"Junge Formate für ein Programm im Wandel" lautete das Motto des ersten VoloLabs, einem Treffen von immerhin 140 ARD-Volontären, die in Bremen gemeinsam "tüfteln und die Köpfe qualmen lassen" wollten. Und in der Tat war das zurückliegende Wochenende ein voller Erfolg: Erstaunlich offen und breit wurden sowohl die ganz persönlichen Anliegen als auch strategischen Überlegungen zu den Herausforderungen der ARD erörtert. Und das mit mehr Aufmerksamkeit und Beteiligung als bei manch größere Diskussionsveranstaltung zur Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen. Ein abschließendes, gemeinsames Thesenpapier der ARD-Volontäre ist noch immer in Abstimmung, dafür finden sich im Netz einige subjektive Bilanzen und Zusammenfassungen des Treffens, etwa von Ex-MDR-Volontär Martin Hoffmann und ems-Volontärin Tina Friedrich. An Live-Berichterstattung via Twitter mangelte es am Wochenende selbst schon nicht. Der Hashtag #vololab wurde gar zum Trending Topic. Input für die Diskussionen der ARD-Volontäre lieferten u.a. der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor mit einem ausführlichen Grußwort, NDR-Veteran Kuno Haberbusch, Wolfgang Blau vom "Guardian", Marcus Engert von Detektor.fm, Journalist und TV-Reporter Daniel Bröckerhoff und auch ich, Thomas Lückerath.



Meine Präsentation habe ich mal als PDF zum Download bereitgestellt und im Folgenden noch einmal für den schnellen Überblick verschriftlicht. Nicht jede These ist vielleicht selbsterklärend, aber auf Erläuterungen zu jedem einzelnen Punkt habe ich jetzt verzichtet. Nur eine Anekdote sei noch vorweg geschickt: Am Samstagmorgen twitterten wir über unseren DWDL-Account: "Guten Morgen aus Bremen. Lutz Marmor spricht beim Volontärstreffen der ARD so offen - das würde der ARD auch sonst gut zu Gesichte stehen." Die Reaktion von @ARD_Presse: "Problem: Die ARD sind viele." Unsere Antwort darauf: "Stimmt. Ihr seid eben nicht eins. Und das ist gut so #regionalität #vielfalt". Die ARD-Pressestelle favorisierte das spontan. Die ARD ist eben doch nicht eins - eine Erkenntnis, die am Ende der Veranstaltung auch die Volontäre bei der Abstimmung des Thesenpapiers in gewisser Art und Weise gespürt haben. Doch nun zu den Thesen, vorgetragen in Bremen unter der Überschrift "Die ARD und die Jugend - eine Geschichte voller..."...

Ihr seid nicht eins! Von einem gefährlich falschen Grundverständnis

  • Die DNA der ARD ist nicht die Gemeinsamkeit sondern die Vielfalt durch Regionalität.
  • Entweder man lebt diese DNA - oder man müsste die ARD völlig neu definieren und aufstellen.
  • Voneinander lernen statt miteinander lernen.
  • Individualität pflegen statt den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen.
  • Das Ziel kann nur sein: Gesunder Wettbewerb statt Gremien- und Koordinationswahnsinn.

Hört mir auf mit Jugend! Jünger bedeutet für ARD und ZDF nicht Jugend

  • Der Altersdurchschnitt des Publikums der dritten Programme liegt bei über 60 Jahren.
  • Der Altersdurchschnitt von RTL liegt jedoch auch bereits bei über 50 Jahren.
  • Die Thirtysomethings oder jungen Familien wären schon ein wichtiges Etappenziel.
  • Radikale Inseln helfen nicht. Kopf im Kühlschrank, Füße im Herd ergeben auch keine ideale Körpertemperatur.
  • Verjüngung statt Jugendwahn: Die ARD kann nicht gleichzeitig sich selbst und das Medium revolutionieren.

Auf die Barrikaden! Ein Jugendkanal löst keine Probleme, er schafft welche

  • Zugespitzt formuliert muss gelten: Integration statt Abschiebung.
  • Eine Herausforderung wird verschoben, damit in den Hauptprogrammen alles bleiben kann, wie es ist.
  • ZDFneo ist gerade vier Jahre alt geworden - und konnte keine Handvoll prägende Formate beisteuern.
  • Neuer Jugendkanal soll kostenneutral sein. Ohne mehr Investitionen wird der Kanal zur doppelten Mogelpackung.
  • Derzeit kann es kaum einer Rundfunkanstalt schnell genug gehen. Aber wenn er erstmal da ist, der Kanal...

Das Internet! Das Internet! Vorhandene, erfolgreiche Marken mehr als nur verlängern

  • Dringend nötig: ARD und ZDF brauchen endlich eine klare Legitimierung für eine umfassende Präsenz im Netz.
  • Anders als bei der Gründung geht es nicht um Sicherung von Meinungsvielfalt sondern Qualitätssicherung.
  • Das würde den jungen Radiosendern der ARD entscheidendes Wachstum ermöglichen.
  • Wenn regionale Radiosender zu Jugendmarken ausgebaut werden, nutzt und stärkt das die einzigartige Regionalität.
  • Organische Weiterentwicklung statt Retorten-Sender ohne Verortung und in Abstimmung mit dem ZDF.

Und über Inhalte sprech’ ich auch noch! Bitte nicht anbiedern, lieber fordern

  • Was der Jugendkanal als Jugend definiert, reicht vom Schüler (der heimlich noch mit Lego spielt) bis zum Berufstätigen mit Diplom
  • Woher kommt der Trend der Anbiederung? Wollten wir nicht früher in erster Linie ernst genommen werden
  • Brauchen wir neue Formate oder „nur“ modernere Ansprachen/Inszenierungen?
  • Bitte nicht noch mehr „Neon“-eskes Infotainment
  • Und ganz wichtig: Social Media ist ein Handwerkszeug für Fernsehmacher, aber kein eigenes TV-Genre