Schon im vergangenen Jahr charakterisierten wir ProSieben an dieser Stelle als Sitcom-Spartensender - ein Fakt, an dem sich bis heute nichts geändert hat. Der Anteil an Sitcoms im Programm hat seither sogar noch zugenommen, sodass die Gefahr eines Overkills größer ist als je zuvor. Aus Quotensicht ist die Situation für ProSieben allerdings noch entspannt, denn auch wenn der Sender in der zurückliegenden Saison gleich mehrere Monate mit weniger als elf Prozent Marktanteil in der Zielgruppe abschloss, so zeigt der Trend seit März wieder klar nach oben. Und aktuell ist man dem Dauer-Marktführer RTL sogar so nahe wie seit Ewigkeiten nicht mehr.

Das hat einen guten Grund: Die Sitcom-Wiederholungen in der Daytime sind beliebter denn je und bewegen sich seit Monaten schon auf Rekordniveau. Bisweilen liegen die Marktanteile sogar bei mehr als 20 Prozent - das macht ProSieben inzwischen nicht selten zum Marktführer vor den Scripted Realitys von RTL, an denen sich die Zuschauer schneller sattgesehen haben als es viele Beobachter vermuteten. Positiver Nebeneffekt für ProSieben: "Big Bang Theory" & Co. präsentierten sich zuletzt in derart bestechender Form, dass selbst das lange Zeit schwächelnde Magazin "taff" inzwischen mit Bestwerten wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden hat. Dadurch kann ProSieben auch die zunehmende "Galileo"-Schwäche am Vorabend verkraften, um die man sich dennoch schnellstmöglich kümmern sollte.

Die stundenlangen Sitcom-Wiederholungen haben aber noch einen weiteren Vorteil: Je häufiger sie gezeigt werden, desto günstiger werden die Ausstrahlungen für den Sender, zumal ProSieben ja inzwischen nicht nur tagsüber auf die Comedyserien aus Übersee setzt. Längst dominieren die Sitcoms nämlich auch die Primetime. In der vergangenen Saison verabschiedete man sich montags endgültig von den Mysteryserien, die mittlerweile an den äußersten Rand des Programms gedrängt wurden und am späten Freitagabend nicht selten untergehen. Und auch der Mittwochabend - einst Heimat von "Desperate Housewives" und "Grey's Anatomy" - ist ebenfalls längst zum Sitcom-Abend mutiert.

Inzwischen scheint es allerdings, als habe ProSieben mehr Sitcom-Sendeplätze als Sitcoms. Ausgerechnet der Dienstagabend, einst Ausgangspunkt der Sitcom-Welle, musste in der zurückliegenden Saison mehrfach für Serien herhalten, die schon in ihrem Heimatland floppten. Immerhin: Mit der zunächst bei Sat.1 gefloppten Sitcom "Mike & Molly" gelang es ProSieben, einen neuen US-Dauerbrenner auch hierzulande zu etablieren. Doch bei aller Euphorie hat die Warnung aus dem vergangenen Jahr nach wie vor Bestand: Sollte das Interesse des Publikums einbrechen oder der Nachschub aus den USA ausbleiben, könnte es ProSieben mit ernsthaften Problemen auf weiter Flur zu tun bekommen.

Dass ProSieben seine zwischenzeitliche Schwächephase in der zurückliegenden Saison überwinden konnte, lag aber nicht zuletzt daran, dass sich "Germany's next Topmodel" von den zwischenzeitlichen Tiefstwerten im Laufe der nunmehr achten Staffel spürbar erholte. Ohnehin ist es ProSieben in der vergangenen Saison gelungen, sich erfolgreich gegen den Abwärtstrend des Casting-Genres zu stellen: "The Voice of Germany" erwies sich im Winter als der erhoffte Quoten-Hit und ließ inzwischen sogar die lange Zeit unangefochtenen RTL-Shows "Deutschland sucht den Superstar" und "Das Supertalent" hinter sich. Zudem gelang es im Sommer, mit "Got to Dance" eine Tanzshow zu etablieren, die in Zukunft vermutlich nicht mehr nur als Pausenfüller für die heißen Tage herhalten wird.

Im Show-Bereich hat ProSieben außerdem mit "Elton zockt" einen weiteren Neustart mit guten Quoten an den Start gebracht. Die Premieren-Folge hatte zwar einige Längen, war unter dem Strich aber sehr erfolgreich und wird zu Recht fortgesetzt. Auffällig: ProSieben ist mittlerweile längst nicht mehr so stark von Stefan Raab abhängig wie vor einigen Jahren. Der ist mit "Schlag den Raab" zwar weiter erfolgreich, leistete sich in der zurückliegenden Saison mit dem "Quizboxen" aber einen echten Flop. Und auch sein Polittalk "Absolute Mehrheit" geriet unter die Räder - von den mauen "TV total"-Quoten ganz zu schweigen.

Und dann sind da auch noch Joko und Klaas, die sich mit ihrem "Circus HalliGalli" recht wacker schlugen, auch wenn das Interesse nach dem starken Auftakt erwartungsgemäß spürbar zurückging. Immerhin aber ist es ProSieben durch die Verpflichtung des Duos gelungen, ein Format im Programm zu haben, über das die junge Zielgruppe des Senders spricht. Joko und Klaas verleihen ProSieben das dringend nötig Profil, das durch das stundenlange Wiederholen von Sitcoms in Day- und Primetime verloren zu gehen droht. ProSieben ist gut beraten, sich in der kommenden Saison diesbezüglich noch mehr zu trauen. Die angekündigte Bully-Sitcom und die neue Show mit Olli Schulz könnten bei der Profilschärfung helfen. Doch so lange der Sitcom-Hype anhält, ist bei ProSieben ohnehin (fast) alles gut. Zurücklehnen sollte man sich aber besser nicht. Sonst könnte dem Sender das Lachen ganz schnell vergehen.