Ob "Tatort", Bundesliga oder "Mord mit Aussicht" - an starken Marken mangelt es dem Ersten nicht. Dass man in der zurückliegenden Saison erneut nur die zweite Geige hinter dem Zweiten spielte, dürfte die Verantwortlichen des Senderverbunds trotz aller Freude über die Marktführerschaft im Hauptabend nicht zufriedenstellen. Dass der durchschnittliche Marktanteil fast durchweg bei weniger als zwölf Prozent lag, hat jedoch gute Gründe. Einer davon ist der Vorabend, der nach dem Ende der täglichen Ausstrahlung der "Verbotenen Liebe" allerdings nach langer Durststrecke endlich einen entscheiden Schritt gemacht, um wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden.

Das "Quizduell" riss zwar noch keine Bäume aus, schlug sich zuletzt aber ebenso gut wie dessen Sommer-Ersatz "Gefragt – gejagt". Den Erfolg bemisst Das Erste am Vorabend allerdings an den inzwischen stark gesunkenen Ansprüchen – dass Jörg Pilawas "Quiz" einst Abend für Abend mehr als drei Millionen Zuschauer vor den Fernseher lockte, wirkt heute wie aus einer anderen Zeit. Aus der Zeit gefallen erscheint auch die „Verbotene Liebe“, die ihre letzte Chance als Weekly überhaupt nicht nutzte und beim begehrten jungen Publikum zuletzt Marktanteile von weniger als drei Prozent verzeichnete. Das ist trotz aller Erfolge im Netz wohl zu wenig, um einen dauerhaften Verbleib im Programm zu sichern. Doch die Soap ist nicht alleine, wenn es um Enttäuschungen im Vorabendprogramm geht. Der Versuch, mit den "LottoKönigen" oder "Dating Daisy" freitags eine Comedy-Schiene zu etablieren, ging grandios schief. Die britische Sitcom "Cuckoo", in die man einige Hoffnungen legte, wurde sogar nach nur einer Folge wieder abgesetzt.

Grundsätzlich tat es gut, die Dosis der "Heiter bis tödlich"-Strecken zu reduzieren, auch wenn neue Krimiserien wie "Unter Gaunern" und "Rentnercops“ ebenfalls keineswegs durchschlagende Erfolge waren. Inzwischen geht man zunehmend dazu über, erfolgreiche Primetime-Reihen in den Vorabend zu verlagern. Dass das keineswegs so einfach ist, zeigte "Ein Fall für Liebe". Und auch die "jungen Ärzte" haben nur einen Bruchteil der Fans von "In aller Freundschaft" mitgenommen. Mit Marktanteilen um neun Prozent wird man am ARD-Vorabend allerdings vorerst ganz gut leben können.

Spannend dürfte allerdings nicht nur die weitere Entwicklung des Vorabends werden, sondern auch jene der zu Beginn der Saison wieder eingeführten Comedy-Schiene am Donnerstagabend. Die war zwar notwendig, ist angesichts einer wahren Format-Flut bislang aus Zuschauersicht noch völlig unüberschaubar. Immerhin: Mit "Nuhr im Ersten" und der "Ladies Night" hat man zwei solide Erfolge etabliert und "extra 3" lockt ein vergleichsweise junges Publikum ins Erste – nur schade, dass die Programmierung der Satire-Show eher wie eine Krücke wirkt, werden die meisten Ausgaben doch nach wie vor im NDR versteckt. Eine wöchentliche Ausstrahlung im Hauptprogramm stünde der ARD jedenfalls ganz sicher gut zu Gesicht. Mit Blick auf die kommende Saison sollte es nun zudem darum gehen, die Findungsphase zu beenden. Eines ist allerdings schon im ersten Jahr ganz gut gelungen: Reinhold Beckmanns zuletzt äußerst quotenschwacher Talk wird vom Publikum nicht vermisst. 

Bitter für Beckmann: Auch sein neues Reportage-Format, das am Montagabend mit einer erstaunlich breiten Themenmischung daherkommt, hat die Quoten-Erwartungen angesichts von weniger als zwei Millionen Zuschauern bislang nicht erfüllen können. Viele, der in den vergangenen Monaten eingeführten "Montagschecks" laufen da deutlich erfolgreicher. Vor allem "Vorsicht Verbraucherfalle", "Der große Haushaltscheck" und Tim Mälzers "Ernährungscheck" kommen beim Publikum an. Allerdings schalten die Zuschauer nicht zwangsläufig ein, nur weil ein "Check" auf dem Label steht – wie etwa die mäßigen Quoten des "Gesundheitschecks" zeigten. "Wer hat Recht?" markierte mit nur 1,7 Millionen Zuschauern den bisherigen Tiefpunkt. Das Erste sollte zudem aufpassen, mit seinen Reihen nicht zu sehr ins Seichte abzudriften und sich auf sinnvolle Checks konzentrieren. Ein wenig mehr Abwechslung stünde dem Sender am Montagabend jedenfalls gut zu Gesicht.

Das gilt auch für den Show-Bereich, der in der zurückliegenden Saison ziemlich vernachlässigt wurde. "Sing meinen Song" geriet als einziger großer Neustart ebenso peinlich wie erfolglos und empfahl sich nicht für eine Fortsetzung. Erstaunlich gut funktionierte das "Quizduell", das mit einem Promispecial in der Primetime fast zehn Prozent Marktanteil beim jungen Publikum erzielte. Ansonsten hat man mit "Das ist Spitze", dem "Quiz des Menschen" und der "Show der Naturwunder" drei Formate, die donnerstags zuletzt eher mäßige Quoten verzeichneten – etwas mehr Innovationskraft wäre für den Herbst durchaus wünschenswert. Auch im Serienbereich darf es gerne noch etwas mutiger zugehen, allerdings sind erste Weichen für die Zukunft bereits gestellt worden. Mit "Mord mit Aussicht" hatte man zudem die mit Abstand erfolgreichste Serie des Jahres im Programm – in der Spitze schalteten über sieben Millionen Zuschauer ein. Aber auch beim jungen Publikum machte die Krimiserie noch einmal einen kräftigen Sprung nach vorne.

Auch die "Vorstadtweiber" erreichen ein vergleichsweise junges Publikum. Hierfür gilt übrigens, was auch auf die Freitagsfilme zutrifft: Diese sind jünger geworden, haben gleichzeitig aber ältere Stammzuschauer verloren. Ein Nachteil muss das freilich nicht sein. Und dann wäre da auch noch der "Tatort", der noch einmal eine Schippe zulegen konnte und Sonntag für Sonntag das Feld bei Jung und Alt quasi im Alleingang beherrscht. Um die Zukunft der Krimireihe muss man sich wohl kaum sorgen, schließlich sind in den zurückliegenden Monaten gleich mehrere neue Teams mit Erfolg etabliert worden. Für die größte Überraschung sorgte dabei der Franken-"Tatort", der bei seiner Premiere auf Anhieb mehr als zwölf Millionen Zuschauer vor den Fernseher lockte. Vor diesem Hintergrund sollte es kein Problem darstellen, den anschließenden Talkshow-Sendeplatz auch nach dem bevorstehenden Jauch-Abschied erfolgreich zu bespielen.

Dass die Wahl auf Anne Will fiel, könnte sich im kommenden Jahr alleine schon deshalb als gute Entscheidung erweisen, weil durch die Talkshow-Reduzierung plötzlich der Weg frei ist, das Programm an einigen Stellen neu zu justieren. Vielleicht klappt's dann ja auch mal wieder mit der Marktführerschaft.