Man kann wahrlich nicht behaupten, dass den Medien heutzutage der Sex fehlt. Nackte Haut und heiße Fantasien verkaufen sich gut - fragen Sie mal Miley Cyrus. Doch längst findet sich nackte Haut, egal ob harmlos oder als Vollerotik - eine der Wortschöpfungen von Ex-Medienmacher Georg Kofler - einfacher und schneller im Netz. Das Fernsehen ist abseits von Serien und Filmen - zur weitgehend Sex-freien Zone geworden. Hier mal nackte Haut bei einer Preisverleihung, da mal eine kurzlebige Dokusoap oder ein schlüpfriger Magazinbeitrag. Doch davon abgesehen scheint sich das Fernsehen dem Internet geschlagen zu geben: Sex spielt als Thema für sich - anders als vor zehn oder 15 Jahren - kaum noch eine Rolle im Programm der Privatsender. Ein "Tutti Frutti" bei RTL, Softpornos bei Sat.1, "Wa(h)re Liebe" bei VOX, "Liebe Sünde" bei ProSieben oder "Peep" bei RTL II - kein großes privates Vollprogramm kam früher ohne diese Programmfarbe aus. Bei Werbekunden waren sie nicht immer die beliebtesten Umfelder - und doch gab es sie.



Verglichen mit den Sexy Clips bei Sport1 wirken manche Produktionen von damals regelrecht anspruchsvoll. Und sie waren es im Übrigen auch: Gerade bei den Magazinen "Wa(h)re Liebe" und "Liebe Sünde" wurde damals aktuell recherchiert. Lang ist das her - sowohl die Formate als auch diese Tugend, die heute generell so manches Magazine vermissen lässt, dass nur noch Zweitverwertung betreibt. Hat das Internet dem Fernsehen den Sex geklaut? Deutschland wird kaum prüde geworden sein. Wir stellten die Frage den deutschen Privatsendern und bekamen interessante, teils deutlich unterschiedliche Meinungen. "Erotische Themen waren damals im TV - und auch generell öffentlich - ein echter Tabubruch. 'Tutti Frutti', 'Wa(h)re Liebe' und Co. waren für die Zeit auf eine Art revolutionär. Heute ist das Thema durch das Internet grenzenlos und eben auch nicht neu", sagt RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer. Doch es gebe ja weiterhin Erotik bei allen Sendern, "nur die Form und Verpackung ist eine andere. Man regt sich auch weniger auf und deshalb scheint Erotik weniger präsent zu sein."

Haben wir uns also einfach an mehr Sex in den Medien gewöhnt? "Fernsehen ist als Medium für die Zuschauer in all seinen Facetten sehr sexy. Aber die 90er-Jahre-Erotikmagazine sind kein zeitgemäßer Zugang mehr zum Thema Partnerschaft, Liebe und Sexualität", glaubt Christoph Körfer, stellvertretender ProSieben-Geschäftsführer. Trotzdem gibt man das Thema nicht ganz auf. "ProSieben war zuletzt mit der Prime Time-Reportage 'Unter fremden Decken – Auf der Suche nach dem besten Sex der Welt' an einem Samstag so erfolgreich, dass wir gerade Teil zwei für den Herbst drehen." Auch beim Schwestersender Sat.1 werde die schönste Nebensache der Welt ein Thema bleiben. "Nur muss es für uns sicher zeitgemäßer, anders, spannender umgesetzt werden, als es die klassischen Erotik-Magazine in den 90ern getan haben", erklärt Sprecherin Diana Schardt und kündigt an: "Entsprechende Überlegungen gibt es auch bei Sat.1."

Für andere ist das Thema weniger akut. "Formate dieser Art spielen zur Zeit in unsere Planung keine Rolle. Ob es irgendwann mal ein Revival gibt, wer weiß? Dass es zur Zeit bei VOX nicht diskutiert wird, hat allerdings nichts mit dem zu tun, was im Internet stattfindet“, erklärt VOX-Sprecherin Corinna Teuner. Da widerspricht eine Frau, die schon in den späten 80er Jahren Aufklärungsarbeit via Privatfernsehen betrieb - und damit bekannt wurde: Erika Berger. "Leider muss man sagen: das Internet hat dem Fernsehen den Sex geklaut", sagt sie. "Die Gründe hierfür sind meiner Meinung nach, dass man im Netz auf keine Werbekunden Rücksicht nehmen muss, die Altersbeschränkung letztendlich aufgehoben ist und man es im Internet oft noch günstiger und plakativer darstellen kann. Ich finde diesen Trend sehr bedauerlich, weil meist auch die Qualität darunter leidet."