz-Trainerin werden, wird sie auch nach ihrer erfolgreichen Einstellung als Coach weiterhin verhöhnt. So möchte der Hauptsponsor beim Kennenlernabendessen von ihr wissen, wer denn eigentlich die legendären Tore im Spiel Rosenborg gegen Real Madrid von 1997 geschossen hat. Wie ein kleines Schulmädchen muss sie beweisen, dass sie Ahnung von dem hat, was sie ihr ganzes Leben lang predigt. Weiter geht es, natürlich, mit den Spielern ihrer neuen Mannschaft, und all den Fans, die es nicht fassen können. Eine Szene, die am deutlichsten macht, wie kaputt unsere Gesellschaft auch heute noch ist, ist die, in der Helenas Tochter die Mailbox und die SMS auf dem Handy ihrer Mutter checkt. Unzählige Vergewaltigungs- und Morddrohungen überschwemmen die Liste unbeantworteter Nachrichten.

Sportreporterin Claudia Neumann, die bei der diesjährigen WM fürs ZDF einige Partien kommentierte, dürfte ungefähr wissen, wie sich das anfühlt und wie realistisch dieser Hass mancher Menschen ist. Auch ihr wurde fehlende Fachkompetenz unterstellt, schlicht, weil sie eine Frau ist. "Home Ground" geht dieser Frage mit einem smarten Drehbuch auf den Grund und beweist eine Feinfühligkeit, wie sie noch keine andere Fußball-Produktion hatte.

So gut das skandinavische Drama versucht, die großen Fragen zu klären, so wunderbar werden auch die kleinen Momente inszeniert. So ist es für den Zuschauer nicht nur herrlich mit anzuschauen, wie Helena Michael Ellingsen - der beste Spieler des Teams, verkörpert vom ehemaligen Profi-Spieler John Carew - auf dem Trainingsgelände zeigt, wie ein ordentliches Lattenschießen auszusehen hat. Sondern auch, wie ihre Tochter zu einer genauso gewieften Frau, wie sie selbst wird. "Du bist 17. Glaubst du wirklich, dass du nächstes Jahr noch mit ihm zusammen bist?", fragt Helena ihre Tochter, als sie ihr klar machen muss, dass sie für den neuen Job umziehen müssen. "Glaubst du wirklich, dass du den Job nächstes Jahr noch hast?", kontert sie daraufhin.

Beispiele wie diese könnten alleine aus der ersten Folge zuhauf gegeben werden. Dabei spielt es tatsächlich keine Rolle, ob man selbst nun Fußball-Fan ist, oder nicht. "Home Ground" ist beinahe ein Event wie die Fußball-WM oder EM, bei dem jeder auf seine Kosten kommt, weil man nach kurzer Zeit genau weiß, dass bis zum Finale allerhand Geschichten zu erleben sind.

"Home Ground" ist derzeit leider nur in Norwegen zu sehen. Wenn der skandinavische Vertrieb DR Sales Senderechte verkauft, die den deutschen Zuschauer betreffen, erfahren Sie es unter DWDL.de.