Ein Jahrzehnt lang war es eine wenig rühmliche Programmfarbe im deutschen Fernsehen: Call-In-Gewinnspiele wurden aus Profitgier vom grundsätzlich nicht verwerflichen Programm-Element zum alleinigen Gegenstand gleich mehrerer Sender. Allen voran der Marktführer 9Live aus dem Hause ProSiebenSat.1 machte mit seinem in späteren Jahren fragwürdigen Spielen Negativ-Schlagzeilen am laufenden Band, auch wenn er sich dafür feiern kann, dass ihn andere Wettbewerber bei absurden, dreisten Spielen irgendwann links überholt hat.



Doch ausreichend naive Anrufer sorgten lange genug für ein lukratives Geschäft und sorgten dafür, dass der Hot Button, die Schnellrate-Runde und manche absurde Antwortmöglichkeit schon in die Sprachkultur übernommen wurden. Doch am 31. Mai 2011 verstummte der Hot Button. Seit Anfang 2011 verzichtete man, angeblich der Analog-Abschaltung vorauseilend, auf die analoge Satellitenverbreitung. Doch die fehlende Reichweite ließ die Umsätze weiter abstürzen. Für Thomas Ebling, der damals schon öffentlich seine Abneigung gegenüber diesem Schmuddelkind der Sendergruppe, zum Ausdruck brachte, war der Zeitpunkt zur Einstellung gekommen.

Am 31. Mai 2011 endeten die unsäglichen Telefonspielchen, doch 9Live sendete vorerst planlos mit Archivware von ProSiebenSat.1 weiter. Erst am 9.August musste die verbrannte Sendermarke dann endgültig Platz machen für den neuen Frauensender Sixx. Der letzte Geschäftsführer von 9Live, Ralf Bartoleit, wurde zur ProSiebenSat.1-Beteiligungstochter Seven Ventures versetzt. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. Das gilt jedoch auch für viele der Moderatoren des Call-In-Senders. Die Karriere von Robin Bade zum Beispiel scheint wie seine Website "under construction" zu sein.

Gleich drei 9Live-Gesichter schlugen einen ähnlichen Weg ein und blieben dem Verkauf via Bildschirm treu: Anna Heesch, Alida Kurras und Thomas Schürmann fanden beim Teleshopping eine neue Heimat. Schürmann verkauft für HSE24, Heesch und Kurras für Channel 21. Wie auch Ex-9Live-Kollege Jürgen Milski, der für Sport 1 immer noch hin und wieder altbekannte Spielchen spielt, steht Kurras darüber hinaus als B-Prominente für Promi-Dinner, Promi-Shoppen und Co. vor der Kamera. Max Schradin versuchte sich als Radio-Moderator und sorgte in einem DWDL.de-Interview mit offenherzigen Aussagen zum Geschäftsgebaren bei 9Live für Aufmerksamkeit.

Das weitgehende Aus für Call-in-Gewinnspiele vor zwei Jahren war auch den mit Jahren Verspätung endlich verschärften Regeln geschuldet, die die Sendungen bzw. Spiele für Betreiber immer unattraktiver machten. Bis auf Sport1 haben sich im deutschen Fernsehen alle Sender von dem zweifelhaften Genre verabschiedet. Doch den freigewordenen Raum nahmen oftmals Esoterik-Programme wie das inzwischen genauso legendär, fragwürdige Astro TV ein. Ohne Chance auf materiellen Gewinn sind diese Sendungen im Grunde sogar eine perfide Steigerung des Telefon-Geschäfts via Fernsehsendung. Immerhin aber weit nicht so verbreitet wie es einst Call-In-Gewinnspiele waren. Bevor vor genau zwei Jahren bei 9Live die Lichter ausgeknipst wurden.