Mit der "Höhle der Löwen" hat sich Vox im Herbst letzten Jahres an eine Adaption eines Formats gewagt, das lange Zeit für Deutschland als ungeeignet angesehen wurde. Eine Show, in der Unternehmensgründer um Geld von Investoren kämpfen? Will man hier angeblich anders als im Ausland, wo "Shark Tank" oder "Dragon's Den" seit Jahren erfolgreich laufen, nicht sehen. Vox bewies das Gegenteil. So, wie man zuvor schon bewiesen hat, dass man Musiker einfach zur besten Sendezeit Musik machen lassen kann, ganz ohne Wettbewerb, ganz ohne Casting. Auch das hatten viele TV-Profis kaum für möglich gehalten. Und in diesem Frühjahr bewies Vox dann auch noch, dass es keine Eintagsfliege war: Die zweite Staffel von "Sing meinen Song" war sogar noch erfolgreicher, holte mehrfach sogar den Tagessieg in der Zielgruppe mit bis zu 15 Prozent Marktanteil.

Mit Doku-Events wie "Asternweg" oder dem 12-stündigen Projekt "1945 - 12 Städte, 12 Schicksale" generierte Vox auch für ernste Themen Aufmerksamkeit und wurde mit guten Quoten belohnt. "Grill den Henssler" kann sonntags jedem noch so starken "Tatort" trotzen. Und dann hat Bernd Reichart auch noch Wort gehalten und die Scripted Reality aus dem Nachmittagsprogramm verbannt. Entgegen aller Gepflogenheiten wagt man sich als Sender der zweiten Generation gar an die Produktion einer ersten eigenen Serie. Bei Vox läuft's prächtig - das ist daher der Eindruck bei Vielen. So prächtig, dass man sich sogar mal eine Sketch-Comedy wie "Einfach unzertrennlich" am Vorabend leisten konnte, die eigentlich gar nicht ins Programm passte und daher auch kaum Publikum fand.

Das Problem ist nur: Der Eindruck trügt ein wenig. Abseits der Leuchttürme "Sing meinen Song" und "Höhle der Löwen" lässt er sich kaum mit Zahlen untermauern. Tatsächlich erzielte Vox in acht von neun Monaten einen geringeren Monatsmarktanteil als im gleichen Monat des Vorjahres, in der Spitze mit Abschlägen von bis zu einem halben Prozentpunkt. Das ist auf diesem Quotenniveau schon ein deutlich spürbarer Rückschlag - und der rührt von mehreren Baustellen her.

Baustelle 1: Die Serien.

Montag, Mittwoch, Freitag - drei Abende bestreitet Vox mit Serien - und ähnlich wie RTL leidet auch Vox hier an einem erheblichen Nachschubproblem. Solide Krimis landen in der Regel bei ProSiebenSat.1, wo sie im Sat.1-Programm die Flaute im Eigenproduktionsbereich überdecken. Vox hingegen, das jahrelang mit Serien wie "CSI: NY" oder "Criminal Intent" Marktanteile weit im zweistelligen Bereich gewohnt war, muss sich abmühen, mit anderen Serienfarben zu punkten. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut - aber nie auf dem Niveau aus der einstigen Hoch-Zeit der Krimis. "Grimm" und "Arrow", die einst als Erfolge starteten, haben längst viel ihrer Zugkraft eingebüßt, "Arrow" lag zuletzt schon deutlich unter dem Senderschnitt. "Chicago Fire" war zwar im Sommer ein Erfolg, die zweite Staffel blieb dann aber Anfang 2015 deutlich hinter diesen Werten zurück, auch "Revenge" funktioniert nur im Sommer. Mit "Perception", "Black Box", "Dracula", "Motive" oder "Resurrection" sind viele Neustarts gefloppt, an "Suits" traut man sich gar nicht mehr heran. Und "Law & Order: SVU" muss man freitags in Höchstdosis zeigen, um nach mauem Start um 20:15 Uhr zumindest am späten Abend noch ein wenig zu punkten.

Wirklich verlässlich starke Quoten kann Vox im Serien-Bereich derzeit vor allem noch "Rizzoli & Isles" garantieren - doch mehr als 18 Folgen werden dort nicht pro Jahr produziert. Im Schlepptau entwickelte sich auch "Major Crimes" gut. Und derzeit schlägt sich auch "Outlander" sehr wacker. Doch für drei Serien-Abende pro Woche ist das ohne Frage zu wenig. Das hat man auch bei Vox erkannt und will daher die Abhängigkeit von US-Serien reduzieren. Doch das ist nicht mal eben so zu bewerkstelligen...

Baustelle 2: Die Eigenproduktionen.

...und zwar, weil auch bei den Eigenproduktionen die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Abseits von "Sing meinen Song" - samt daran angedockter Formate wie "Meylensteine" - und der "Höhle der Löwen" tat sich Vox nämlich häufig schwer. "Game of Chefs" war der Versuch, zwei Jahre nach "The Taste" auch nochmal mit einem Kochcasting zu punkten. Es war ein großer Fehlschlag. Daniela Katzenberger war mal ein Zugpferd am Dienstag, lief zuletzt aber so schwach, dass man sie zu RTL II ziehen ließ. Formate wie "Secret Dancer" oder "Liebe und andere Dramen" hat man wohl auch bei Vox schon längst als Ausrutscher abgehakt. Große Stücke hält man noch auf "Kitchen Impossible", noch muss das "Duell um die Welt" im Kochbereich aber seine Zugkräftigkeit beweisen. Dazu kommt, dass "Grill den Henssler" zwar sonntags ein voller Erfolg ist und auch die "Promi Shopping Queen" ihr Publikum findet, das "Promi Dinner" aber seinen Zenit offensichtlich bei Weitem überschritten hat.

Baustelle 3: Die Daytime.

Das "Promi-Dinner" wäre dabei aber fraglos einfacher zu ersetzen als das "Perfekte Dinner" am Vorabend. Doch dort setzte sich der seit Jahren andauernde Abwärtstrend auch in der vergangenen Saison weiter fort. Im Schnitt lag der Marktanteil noch knapp über 7 Prozent und damit fast einen Prozentpunkt niedriger als in der Vorsaison. Seit März wurde die 7-Prozent-Marke zudem im Monatsschnitt schon nicht mehr geknackt. Auf diesem Niveau gibt es noch keinen aktuten Handlungsbedarf, die Sendung liegt in etwa im Senderschnitt. Doch entweder muss der Trend gestoppt oder besser umgekehrt werden - oder Vox müsste bald einen Plan B in der Schublade haben. Denn dass am Vorabend im Vergleich zur Situation vor ein paar Jahren tagtäglich ein paar Prozentpunkte fehlen, schlägt sich natürlich spürbar in der Gesamt-Abrechnung nieder. Zumal es auch für "mieten, kaufen, wohnen" bergab geht und das Quotenniveau dort sogar noch etwas niedriger ist.

Und dann wäre da noch der frühe Nachmittag. Dort hat Vox sich von den Scripted-Reality-Formaten wie "Verklag mich doch" getrennt, was mit Blick aufs Senderimage in jedem Fall der richtige Schritt war. Doch aus Quotensicht konnten sie bislang nicht gleichwertig ersetzt werden. Das Straßenquiz "Wer weiß es, wer weiß es nicht" holt nur sehr magere Quoten, auch Formate wie "Flirt oder Fiasko" hatten ihre Probleme. Vox befindet sich hier noch in der Experimentierphase, konnte beispielsweise mit "Mein Kind, Dein Kind" schon vereinzelt Erfolge feiern, auch der "Schrankalarm" schlug sich nicht schlecht - profitierte allerdings vom "Shopping Queen"-Schlepptau. Die Zeit vor 15 Uhr ist aber das eigentliche Problem, das sich wohl nicht so schnell in Luft auflösen wird.