"Deutschland scheint ein ziemlich konservativer Markt zu sein, auf dem sich der Wettbewerb in Grenzen hält." Yosi Glick, Gründer und CEO des US-amerikanischen Video-Suchmaschinenanbieters Jinni, hat eine klare Meinung und hält damit nicht hinterm Berg. Auf der International CES, der weltgrößten Consumer-Electronics-Messe in Las Vegas, hat er vorige Woche ausgestellt, um neue Kunden für seine personalisierte, semantische Videosuche zu gewinnen.

Im US-Markt setzen etwa die Digital-TV-Plattformen von AT&T, Comcast oder Wal-Mart Glicks Technologie ein, in Europa zählen bereits die spanische Prisa, die belgische Belgacom und das schwedische TV4 zu seinen Kunden. Wenn er zielsicher die Namen deutscher Unternehmen aufzählt, wird schnell deutlich, dass er schon mit einigen hiesigen Kabelnetz- und IPTV-Betreibern Kontakt hatte, deren Interesse an Jinni jedoch eher gering ausfiel. "Die bleiben lieber bei ihren altmodischen, unübersichtlichen EPGs, weil sie keinen Innovationsdruck verspüren", urteilt Glick.



Der stets mit einem verschmitzten Lächeln auftretende Unternehmer ist es gewohnt, jahrelang gegen Beharrungskräfte anzukämpfen. Das war im US-Markt anfangs nicht anders. Doch inzwischen setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass man den Konsumenten in der wachsenden Angebotsvielfalt nicht mit langen Programmlisten und groben Genre-Angaben wie 'Drama' allein lassen kann. Nicht zuletzt, weil die digitalen Video-on-Demand-Giganten Netflix und Amazon vorführen, wie ausgefeilte Algorithmen für persönliche Orientierung sorgen können.

Jinni hat sich das sogenannte "Entertainment Genome" für seine Technologie patentieren lassen, die den Film- und TV-Bestand von Pay-TV- und OTT-Anbietern nach tausenden semantischer Tags analysiert und die Nutzer gemäß persönlichem Geschmack und Stimmung bedient. Man muss sich dann nicht mehr für Thriller, Comedy oder Reality-Show entscheiden, sondern erhält bestimmte Empfehlungen, weil einem zuvor bereits in anderen Sendungen Grundmotive wie "Life is a Bitch", "Rough One Man Army" oder "Fish Out of Water" gefallen haben.

Glicks Produkt ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, in welche Richtung sich Kundenservice beim Fernsehen der Zukunft entwickelt. In den Messehallten von Las Vegas waren dazu vielfältige Impulse zu bestaunen. Während die TV-Screens immer größer und gebogener werden, werden die Fernbedienungen dafür kleiner und simpler - mit Touch- und Voice-Steuerung statt vieler Tasten nähern sie sich den Smartphones an.

Das dänische Unternehmen The Eye Tribe, von der CES mit einem "Best of Innovation Award" ausgezeichnet, demonstrierte seinen TV-Tracker, der die komplette TV- und DVR-Steuerung per Eye-Tracking ermöglicht. Eine erste Version, kompatibel mit Windows, Mac und Android, soll in Kürze für 99 Dollar auf den Markt kommen.

"Generell gewinnen Sensoren in allen möglichen Geräten einen immer größeren Stellenwert, auch und gerade beim TV- und Entertainment-Konsum", so die Prognose von Shawn DuBravac, Chief Economist der amerikanischen Consumer Electronics Association (CEA). "Die Frage ist dabei nicht mehr so sehr, was grundsätzlich technisch möglich ist, sondern eher, was dem Konsumenten tatsächlich einen konkreten Nutzen bietet."

Wie sich personalisierte Empfehlungssysteme weiterentwickeln könnten, zeigte DuBravac in Las Vegas mit einem Gedankenspiel, das von den zahlreich ausgestellten Smart-Home-Lösungen ausging: Deren Sensoren kennen Merkmale wie Raumtemperatur, Zahl der anwesenden Personen, das Wetter draußen und in Verbindung mit Smart-Armbändern auch den Blutdruck oder andere Verfassungsmerkmale des Nutzers. "Was wäre", so der CEA-Forscher, "wenn Content-Anbieter wie Netflix auf dieselben Daten zugreifen und ihre Empfehlungen auch danach aussteuern könnten?"

Was die Ausbreitung der neuen 4K-Ultra-HD-Fernseher angeht - jener Geräte also, die die vierfache Bildauflösung des klassischen Full-HD bieten - hat die Realität die Prognosen der CEA schon im vorigen Jahr übertroffen: 1,3 Millionen wurden 2014 in den USA verkauft, fast doppelt so viele wie 2013. Für dieses Jahr werden 4 Millionen erwartet.

Weltweit gehen CEA und GfK von 9,3 Millionen verkauften UHD-Geräten in 2014 aus (davon 6 Millionen allein in China) und prognostizieren 23,3 Millionen für 2015 (davon 13,3 Millionen in China). Nach wie vor gibt es allerdings kaum in 4K-Auflösung produzierte Inhalte. Netflix, Amazon und Sony zählen zu den ersten Anbietern, die überhaupt entsprechende Serien und Filme bereithalten. Sollte sich die Ausbreitung der Hardware jedoch so rasant fortsetzen, müssen TV-Sender bald nachziehen, wenn sie nicht abgehängt werden wollen.