Das größte Problem von Transmedia-Storytelling brachten zwei Studenten schnell auf den Punkt. Nach der Präsentation der zweiten Staffel von „Dina Foxx“, die am Sonntagabend bei ZDFneo startet, zum Auftakt des Symposiums Web Serien an der Filmakademie Baden-Württemberg gab es zweierlei Anmerkungen: Aus Reihe 4 kam Kritik. Eine den TV-Krimi ergänzende Webserie, Bilderrätsel und Casual-Game hätten ja überhaupt keinen aktiven Einfluss auf das Storytelling - ob man dem Zuschauer nicht mehr zutrauen würde? Gleich darauf aber, macht ein Student aus den hinteren Reihen das Dilemma deutlich: Ihm klingt das alles zu anstrengend.



„Dina Foxx - Tödlicher Kontakt“ ist ein Zweiteiler, der an die ambitionierte Premiere vor drei Jahren anknüpfen soll als Dina Foxx im ersten großen Transmedia-Experiment des ZDF zunächst mit in einer TV-Folge die Ermittlungn begann, die dann im Netz via Online-Game von den Zuschauern fortgesetzt und zu einem Abschluss gebracht werden musste. Die Nutzer waren eifriger als gedacht und die Online-Schnitzeljagd schneller beendet als geplant. Doch der Enthusiasmus im Netz wurde nur von wenigen getrieben. Nach mauen Einschaltquoten im TV war „Dina Foxx“ waren online nur noch 1000 Nutzer dabei.

Für Staffel 2 hat man deshalb das Prinzip geändert, um zum einen den TV-Zuschauern anders als beim ersten Abenteuer von Dina Foxx eine abgeschlossene Handlung zu bieten und die Online-Beteiligung leichter zugänglich zu gestalten, wie Produzent Kristian Costa-Zahn (Foto) vom UFA Lab im Rahmen des Symposium Web Serien in Ludwigsburg erläutert. So wird der Kampf gegen den profitgierige Konzerne in zwei TV-Folgen erzählt, zwischen deren Ausstrahlung der Online-Teil „brutalen Mehrwert“ bringe, wie Costa-Zahn es formuliert. Egal ob ein Nutzer alle drei Angebote im Netz nutzt, nur eins oder keins - funktionieren soll „Dina Foxx - Tödlicher Kontakt“ für jeden. Genau das jedoch ist das Problem.

Dina Foxx© DWDL.de

Denn sowohl Story als auch schauspielerische Leistung lassen zu wünschen übrig. Hier ging leider Form vor Inhalt. Es kann aber ein wertvolles Experiment sein, um Spielformen von Transmedia-Storytelling auszutesten. Dem Zuschauer bzw. Nutzer Optionen zu geben, klingt auf dem Papier oder der Bühne in Ludwigsburg zunächst attraktiv. In der Nutzung jedoch sind die beiden TV-Teile für sich genommen allenfalls 0815-Fernsehen der mittelmäßigen Sorte, so dass letztlich doch nur die Online-Verlängerung den Reiz ausmacht. Doch wie viele Menschen werden diesmal wohl ins Netz folgen?

Transmedia-Storytelling ist und bleibt in erster Linie ein Experimentier-Feld für die Öffentlich-Rechtlichen. Sie können es sich leisten, wenn ambitionierte Projekte im Netz allenfalls ehrenwerte Reichweiten erzielen, die sich privatwirtschaftlich niemals refinanzieren würden. Beim Symposium Web Serien in Ludwigsburg kamen so auch die meisten Showcases von öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Schweden (SVT), Finnland (YLE), Schweiz (SRG) oder Italien (RAI). In diesen Ländern - anders als bei uns - ist den Öffentlich-Rechtlichen inzwischen freigestellt, für welche Medien sie ihre Inhalte produzieren. Manches Projekt steht im Netz für sich allein. Eine Beschränkung auf „sendungsbezogene Inhalte“ im Netz, wie sie bei uns für ARD und ZDF gilt, gibt es nicht.

„Der Zuschauer bzw. Nutzer ist nicht der bessere Autor, auch wenn er das glaubt.“

Gerade mit Blick auf die interessanten Projekte aus dem europäischen Ausland wird deutlich, welche einmalige Chance sich durch die Entscheidung zum Jugendkanal ergibt: Statt einem linearen TV-Programmm können ARD und ZDF jetzt erstmals Programme und Ideen entwickeln bzw. entwickeln lassen, die explizit fürs Netz gemacht sind. Bei fiktionalen Programmen wird man sich dabei jedoch immer in dem Spannungsfeld bewegen, das die beiden Studenten in Ludwigsburg gleich zu Beginn so schön demonstrierten: Wie viel Entscheidungsgewalt hat der Nutzer?

Nuno Bernardo, preisgekrönter und Emmy-nominierter Transmedia-Autor und -Produzent („Collider“) aus Portugal, hat dazu eine ganz eigene Meinung, die er in Ludwigsburg zu bedenken gibt: „Der Zuschauer bzw. Nutzer ist nicht der bessere Autor, auch wenn er das glaubt.“ Das Überraschungsmoment fehle schließlich, wenn man selbst die Entscheidungen treffe. Einen Königsweg gibt es nicht. Das ist das schöne und gleichzeitig schwierige an Transmedia-Projekten, in deren Aufbau, Struktur und Erzählweise man sich jedes Mal neu einarbeiten muss. Eine Hürde, die erst einmal übersprungen werden will.

Transmedia-Storytelling kann aber nicht nur fiktionale Stoffe bereichern oder entwickeln - auch im Bereich Dokumentation sind spannende Experimente zu beobachten. Herausragend und absolut sehenswert ist etwa das von der mittelständischen Produktionsfirma Filmtank umgesetzte Projekt „Netwars - Out of CTRL“ - bestehend aus einer klassischen TV-Doku für Arte, einer interaktiven Web-Dokumentation, einer Graphic Novel App, eBooks, Audiobooks und einem Newsportal. Das Thema Cyberwar wurde hier sehr beklemmend umgesetzt. Aktiven Einfluss hat der Nutzer auch hier nicht, doch bei dokumentarischen Projekten wird das weit weniger erwartet.

Es geht eher um das selbstständige Navigieren durch die verschiedenen Angebote zum Thema, die in diesem Fall eine TV-Dokumentation über eine reale Bedrohung ins Netz verlängert und mit fiktionalen Ergänzungen wie einer Graphic Novel App das Thema leichter zugänglich macht. Transmedia ist für Doku-Projekte vielleicht sogar eine größere Chance als für fiktionale Stoffe: Hier erfüllt die Transmedialität eine Türöffner-Funktion während sie bei fiktionalen Projekten ausschließlich vertiefen soll. Ist sie im Fiktionalen also eher Herausforderung, so ist sie im Dokumentarischen eine sehr willkommene Chance, neue Ansprachen zu finden, um neue Zielgruppen zu erreichen.

Mehr über die Chancen von Transmedia-Storytelling für Dokumentationen und Informationsvermittlung gibt es am Montag beim Medienmagazin DWDL.de: Wir sprachen mit ZDF-Anchorman Claus Kleber über das Thema, dessen TV-Dokus "Hunger" und "Durst" ins Netz verlängert wurden.