Er hätte es sich definitiv einfacher machen können in seiner ersten kompletten TV-Saison als Geschäftsführer von RTL II. Stattdesse hat Andreas Bartl schon an einigen Stellen durchsickern lassen, dem Sender seine eigene Handschrift verleihen zu wollen. Aus Quotensicht hat sich das bislang noch nicht ausgezahlt: Marktanteile von mehr als sieben Prozent waren in der zurückliegenden Saison für RTL II unterm Strich nicht mehr drin. Stattdessen bewegt man sich aktuell bei Werten um sechs Prozent. Dennoch kann sich Bartls Mannschaft recht entspannt an die Arbeit machen, schließlich kann man sich auf wichtige Stützpfeiler verlassen.

Dazu zählen etwa die beiden Vorabend-Soaps "Köln 50667" und "Berlin - Tag & Nacht", die sich trotz leichter Einbußen nach wie vor als starke Quotenbringer erweisen. "Köln 50667" lag zwischenzeitlich zwar im einstelligen Marktanteils-Bereich, hat sich inzwischen allerdings wieder gefangen. Im Nachmittagsprogramm lässt der große Durchbruch hingegen weiter auf sich warten. "Hilf mir!" hat sich dort allerdings zumindest recht solide etabliert, auch wenn das Format derzeit zugunsten von "Family Queen" pausiert. "WohnSchnellSchön" und "Let's talk about" enttäuschten dagegen mit Marktanteilen deutlich unterhalb des Senderschnitts und empfahlen sich nicht für eine Fortsetzung. Neue Formate hat RTL II für die Daytime jedoch schon in der Pipeline.

In der Primetime war unterdessen Verlass auf Klassiker wie "Die Kochprofis", "Frauentausch" oder auch "Die Geissens". Allerdings haben die Jetset-Geschichten rund um Carmen und Robert Geiss ihren Zenit inzwischen allerdings offenkundig übetschritten, was womöglich auch auf die sehr hohe Schlagzahl zurückzuführen ist. Die Marktanteile lagen in den vergangenen Monaten jedenfalls auch schon mal bei weniger als sieben Prozent. Ob Neuzugang Daniela Katzenberger in der kommenden Saison für gute Quoten sorgen wird, ist ungewiss - bei ihrem bisherigen Heimatsender Vox tat sich die kultige Blondine zuletzt jedenfalls mächtig schwer.

Und auch wenn sich die Geschichten rund um die Reimanns und das "DSDS"-Pärchen Sarah und Pietro sehr ordentlich entwickelten, ist ein neuer Hit wie "Die Geissens" aktuell nicht in Sicht, wie der Blick auf zahlreiche Misserfolge im Personality-Bereich zeigt. Ob Melanie Müller, Wilma Elles, die Mirs oder die schon nach einer Woche wieder aus dem Programm verbannten Hartmanns - ein Selbstläufer sind Dokusoaps über Sternchen und Großfamilien keinewegs. Ganz im Gegensatz zum "Trödeltrupp", der in diesem Jahr durch seine Einsätze in der Primetime seinen zweiten Frühling erlebte. Mit teils mehr als zwei Millionen Zuschauern erwies sich das Format als voller Erfolg. Die Abspeck-Doku "Extrem schwer" tat sich auf demselben Sendeplatz am Dienstagabend dagegen schon deutlich schwerer.

Etwas getrübt war zwischenzeitlich auch die Kinder-Euphorie am Mittwochabend, doch zum Ende der Saison hin haben sich insbesondere "Die Babystation" und "Wunschkinder" wieder gefangen. Ein Ende der Nachwuchs-Geschichten ist also vermutlich erst mal nicht in Sicht. Der Versuch, Dokusoaps durch Serien wie "Teen Wolf" zu ersetzen, ging zudem gerade erst mächtig schief. Ohnehin ging RTL II bei der Programmierung seiner Serien mutig ans Werk. So schlug sich "Game of Thrones" auf ungewöhnlichem Sendeplatz am Dienstagabend sehr wacker geschlagen, was man wiederum von der teils gegen den Dschungel versendeten britischen Serie "Hunted" nicht behaupten kann. "The Quest" und "Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D." machten das Publikum zwar zunächst neugierig, verloren im Laufe der Staffel jedoch viele Zuschauer.

Größter Serien-Hit des Senders bleibt auch weiterhin "The Walking Dead": Die Serie verzeichnete am späten Abend mehr als 13 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe und war auch mit Wiederholungen richtig stark. Das widerlegt zugleich erfreulicherweise die These, dass Serien dieser Art im Free-TV nicht funktionieren können. Es gibt in diesem Zusammenhang nur ein Problem: Allzu viele Folgen stehen RTL II von Serien wie "The Walking Dead" oder "Game of Thrones" nicht zur Verfügung. Um einen dauerhaften Serien-Abend etablieren zu können, braucht Bartl mehr Formate fürs "Brot- und- Butter-Geschäft", wie er selbst sagt. Was er meint sind Serien, die über einen langen Zeitraum hinweg gezeigt werden können wie etwa "Warehouse 13". Davon hat RTL II derzeit allerdings schlichtweg noch zu wenige in der Hinterhand.

Aufholen will Bartl derweil auch im Info-Bereich, den man nun schon schon mal mit den "Vice-Reports" zu stärken versucht. Die sind zwar bislang ebenso wie "Top Gear USA" recht schwach gestartet, erreichen aber zumindest die ganz jungen Zuschauer. Vom zum Erlebnismagazin umgebauten "Columbus" hat man dagegen seit Januar nichts mehr gehört. Es wird also kein leichtes Unterfangen werden, sich im Bereich der Information breiter aufzustellen, zumal RTL II auch noch gegen sein mitunter schlechtes Image ankämpfen muss. Dass man sich schon bald die wöchentlichen "Echtzeit"-Dokumentationen auf prominentem Sendeplatz leistet, ist jedenfalls aller Ehren wert. Und auch der geplante Einstieg in die Serien-Produktion lässt die Branche aufhörchen. All das zeigt, wie ernst es Andreas Bartl mit der eigenen Handschrift meint. Man darf gespannt sein, wie das Publikum darauf reagieren wird.