Gerade einmal 690.000 Zuschauer schalteten am 5. September 2001 ein und es gab vermutlich nicht viele, die zum damaligen Zeitpunkt daran glaubten, dass jene Serie, die an diesem Mittwochabend zum ersten Mal im deutschen Fernsehen lief, in den folgenden Jahren einen echten Boom auslösen würde. Die Rede ist von "CSI" – dem Dauerbrenner, der einen gehörigen Anteil daran hatte, dass Vox ordentlich Rückenwind bekam. Tatsächlich lag der Marktanteil der ersten Folge bei kaum mehr als drei Prozent in der Zielgruppe und damit noch unter dem Quoten-Niveau, das Vox in diesen Tagen mit vermeintlichen Flops wie "Night Shift" oder "Secrets and Lies" verbucht. Besser wurden die "CSI"-Quoten damals übrigens erst mal nicht: Zwar steigerte sich die Serie recht schnell auf mehr als eine Million Zuschauer, doch angesichts eines Staffel-Schnitts von nur viereinhalb Prozent war auch im Frühjahr 2002 noch nicht viel zu spüren vom Potenzial, das in "CSI" schlummerte.

Dabei waren die ungewöhnlichen Fälle rund um das Ermittler-Team aus Las Vegas in den USA zu diesem Zeitpunkt schon außergewöhnlich erfolgreich: Mehr als 20 Millionen Amerikaner schalteten regelmäßig ein, wenn William Petersen im Einsatz war. Zwischenzeitlich war "CSI" sogar die meistgesehene Serie der Nation. Hierzulande sollte es noch dauern, um die Zuschauer auf den Geschmack zu bringen. Doch nach und nach gelang es Vox, immer mehr Fans für seinen US-Schlager zu begeistern: Mit der Zeit schalteten regelmäßig mehr als drei Millionen Zuschauer am Mittwochabend ein und die Marktanteile lagen bei weit mehr als zehn Prozent, was einer echten Sensation gleichkam. Da traf es sich gut, dass aus Übersee mit "CSI: Miami" und "CSI: NY" zwei Ableger folgten, die nahtlos anknüpften an die Erfolge der Mutterserie. So verzeichnete das Spin-Off aus New York vor zehn Jahren zeitweise über 20 Prozent Marktanteil und wurde sogar "Wer wird Millionär?" beim großen Bruder RTL gefährlich.

Weil auch der Marktführer zum damaligen Zeitpunkt einen Erfolg bitter nötig hatte, musste Vox ein erstes Opfer bringen: Im April 2005 wechselte "CSI: Miami" den Sender und bildete am Dienstagabend den Grundstein für den beachtlichen Höhenflug, den RTL mit seinen Serien hinlegte. Im Gespann mit "Dr. House" und "Monk" nahm der Kölner Sender zwischenzeitlich sogar die Marke von 30 Prozent Marktanteil in Angriff – und war vom Erfolg so angetan, dass man sich wenig später auch noch das "CSI"-Original angelte, um die wachsenden Quoten-Probleme am Donnerstagabend in den Griff zu bekommen. An der Spitze des Senders stand damals übrigens Anke Schäferkordt, die vor ihrem Wechsel zu RTL bei Vox die Geschäfte führte und somit den langen Atem bewies, der nötig war, um "CSI" in Deutschland überhaupt zum Erfolg zu führen. Bevor "CSI" auch RTL über Jahre hinweg gute Quoten bescherte, sorgte die Serie allerdings noch einmal bei Vox für einen Rekord.

CSI© RTL / CBS

Es war der 31. Mai 2006, als Vox die damals mit Spannung erwartete Doppelfolge "Grabesstille" zeigte, die von Regisseur Quentin Tarantino inszeniert wurde. Nach 22 Uhr zählte Vox 5,26 Millionen Zuschauer – und in der Zielgruppe stellte der Sender mit einem furiosen Marktanteil von 29,4 Prozent eine bis heute unerreichte Bestmarke auf. Fünf Jahre nach dem so unscheinbaren Start gab es nun also auch in Deutschland kein Vorbeikommen mehr an "CSI". Auch wenn der Hype um die Serie allmählich nachließ, so konnte man sich in Köln noch über Jahre hinweg auf das international gefeierte Franchise verlassen. Sehr zum Ärger deutscher Serienmacher, die mit ihren Produktionen plötzlich nicht mehr anzukommen schienen gegen die Hochglanz-Bilder aus den Staaten. Auch der Versuch, mit "Post Mortem" oder "R.I.S." auf den "CSI"-Zug aufzuspringen, stieß bei den Zuschauern auf wenig Gegenliebe. Und so ging mit dem "CSI"-Boom auch die Krise der deutschen Serie einher, deren Nachwirkungen trotz mangelnden Nachschubs aus den USA bis heute spürbar sind.

Paradoxerweise ist es nun vor allem die Mediengruppe RTL, die unter dem Versorgungsengpass leidet. Und zwar gleich im doppelten Sinne: Heute fehlt es nämlich nicht nur an vielversprechenden US-Serien, sondern auch an deutschen Programmen, die in der Lage sind, die durchaus erheblichen Lücken zu füllen. Das Ende von "CSI" in dieser Woche, aber auch das beschlossene Aus von "Bones" offenbaren, wie sehr der Marktführer darunter leidet. Vox ergeht es mit Blick auf die brachliegenden Serien-Abende nicht viel besser. Streng genommen ist der Sender heute mit einigen wenigen Ausnahmen im Serien-Bereich wieder dort angelangt, wo man schon einmal in den Anfangstagen der "CSI" gewesen ist - umso wichtiger, dass der Versuch, mit dem "Club der roten Bänder" ein eigenes Aushängeschild zu schaffen, gelungen ist.

Und doch haben deutsche Serien bis heute nicht zu der Stärke zurückgefunden, die sie einmal hatten, bevor "CSI" den Markt eroberte. Das liegt vermutlich auch ein Stück weit an der erstaunlichen Zurückhaltung, die die großen Sendergruppen bei der Produktion neuer Stoffe an den Tag legen. Wer einmal einen Blick in die Season-Guides wirft, die RTL oder auch Sat.1 noch vor einem Jahrzehnt in den Druck schickten, bekommt eindrucksvoll vor Augen geführt, wie massiv die großen Sender damals in eigenproduzierte Serien investierten. Der Marktführer will hier zwar nachlegen, doch zumindest aktuell kann man beinahe schon froh sein, wenn es RTL überhaupt schafft, innerhalb von sieben Tagen eine Stunde mit frischer deutscher Fiction zu bespielen. Auch das gehört zur Wahrheit über den Siegeszug von "CSI" – jener Serie, für die sich vor 15 Jahren gerade mal 690.000 Zuschauer interessierten.