Wir schreiben das Jahr 1996. Manfred Krug ist seinerzeit der beliebteste "Tatort"-Kommissar des Landes. Verständlich, dass viele ein Interesse daran haben, an dieser Popularität zu partizipieren. Die Deutsche Telekom ist es schließlich, die Krug als Gesicht ihrer millionenschweren Werbekampagne zur Einführung der T-Aktie unter Vertrag nimmt. Dass er diese Werbespots gedreht hat, bezeichnete Krug Jahre später jedoch als größten Fehler seines Lebens. Die Aktien des magentafarbenen Riesen hatten nach dem Börsenstart massiv an Wert verloren und vielen hoffnungsvollen Anlegern quasi von heute auf morgen vor Augen geführt, dass eine Volksaktie kein Garant für plötzlichen Reichtum ist.

Wohl über kaum eine Aktie wurde hierzulande so viel berichtet wie über die Papiere der Telekom. "Wir schalten nun ans Parkett nach Frankfurt" war zu diesem Zeitpunkt vermutlich einer der am meisten gesprochenen Sätze, insbesondere beim Nachrichtensender n-tv, der zu besagtem Zeitpunkt noch keine fünf Jahre auf Sendung war und zwischenzeitlich so viele Aktienkurse einblenden wollte, dass ein Laufband plötzlich nicht mehr ausreichte. Über einen langen Zeitraum hinweg profitierte n-tv von diesem Börsen-Boom, der das Land heimsuchte. Was folgte waren der Neue Markt und neue Fantasien. Und so manche Enttäuschung.

Viel hat sich seither getan, auch in der Berichterstattung. "Eine Dreiviertelstunde Wirtschaftsberichterstattung, wie das mal zu Zeiten des Neuen Marktes war, ist heute nicht mehr angesagt", weiß Ulrich Reitz. Zu stark hätten sich die Sehgewohnheiten der Zuschauer seither verändert. Reitz ist seit zweieinhalb Jahren Chef der Wirtschaftsredaktion von n-tv und setzt darauf, die Zuschauer kurz, prägnant und erklärend zu informieren. "Dazu braucht man keine Stunde", sagt er im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Dass das Interesse der Zuschauer an Wirtschaftsthemen abgenommen hat, glaubt Ulrich Reitz aber nicht. Im Gegenteil: Geschürt durch Ereignisse wie die Eurokrise, die sich zu einem schicksalshaften Problem ausgewachsen habe, sei das Interesse sogar gestiegen.

In diesem Zusammenhang verweist Reitz gerne auf den hohen Anteil von Wirtschaftsthemen im Programm von n-tv. Im vergangenen Jahr habe dieser bei mehr als zwölf Prozent gelegen und zu Beginn des Jahres sei er sogar noch gesteigert worden. Wichtig sei letztlich die Themen-Mischung, zumal die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft mitunter fließend sind. "Unternehmensnachrichten und Finanzthemen spielen ebenso eine Rolle wie Nutzwertthemen. Gerade die haben an Bedeutung gewonnen, weil sich die Zuschauer beispielsweise fragen, was sie bei ihrer Altersvorsorge beachten müssen", erklärt der Wirtschaftschef des zum RTL-Universum gehörenden Senders, im Gespräch mit DWDL.de die Ausrichtung.

Ulrich Reitz© n-tv

Auf die Quoten wirken sich die Anstrengungen zumindest auf den ersten Blick nicht aus. Dort liegt n-tv nach wie vor klar hinter den Kollegen von N24 - doch insbesondere in der Frühschiene, in der beide Sender auf Nachrichten setzen, hat sich n-tv eine Führung erarbeitet, was wiederum die Frage aufwirft, warum man mit Fortschreiten des Tages mehr und mehr zum Doku-Kanal mutiert. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. So startet etwa im Mai nach der abendlichen "Telebörse" die neue Reihe "Mega-Brands", in der Marken wie Haribo oder Siemens porträtiert werden. Dass der Umfang der Wirtschaftsberichterstattung im Laufe des Tages abnimmt, führt Ulrich Reitz auf die Bedürfnisse der Zuschauer zurück. "Die wichtigsten Themen werden ohne Zweifel morgens gesetzt", sagt er.

Am Abend sei dagegen eine Zusammenfassung gewünscht. Und die liefere n-tv mit einer kurzen Ausgabe der "Telebörse", die man erst vor einiger Zeit auf kurz nach 22 Uhr vorgezogen hat. "Wir sind damit direkt nach dem Handelsschluss an der Wall Street on air. Aktueller geht es nicht." Nicht ausgeschlossen, dass n-tv demnächst als einziger deutscher Sender vom Parkett in New York berichten wird. Das Deutsche Anleger-Fernsehen spart sich bereits seit einigen Tagen die Schalten an die Wall Street - ein Schritt, von dem auch n-tv-Konkurrent N24 betroffen ist. Dort sucht man nun eilig nach neuen Wegen, um weiter von der Wall Street berichten zu können. Eine Alternative wurde bislang allerdings noch nicht präsentiert.

"Wenn man Wirtschaft ernst nimmt, dann muss man aus Amerika genauso berichten wie aus Frankfurt."
Ulrich Reitz, n-tv-Wirtschaftschef

Ulrich Reitz will sich offiziell nicht zur Konkurrenz äußern, erlaubt sich dann aber doch einen Seitenhieb. "Wenn man Wirtschaft ernst nimmt, dann muss man aus Amerika genauso berichten wie aus Frankfurt", sagt der n-tv-Wirtschaftschef. Für eine gute Wirtschaftssendung sei eine Berichterstattung von diesen Orten unerlässlich. "Darauf wollen wir nicht verzichten." Die Wall Street bleibe letztlich die Mutter aller Börsen. "Vorwiegend in New York spielt die Musik der Kapitalmärkte. Von dort gehen nach wie vor die wichtigsten Impulse für die Märkte aus." Doch wie wichtig sind eigentlich die Schalten an die Börsen? In Zeiten des Computerhandels könnte man doch eigentlich neue Wege gehen. "Natürlich wird der Großteil des Börsenhandels über Computer abgewickelt", erklärt Reitz, "aber Fernsehen lebt von Bildern."

Insofern liefere etwa die Frankfurter Börse eine prima Kulisse - auch für Gespräche mit Experten. "In Frankfurt wird nach wie vor gehandelt. Und so lange das so ist, bieten sich die Börsengalerie und das Parkett als Set für unsere Börsenreporter an." Dennoch funktioniert die Berichterstattung heute anders als noch vor fünf oder zehn Jahren. "Es geht nicht mehr darum, bloße Index-Stände zu verkünden", sagt Reitz. Viel mehr wolle man Fakten liefern und gleichzeitig die Geschichte dazu erzählen. Geschichten zu erzählen, darauf kommt es im Jahr 2014 also auch im Nachrichtenfernsehen an. Wohl auch, weil sich n-tv nicht nur auf Heavy-Trader konzentriert, wie Ulrich Reitz gegenüber DWDL.de betont. Womit wir wieder beim viel zitierten Nutzwert wären.

Zweieinhalb Jahre nach seinem Wechsel zu n-tv hat Ulrich Reitz die Mechanismen des Nachrichtenfernsehens längst verinnerlicht. Dabei galt es, einen echten Seitenwechsel zu meistern: Seit Ende der 90er war er in verschiedenen Funktionen bei der "Welt am Sonntag" tätig. Danach arbeitete er drei Jahre für das Wirtschaftsmagazin "Capital", ehe er als freier Journalist unter anderem für die "Wirtschaftswoche" schrieb. Eine Rückkehr in die Printbranche ist für ihn aktuell aber kaum vorstellbar. "Immer schnell reagieren zu können, ist das Reizvolle am Fernsehen. Das macht es für mich auch attraktiver als Print", sagt Reitz, der das aber nicht als Angriff auf die Kollegen verstanden haben will. Dass die Börsenberichterstattung von heute nicht mehr viel mit der Zeit zu tun hat, in der Manfred Krug für die T-Aktie warb, muss dabei gewiss kein Nachteil sein.