Von einem geglückten Experiment und einem "durchschlagenden Erfolg" sprach Sat.1 mit Blick auf die "Newtopia"-Quoten. Das war Ende Februar. Gestartet war die Realityshow damals mit knapp drei Millionen Zuschauern und einem beachtlichen Marktanteil von 17,0 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Weil die meisten Zuschauer während der kompletten ersten Folge am Ball blieben, standen die Chancen also gut, dass "Newtopia" die erhoffte Trendwende am seit langer Zeit schwächelnden Vorabend gelingen würde. Doch es sollte anders kommen.

So recht schien ein großer Teil des Publikums nämlich auch nach einigen Tagen nicht zu wissen, wohin die "Newtopia"-Reise gehen sollte. Und so dauerte es dann auch nur knapp drei Wochen, bis der Marktanteil erstmals unter die Marke von zehn Prozent fiel und die Reichweite sich beinahe halbierte. Umso überraschender, dass Sat.1-Chef Nicolas Paalzow einen Monat nach dem Start der Realityshow öffentlich von einem "vollen Erfolg" sprach. Zu diesem Zeitpunkt stimmten die Durchschnittswerte zwar noch, doch der Abwärtstrend war schon damals kaum zu übersehen.

Als DWDL.de zwei Wochen später über das "Newtopia-Problem" berichtete, äußerte sich der Sender schon zurückhaltender. "Quotenschwankungen sind bei einem täglichen Format in den ersten Wochen vollkommen normal", rechtfertigte sich Unterhaltungschef Taco Ketelaar damals, übersah allerdings, dass die Quoten gar nicht schwankten, sondern sich längst in einem kontinuierlichen Sinkflug befanden. "Wir analysieren natürlich die Zuschauerbewegungen sehr genau und arbeiten täglich an den Sendungen", versprach Ketelaar.

Selbstdemontage im April

Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte: Nur wenige Tage später sollte "Newtopia" wenig ruhmreiche Schlagzeilen machen durch das nächtliche Eingreifen einer kurz darauf von ihren Aufgaben entbundenen Executive Producerin. "Newtopia"-Erfinder John de Mol glaubte ungeachtet der peinlichen Vorfälle jedoch noch immer an die Show. "Es geht weiter", sagte er in "Bild", verzichtete aber immerhin darauf, "Newtopia" als Erfolg darzustellen. "Das ist viel zu früh. Ich habe auch nicht gefeiert, als es in der ersten Woche gigantisch gute Quoten gab. Meine Erfahrung sagt mir, das ist völlig normal. 'Newtopia' ist ein langfristiges Projekt. Ein Fußballspiel dauert zweimal 45 Minuten. Wir haben bei 'Newtopia' erst fünf Minuten gespielt."

Inzwischen erfolgte der Abpfiff - obwohl die Halbzeit noch nicht einmal erreicht ist. Nach 154 Tagen kündigte Sat.1 an diesem Montag das bevorstehende Ende des ursprünglich auf ein Jahr angelegten Reality-Experiments an. Nach dem rasanten Abwärtsstrudel, der auch durch Promi-Besuche, Wutausbrüche und Sex-Szenen nicht gestoppt werden konnte, ist Ende der Woche endgültig Schluss. Spekulationen über ein baldiges "Newtopia"-Aus machten bereits seit Wochen die Runde. Schon am Vatertag ließ ein "Newtopia"-Besucher einen Kandidaten wissen, die Regisseurin der Sendung habe ihm angeblich erzählt, dass Sat.1 die Show nur noch bis Juni oder Juli ausstrahlen wolle.

Das Dementi ließ nicht lange auf sich warten. "Nein, das stimmt nicht", teilte Sat.1 der "Bild"-Zeitung mit - und auch als das Medienmagazin DWDL.de am vergangenen Freitag von entsprechenden Planspielen erfuhr, wurden die Spekulationen zunächst zurückgewiesen. Bis die Einstellung am Montag dann doch vom Sender bestätigt wurde. Offenbar hatte man sich "zum Schutz der Pioniere" nicht früher äußern wollen. Eines aber muss man Sat.1 lassen: Man hat bei "Newtopia" einen erstaunlich langen Atem bewiesen. Am Ende hatte die Sendung zwei Drittel ihrer Zuschauer verloren und mit nur noch etwas mehr als fünf Prozent Marktanteil in der Zielgruppe einen wahrlich bitteren Tiefstwert hinnehmen müssen.

Ernsthaftes Problem im internationalen Vertrieb

Bleibt die Frage, was nun aus der Belegschaft wird, die sich um die millionenschwere Produktion kümmerte. Am Set in Zeesen bei Königs Wusterhausen arbeiten in drei Schichten etwas mehr als 100 Produktionsmitarbeiter. Feste Stellen bei Talpa Germany in Berlin und Hamburg dürften von der Einstellung aber nicht betroffen sein. Und mit "The Voice of Germany" hat die Produktionsfirma freilich noch ein überaus erfolgreiches Format im Portfolio. Als nahezu ausgeschlossen gilt jedoch ein "Newtopia"-Verkauf in weitere große westliche Märkte. Daran dürfte auch der Erfolg in der Türkei und der kürzlich erfolgte Start in China nur wenig ändern.

Auf den Einwand, ein ernsthaftes Problem im weiteren internationalen Vertrieb zu haben, sollte "Newtopia" in Deutschland nicht funktionieren, antwortete John de Mol kurz vor dem Start im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de: "Das stimmt wohl. Aber 'Utopia' ist eines von 15 bis 20 Formaten, die wir jedes Jahr neu im Vertrieb haben. Zum Glück gibt es da immer ein paar Formate, die gut laufen. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass man keinen Erfolg haben wird, wenn man permanent Angst vor Flops hat. Wir sind durchaus risikobereit, weil man Risiken eingehen muss, um überhaupt neue große Erfolge landen zu können." Gut möglich also, dass zumindest John de Mol selbst schon längst mit "Newtopia" abgeschlossen hat.

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