Manch einer, der vorschnell über "Köln 50667" urteilt, hat die Sendung noch gar nicht gesehen. Dieses Phänomen ist nicht neu, aber es wiederholt sich auch bei dieser RTL II-Sendung. Als Schwester des beim Publikum und Werbemarkt erfolgreichen Formats "Berlin - Tag & Nacht" verzichtete RTL II und Produzent Filmpool diesmal immerhin auf die Behauptung, alles sei echt. Statt diesem Etiketten-Schwindel sprechen Sender und Produzent bei beiden Formaten längst von einer Soap, was sie auch ist. Produziert wird diese nur kostengünstiger mit Laiendarstellern, was wiederum an die Anfänge mancher heute klassischen Dailysoap in den 90er Jahren erinnert. Bleibt also die Frage des Geschmacks.

Und wenn es einen Hüter des guten Geschmacks und des Anstandes gibt, dann ist es die "Bild". So zumindest wirkt es derzeit in Köln. Auf dem vom Verlag M. DuMont Schauberg dominierten Zeitungsmarkt der Domstadt spielt die "Bild" nur eine untergeordnete Rolle. Schärfster Konkurrent ist die Boulevardzeitung "Express". Der Platzhirsch in Köln kooperiert häufig mit in Köln ansässigen TV-Produktionen und begleitete beispielsweise auch jahrelang "Big Brother" intensiv ohne dabei mit kritischer Berichterstattung zu sparen. Auch bei "Köln 50667" wollte man von Anfang an dabei sein. Bis jetzt ist die Geschichte noch frei von einer Pointe. Dafür sorgt jetzt erst die Kölner "Bild"-Redaktion.

Denn wenn der "Express" sich eines Themas annimmt, ist die "Bild" eben dagegen. Auf diese einfache Formel lässt sich das bringen, was die Beteiligungen vermutlich für Journalismus halten. Tag um Tag wird die Kampagne der "Bild" in Köln in ihrer Verbissenheit absurder. Dass es sich um eine Kampagne handelt, versteckt man inzwischen nicht einmal mehr und legt nebenbei so manche Methode frei. Weil sich sonst so recht niemand empören will, kultiviert "Bild" über Tage hinweg ihr eigenes Urteil über die Serie als Grundlage der Kampagne. Konsequent versucht man die Serie als "Asi-TV" abzustempeln.

Dazu unsauberer Journalismus. Da wird kurz nach dem Sendestart beispielsweise spektakulär enthüllt: "Und jetzt kommt raus: RTL II hat schon 120 Folgen vom Asi-TV bestellt". Dabei war das zu dem Zeitpunkt schon seit Wochen bekannt, klingt aber wie eine Enthüllung. Bei "Bild" sorgt man sich, dass die Sendung "die ganze Region bundesweit in den Dreck" zieht. Es gehe ja schließlich nur um "Geschreie, Gesaufe und Gezicke". Gerade eine Kölner Lokalredaktion sollte aber wissen: Damit sieht es in der Serie eben hin und wieder nicht anders aus als am Rande des Straßenkarnevals im echten Köln an den bevorstehenden Karnevalstagen. Und der Eindruck, es gehe bei "Köln 50667" ausschließlich darum, ist darüber hinaus auch noch falsch.

Nur wäre es für die Kampagne nicht förderlich, wenn man die ausgerechnet für die "Bild" so empörenden Szenen mal ins Verhältnis mit den üblichen Dailysoap-Storylines setzt, die überwiegen. In den vergangenen vierzehn Tagen hat die Kölner "Bild"-Redaktion schon alle Register gezogen gegen die RTL II-Serie. Inklusive Aufruf zum Protest, Schummelvorwürfen, vermeintlichen Enthüllungen und ersten "Erfolgen" der eigenen Kampagne. Die Liste der bisher zur Sendung erschienen Artikel ist schon lang...

Dieses Asi-TV ist eine Schande für Köln! (9. Januar)
120 Folgen Asi-TV schon bestellt! (10. Januar)
110 mal A...., Sch... und f... bei „Köln 50667": Stoppt das Asi-TV! (10. Januar)
Asi TV: Hauptdarsteller mit Haftbefehl gesucht! (10. Januar)
Stoppt das Asi-TV: Schreiben Sie dem RTL2-Chef Ihre Meinung! (14. Januar)
Asi-TV schummelt auch bei Facebook (15. Januar)
Proll-TV mit Junge Union-Mann: Dieser A.... will ein Politiker sein (15. Januar)
Proll-Star muss nicht in den Knast (18. Januar)
Darf das Asi-TV bald nicht mehr in Köln drehen? (23. Januar)

Man muss kein Fan von Dailysoaps sein und genauso wenig den deftigen, manchmal regelrecht derben Umgangston bei "Köln 50667" mögen. Aber die Serie wäre beim jungen Publikum nicht so erfolgreich - was übrigens von "Bild" kein einziges Mal erwähnt wurde - wenn sie mit dieser Darstellung nicht die Lebenswirklichkeit ihrer Zuschauer treffen würde. Und schon ist man mitten drin in viel schwerwiegenderen Problemen unserer Gesellschaft. Aber darum geht es der "Bild" nicht. Die Rolle des Sittenwächters spielt die Boulevardzeitung wenig überraschend recht unglaubwürdig. Es geht hier gar nicht um die Serie sondern die Abgrenzung zum erfolgreicheren Konkurrenten "Express". Dass man sich dabei als Kölner Lokalredaktion ausgerechnet kurz vor Karneval über zu viel Alkohol- und Party-Szenen aufregt, hat schon einen ganz speziellen Humor.