Der weiße Sport rückt in diesen Tagen in den Mittelpunkt - doch positiv sind die jüngsten Tennis-Schlagzeilen gewiss nicht. Mit Beginn der Australian Open sind Spieler in den Verdacht geraten, an dubiosen Wettgeschäften beteiligt gewesen zu sein. Sogar Grand-Slam-Sieger sollen sich auf der schwarzen Liste befinden. Dennoch spricht Marco Hagemann, der das Turner derzeit für Eurosport in Melbourne begleitet, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de von einer exzellenten Stimmung vor Ort. "Die Tennisfans lieben diesen Sport, genau wie ich es tue, sie strömen hier zu Zigtausenden in die Stadien, also hat das Thema aktuell keine Auswirkungen bei den Zuschauern."

Doch das kann sich freilich schnell ändern, weiß Hagemann, der seit einiger Zeit auch die Fußball-Länderspiele für RTL kommentiert. "Es würde sicher Auswirkungen haben, wenn plötzlich bewiesen werden würde, dass sechs Spieler aus den Top 20 bei den Herren und Frauen manipuliert hätten", betont er und fügt hinzu: "Aber das ist ja komplett unrealistisch" Unter den Medienvertretern sei die Stimmung dennoch spannend. "Klar schaut man auf das Sportliche, doch man ist sehr gespannt auf weitere Neuigkeiten, die vielleicht ans Tageslicht kommen. Jeder will Namen bekommen, jeder wartet auf Beweise."

Tatsächlich stochern die Berichterstatter in Australien derzeit noch im Dunkeln, weil die BBC, die den Skandal ins Rollen brachte, bisher darauf verzichtete, Ross und Reiter zu nennen. "Viele hinterfragen natürlich die Vergangenheit, Spieler werden stets zu dieser Thematik befragt. Man muss schon klar sagen: Das Thema Manipulation im Tennis ist nicht neu, dennoch hat es hier ein Medienbeben gegeben", so der Kommentator, der selbst allerdings nicht so manch überraschend schwache Leistung von Spielern in früheren Turnieren überdenken möchte. "Nein, das ist überhaupt kein Gedanke", sagt Hagemann, dem dann doch ein Match mit Nikolai Dawydenko in den Sinn kommt. "Aber ich wühle jetzt nicht im Archiv und denke, oha, diesen einen Ball oder dieses Aufschlagspiel, all das hatte doch damals einen faden Beigeschmack."

Marco Hagemann© RTL / Stefan Gregorowius
Die Gefahr, nun alle Spieler unter einen Generalverdacht zu stellen, sieht Hagemann (Foto) aber nicht. "Pauschalisieren bringt ja keinem etwas, dient nicht dazu, sich mit der Thematik sensibel und zielstrebig auseinanderzusetzen", erklärt der Eurosport-Kommentator, der sich aus diesem Grund derzeit nicht abseits der sportlichen Berichterstattung orientieren möchte. Gleichwohl sieht er etwa die handelnden Personen des Weltverbandes und der Tennis Integrity Unit in der Verantwortung, "noch ernsthafter mit möglicher Spielmanipulation" umzugehen und den Blick aufs Wesentliche zu richten". Es gelte zudem, sich klarer in der Öffentlichkeit zu äußern. Hagemann: "Der Weltverband, die nationalen Verbände müssen sich dennoch zukünftig Gedanken machen. Schließlich wäre Tennis bestens geeignet für Manipulation, weil es ja nur um zwei, maximal vier Spieler geht. Da würde das Tricksen nahezu gar nicht auffallen. Zudem halte ich es nicht für erstrebenswert, Wettanbieter als Großsponsor bei Turnieren, hier ja zum ersten Mal, zu installieren."

Den Spaß am Sport zu vermitteln, fällt dem Kommentator trotz all der negativen Schlagzeilen, die es in den vergangenen Tagen gab, jedoch nach eigenem Bekunden nicht schwer. "So lange nichts bewiesen ist beziehungsweise konkrete Namen genannt worden sind, ist es relativ einfach, sich auf den Sport zu konzentrieren", betont Marco Hagemann gegenüber DWDL.de. Einfach ausblenden könne man das Thema aber freilich nicht, weil es täglich in den Medien präsent sei. Ob die Begeisterung für den Tennissport dauerhaft unter den nun aufgekommenen Nachrichten leiden wird, ist indes noch nicht absehbar - gerade aus deutscher Sicht wäre das ein massiver Rückschlag, fristet Tennis hierzulande ohnehin schon seit vielen Jahren zumeist ein Nischendasein.