"Zum Fernsehen geht's nach oben", hieß es an der Rezeption im Erdgeschoss. In der ersten Etage angekommen hieß es dann: Man wolle ja noch höher hinaus. Die ProSiebenSat.1 Media AG, in Person von Vorständen und Geschäftsführern, gab am Mittwochabend in München in einem Hintergrundgespräch einen strategischen Ausblick auf das Geschäft im Jahr 2015. Der Rahmen dafür war gediegen: Das Hotel Königshof am Münchener Karlsplatz ist das Sat.1 Gold unter den gehobenen Herbergen der Isar-Metropole. Der kleine Sender kommt auch in der Strategie des TV-Konzerns zu besonderen Ehren: Sowohl Sixx als eben jener Sender für die ältere, weibliche Zielgruppe, wolle man "auf ein neues Level heben", wie ProSiebenSat.1-Vorstandschef Thomas Ebeling und Wolfgang Link, Chef von ProSiebenSat.1 TV Deutschland, ausführen. Der Ausbau dieser Sendermarken sowie die Stärkung der großen Kanäle, wo man die Talfahrt von Sat.1 für beendet erklärt, haben Vorrang. Es ist eine interessante Kurskorrektur: Mehr Inhalte statt immer neuer Gefäße.

Wo noch vor zwei Jahren an gleicher Stelle von einer neuen Gründerzeit im deutschen Fernsehmarkt die Rede war und bereits fünf mögliche neue Sender-Marken präsentiert wurden, tritt Ebeling diesmal auf die Bremse: "Wir haben ein gutes Portfolio." Man werde sich sicherlich in den nächsten Jahren immer wieder mal mit dem Gedanken eines neuen Senders befassen. Dass man homogene Programme erfolgreich etablieren könne, habe man ja auch schon mehrfach bewiesen. Konkret geplant sei jedoch nichts. Der Blick geht also auf das bestehende Portfolio. "Da wollen wir insgesamt weiblicher werden", sagt Wolfgang Link. Sat.1 bekomme im Herbst eine neue Vorabend-Serie, ProSieben will nach dem Siegeszug der männer-affinen Sitcoms ebenso wieder die Frauen ins Visier nehmen und Sixx bekommt im zweiten Halbjahr neben neuen Eigenproduktionen in der Primetime auch ein "Daily Signature Programme".

"Wir haben noch nie so viel ins Programm investiert", sagt Link mit Blick auf das Jahr 2015. Man werde dafür auch verstärkt ins eigene Development investieren und hat Vincent Dijkema geholt, der zuvor bei Talpa einer der Väter von "The Voice" war und zuletzt bei der BBC arbeitete. Er hat seinen Posten als Senior Executive Producer bei der ProSiebenSat.1 TV Deutschland bereits zum 1. Februar angetreten und berichtet über die Entwicklung neuer Formate und Shows direkt an Wolfgang Link. Der Fokussierung und Stärkung bestehender Marken im linearen Fernsehmarkt steht ein breiter Ausbau des Digitalgeschäfts von ProSiebenSat.1 gegenüber. Mit dem selbstgegründeten Multi-Channel-Netzwerk Studio71 will der TV-Konzern in diesem Jahr die Nr. 1 in Deutschland werden - also an Mediakraft vorbeiziehen. Von "einer schönen neuen Marktführerschaft" spricht Christian Wegner, Vorstand Digital & Adjacent.

In Wegners Verantwortungsbereich liegt auch Maxdome, ein weiterer Marktführer. Als solchen zumindest betrachtet ProSiebenSat.1 sein SVoD-Portal. Es ist die Beanspruchung einer Marktführerschaft in einem schwer zu beurteilenden Markt, bei dem sich kaum ein Anbieter offen in die Karten bzw. Kundenzahlen blicken lässt. Der neue Deal mit Unitymedia stärkt die Position von Maxdome noch einmal. Digital & Adjacent ist für ProSiebenSat.1 in jedem Fall der Wachstumstreiber. In absoluten Zahlen legte kein Bereich 2014 stärker zu. Ebelings Wunsch: Hier in der Größe eine "kritische Masse" zu erreichen. Mögliche Zukäufe im Digitalen wecken hier Fantasien, wie am Abend in München deutlich wird: Kein Thema ruft mehr Nachfragen auf. Der Vorstandsvorsitzende versucht demonstrativ Druck rauszunehmen: "Wir müssen nichts kaufen", so Ebeling. "Wir wollen." Die Neugier stillt das nicht. Wie das ideale Digital-Investment aussehe? „Muss inhaltlich zu uns passen. Ansonsten: Preiswert und profitabel“, sagt Ebeling schmunzelnd.

Wachstumspotentiale macht der TV-Konzern aus Unterföhring in all seinen Geschäftsbereichen aus: Der deutsche Werbemarkt wachse und SevenOne Media überdurchschnittlich, wie SevenOne Media-Chef Thomas Wagener anmerkt. Das Digitalgeschäft ist Wachstumstreiber und das Produktionsgeschäft wächst international besonders im englischsprachigen Raum sehr erfreulich, wenn es auch insgesamt (noch)  nicht viel zum Umsatz des Konzerns beiträgt. "Sie liefern uns die Kreativität", wirft ProSiebenSat.1-Vorstandschef Thomas Ebeling ein und ruft bei aller Fantasie ums Digital-Geschäft den Kern der ProSiebenSat.1 Media AG in Erinnerung: Fernsehen. "Bosch", "Odyssey" oder "100 Code" - drei neue Serien, die ProSiebenSat.1 gerade über Red Arrow Entertainment produziert hat. Allerdings nicht fürs deutsche Kerngeschäft sondern  Amazon, NBC und Sky. "Wir sind da sehr flexibel was Partnerschaften angeht," bemerkt Ebeling schmunzelnd.

Die Produktionstochter Red Arrow Entertainment wächst mit klarem Schwerpunkt auf den englischsprachigen Märkten, die bereits 70 Prozent des Umsatzes generieren. Geschäftsführer Jan Frouman hofft aktuell auf ein baldiges Go von Amazon für eine zweite Staffel von "Bosch". Im Non-Fiktionalen funktioniere "Married at first sight" sehr gut, was auch schon bei Sat.1 überdurchschnittlich lief. Den Sender, wie auch die anderen der Gruppe, sehen inzwischen übrigens 5,3 Millionen Haushalte in HD und zahlen dafür. 93 Millionen Euro Umsatz machte die Distribution im vergangenen Jahr. Der zuständige Vorstand Conrad Albert: "Wer hätte gedacht, dass dieser Bereich einmal so viel beisteuern könnte". Im mobilen Streaming sieht er noch Potential. Das habe 2014 an Fahrt aufgenommen und "beginnt jetzt zu fliegen". Wie praktisch, man will ja schließlich noch höher hinaus.

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