Eine "nationale Aufgabe" kündigte Stefan Raab vor zwei Jahren an - und er erfüllte sie mit Bravour, wie sich nur einige Monate später herausstellen sollte. Lena Meyer-Landrut gewann bekanntermaßen den Eurovision Song Contest, nachdem sie sich bereits im von Raab initiierten Casting "Unser Star für Oslo" in die Herzen der Zuschauer sang. Nun, zwei Jahre später, kooperieren ARD und ProSieben erneut für den Eurovision Song Contest, doch vor dem Finale von "Unser Star für Baku" könnte die Bilanz kaum ernüchternder ausfallen.

Während man sich bei der ARD in den kommenden Monaten womöglich noch darauf berufen kann, immerhin einen potenziellen ESC-Star gefunden zu haben, steht ProSieben nach mehreren Wochen Grand Prix-Casting nun mit leeren Händen da. Der Sender hat zahlreiche Sendeplätze für die Show freigeräumt, der ARD erneut sein bekanntestes Gesicht geliehen, doch belohnt wurde man dafür nicht. Im Schnitt verzeichnete "Unser Star für Baku" seit Mitte Januar gerade mal rund 1,7 Millionen Zuschauer. Der durchschnittliche Marktanteil beim jungen Publikum liegt vor dem Finale bei nur 9,5 Prozent.

Bitter ist vor allem der massive Abwärtstrend, denn ganz offensichtlich herrschte zu Beginn der Staffel durchaus Interesse an der Show: Den Auftakt verfolgten nämlich noch rund zweieinhalb Millionen Zuschauer, mit einem Marktanteil von 15,6 Prozent lag "Unser Star für Baku" nur knapp hinter der Premieren-Show von "Unser Star für Oslo" aus dem Jahr 2010. Doch in diesem Jahr schalteten die Zuschauer nach der ersten Ausgabe in Scharen ab - den Tiefpunkt markierte die Ausgabe vom vergangenen Montag, als gerade mal noch 6,5 Prozent der werberelevanten Zuschauer erreicht wurden.

Zuschauer-Trend: Unser Star für Baku
Unser Star für...

Die zuvor gezeigten Donnerstags-Ausgaben liefen zwar etwas besser, blieben allerdings weit von dem entfernt, was bei ProSieben noch wenige Wochen zuvor auf demselben Sendeplatz mit "The Voice of Germany" möglich gewesen ist. Womöglich könnte darin auch eines der größten Probleme der laufenden Staffel liegen: Dass ProSieben "Unser Star für Baku" gerade dann startete, als "The Voice" in die Live-Shows ging, wirkte zumindest unglücklich. Wohl nicht jeder Zuschauer wird verstanden haben, wieso plötzlich Stefan Raab und Thomas D. anstelle von Nena und Xavier Naidoo zu sehen waren.

Hinzu kommt das neue Voting-System, das "Unser Star für Baku" ohne Zweifel ein Alleinstellungsmerkmal bieten sollte. "Moralische Elegenz trifft auf brutale Realität", sagte Stefan Raab Anfang Januar, als er das neue Konzept anpries. Dass die Zuschauer ständig sehen, welcher Kandidat gerade vorne liegt, war in der Tat ein neuer Ansatz. "Es ist wie beim Fußballspiel. Da sieht man ja auch nicht erst am Ende, wer gewonnen hat." Die neuen Regeln seien "komplett transparent", in zehn bis 15 Jahren würde gar die Bundestagswahl so aussehen, prophezeite Raab. Doch offenbar ist es nicht gelungen, dessen Euphorie auf das Publikum zu übertragen.

Bei ProSieben wird man nun gewiss ganz genau überlegen, ob man sich noch einmal auf eine Kooperation mit der ARD einlassen wird. Doch so enttäuschend das Quoten-Fazit - im Übrigen auch für Das Erste - ausfällt: Erst nach dem Eurovision Song Contest im Mai wird sich zeigen, ob der Casting-Marathon der vergangenen Wochen zumindest aus Sicht der erneut beschworenen nationalen Aufgabe erfolgreich gewesen ist. Ob eine gute Platzierung in Baku reichen wird, um die schwachen Zuschauerzahlen des Castings vergessen zu machen, steht aber freilich auf einem anderen Blatt.