Wer montags um 22:15 Uhr RTL einschaltet, der kann nie so recht wissen, was er serviert bekommt. "Extra" nennt sich die Wundertüte, die in dieser Woche ihren 20. Geburtstag feiert. So lange fungiert Birgit Schrowange - "wie immer live aus Köln" - inzwischen schon als Ansagerin einer häufig reichlich kruden Themenmischung, die von den Zuschauern bis heute mit überzeugenden Quoten goutiert wird. Rund drei Millionen sind in diesem Jahr bislang Woche für Woche dabei - ein beachtlicher Wert für ein journalistisches Format im Privatfernsehen. "Unsere Reporter legen regelmäßig im Sinne der Zuschauer und damit letztendlich der Verbraucher, den Finger in die Wunde", antwortet Redaktionsleiter Jan Rasmus im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de auf die Frage, wie man ein wöchentliches Magazin wie "Extra" frisch hält.

Tatsächlich muss man es den Machern hoch anrechnen, immer wieder mit ungewöhnlichen Themen zu überraschen. "Unsere Reporter dokumentieren die Misshandlungen von Kindern in einer Sekte und lösen damit letztendlich einen Polizeieinsatz aus, überführen einen Pädophilenring oder rüsten auch mal ein ganzes Hotel in Berlin um, um das Thema ukrainischer Zwangsprostitution in Deutschland zu demonstrieren und nachzuweisen." Und doch wird "Extra" seit jeher von Kritikern in einer gewissen Regelmäßigkeit belächelt - früher, weil Schrowange ihre Zuschauer stets mit einem "Sex-Schmankerl" in die Nacht schickte, heute, weil fast keine Ausgabe mehr ohne eine thematische Andockung ans Vorprogramm auskommt. Da darf der "Restauranttester" noch einmal erzählen, wie sein unmittelbar zuvor gezeigter Rettungseinsatz ablief, und nicht zuletzt "Bauer sucht Frau" und der Dschungel spülen dem Magazin reihenweise Zuschauer in die Arme.

Gewissermaßen hat RTL mit "Extra" den feuchten Traum vieler Fernsehmacher, nämlich einen möglichst reibungslosen "Audience Flow" zu gewährleisten, salonfähig gemacht. Möglichst keinen Zuschauer an die Konkurrenz verlieren, lautet die Devise. Längst haben andere Sender dieses Erfolgsrezept kopiert oder sogar perfektioniert. So musste Ulrich Meyer seine Sat.1-"Akte" kürzlich mit Höhepunkten von "Promi Big Brother" einleiten und bei kabel eins merkt man allenfalls noch an der Einblendung in der unteren Bildhälfte, dass man nicht mehr "Rosins Restaurants" sieht, sondern das "K1 Magazin". Man kann das kritisieren, natürlich. Doch bei "Extra" sind solche Themen zumindest gelegentlich Mittel zum Zweck, schließlich verstecken sich zwischen "Bauer sucht Frau"-Rückblicken und diversen Lebensmittel-Tests ja tatsächlich manchmal aufwendige Reportagen, die man bei all dem im Sinne des Audience Flows gezeigten Mainstreams gar nicht erwarten würde.

"Die thematische Verknüpfung von Erfolgsformaten wie 'Bauer sucht Frau' oder auch 'Team Wallraff' ist nur konsequent und auch im Sinne des Zuschauers."
"Extra"-Redaktionsleiter Jan Rasmus

So war etwa vor wenigen Wochen ein langer und vor allem sehenswerter Film von Antonia Rados über Opfer, Gegner und Kämpfer der Terrorgruppe ISIS bei "Extra" zu sehen - bis man plötzlich von Birgit Schrowange und ihrem Teleprompter zurück ins RTL-Universum geführt wurde. Fast so, als sei nichts geschehen. Doch schon lange würde es keinen mehr verwundern, wenn im Anschluss an eine packende Reportage wie jene von Antonia Rados plötzlich ein Filmchen über Konny Reimann liefe. Aus Sicht von Jan Rasmus passt all das jedenfalls "sehr gut zusammen", sagt er und bekommt mit Blick auf die guten Quoten ja auch recht. Man habe von Anfang an den Anspruch gehabt, "die gesamte Bandbreite des Lebens abzubilden", erklärt der "Extra"-Redaktionsleiter gegenüber DWDL.de. "Die thematische Verknüpfung von Erfolgsformaten wie 'Bauer sucht Frau' oder auch 'Team Wallraff' ist dabei nur konsequent und auch im Sinne des Zuschauers."

 Mit dem ersten "Extra"-Stück biete man weitere Hintergründe oder beleuchte auch andere Aspekte zum Thema - etwa Klischees zum Stichwort Bauern in Deutschland. Aber auch Günter Wallraff und sein Team kommen nach ihren Undercover-Reportagen noch zum Plausch bei Schrowange vorbei. "Warum auf eine naheliegende und für den Zuschauer willkommene Verknüpfung dieser Themen verzichten?", fragt Rasmus - und so recht kann man ihm angesichts des seit nunmehr 20 Jahre anhaltenden Erfolgs auch gar nicht widersprechen. Als kurios betrachtet Rasmus die Themenmischung bei "Extra" daher nicht. Er nennt sie stattdessen "vielfältig". Doch gerade das Beispiel Wallraff oder eben die Rados-Reportage zeigen, was "Extra" leisten kann. Die Zalando-Recherchen, die in diesem Jahr im Rahmen des Magazins zu sehen war, sorgten bundesweit für Aufsehen, und als das Magazin im Anschluss an eine Folge von "Team Wallraff" den Pflege-Notstand in Deutschland vertiefte, stieg der Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe auf mehr als 25 Prozent an.

Jan Rasmus© RTL/Stefan Gregorowius
"Extra"-Redaktionsleiter Jan Rasmus

Es ist also möglich, auch gesellschaftlich relevante Themen einem breiten Publikum näherzubringen. Verständlich, dass sich Rasmus damit gerne schmückt. "Wenn es unseren Reportern gelingt, durch eine investigative Reportage solche Missstände aufzudecken, eine Öffentlichkeit zu schaffen, um so gegebenenfalls sogar Verbesserungen auszulösen, dann hat diese Reportage definitiv ihren Platz bei 'Extra' verdient", so Rasmus hinsichtlich der verbesserten Arbeitsbedingungen bei Burger King oder dem Online-Händler Zalando. Dabei habe man auch schon in den 90ern unter anderem mit versteckter Kamera gedreht, erinnert er sich. "Unserem Experten Burkhard Kress ist dabei manch erstaunliche Enthüllung gelungen. Sein Test beim Sicherheitscheck an deutschen Flughäfen hat für eine Welle der Entrüstung gesorgt. Nach 9/11 konnte er sogar eine Waffe im Schuh durch die Kontrollen schleusen. Seitdem müssen wir alle die Schuhe zum Scan anheben."

Nicht zuletzt das "Team Wallraff" ist ein Beleg dafür, dass "Extra" für RTL mehr sein kann als eine künstliche Verlängerung des jeweiligen Vorprogramms. Die Sendung ist nämlich zumindest bis zu einem gewissen Grad Innovations-Motor für neue Erfolgsformate - neben dem "Team Wallraff" sind hier "Das Jenke-Experiment" und auch die Reihe "Jenke - Ich bleibe über Nacht" zu nennen, deren erste Folge so gut ankam, dass sie bald in Serie gehen wird. Und so ist also davon auszugehen, dass sich Alles-weg-Moderiererin Birgit Schrowange noch einige Jahre lang am Montagabend ins "Extra"-Studio stellen wird, um Ansagen zu Scheunenfesten, Waschmaschinen-Tests und ISIS-Terror vom Teleprompter abzulesen. "Wie immer live aus Köln."