Überall Beton. An den Variationen von Grau hätte Loriot seine reinste Freude. Wir laufen durch die gewaltigen Katakomben von Soldier Field, dem Football-Stadium von Chicago. Hin und wieder lässt sich ein Blick auf den Rasen im Innenraum werfen: Hier wird heute nicht gespielt. Die Leere und Ruhe im Bauch des Stadions wäre unheimlich, wenn sich draußen nicht ein heißer Somemrtag aufheizen würde und man dankbar ist für den gekühlten Bauch des Beton-Monstrums. Wir, das sind eine Pressesprecherin von Discovery Communications und ich, suchen eine der VIP-Lounges im Stadions, die an diesem Samstag als Garderobe genutzt wird. Vor dem Stadion feiert TLC, der Lifestyle- und Reality-Sender von Discovery für die weibliche Zielgruppe, seine jährliche Blockparty für und mit Fans des Kanals. Auf deutsch: Ein Sommerfest mit Bühnen, Ständen, Fotogelegenheiten und Autogrammstunden.

Es ist großes Klassentreffen der Stars eines Senders, den ich noch nie gesehen habe. Gerade deshalb bin ich hier und habe mich auf dem langen Flug nach Chicago mit den Formaten vertraut gemacht. Das war, sagen wir, sehr interessant. Einige Sendungen werfen Fragen auf. Ich will den Markenkern von TLC verstehen, die Programme und Protagonisten kennenlernen und daraus Schlüsse ziehen können, warum die Marke in den USA zum Kult in der Nische wurde. Und warum das in Deutschland seit dem Sendestart im April 2014 nicht so funktioniert hat, wie man sich das bei Discovery erhofft hat. Mehrfach musste man beim deutschsprachigen Programm korrigieren und hat mehr Crime im Programm als der US-Muttersender. Inzwischen steigt die Reichweite, aber langsam und auf geringem Niveau.

Freakshow. Das ist ohne jede Frage weder politisch korrekt, noch passend wie ich nach diesem Tag in Chicago weiß. Aber wer nur einen schnellen Blick auf das amerikanische Programm von TLC wirft, könnte das Programm kurzerhand so charakteriseren. In Zeiten in denen aufgrund von Highend-Drama das New Golden Age of Television ausgerufen wird, wirkt der Erfolg von TLC in den USA surreal. Auch dort probiert man nun zwar die erste fiktionale Serie aus, aber Kern der Marke soll weiter Reality-TV bleiben. Und das muss bei diesem Sender außergewöhnlich sein. Die Haltung von TLC: Man erzähle Geschichten, die das Leben schreibt. Besonders gerne sind das Familiengeschichten, in denen es entweder besonders viele Kinder, besonders viele Frauen oder besonders viele Kleinwüchsige gibt.

Die Dokusoap „19 Kids and Counting“ lief gleich zehn Staffeln lang und erzählte das Leben der Großfamilie Duggar - bis im Jahr 2015 bekannt wurde, dass einer der Söhne vor vielen Jahren als Teenager einigen Schwestern zu nahe gekommen sein soll. TLC stoppte die Show. Ein halbes Jahr später startete „Jill & Jessa: Counting On“ als SpinOff mit zwei Schwestern der Familie. „Kate plus 8“ wiederum erzählt das Leben von Kate Gosselin und ihren acht Kindern, von denen sie sechs gleichzeitig bekam und damals damit weltweit Schlagzeilen machte. Fünf Kinder auf einen Streich - auch daraus macht TLC eine Dokusoap: „Quints by surprise“ ist der Titel.

TLC Blockparty© DWDL.de


In „Sister wives“ und „My five wives“ geht es um polygame Beziehungen und mit „Our little family“, „Little couple“ sowie „Little people, big world“ gibt es mehrere Dokusoaps rund um die Famlienabenteuer von Kleinwüchsigen. Dazu kommen Sendungen wie „My big fat faboulous life“ oder „“My 600 lb-life“ über selbstbewusstes Leben mit mehr Gewicht als die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer. Abnehm-Shows, Back- und Kochsendungen oder Datingshows gehören auch zum Programm. Das prominenteste Gesicht von TLC ist sicher Buddy Valastro, der durch die Dokusoap „Cake Boss“ über seine Familie und Konditorei ein ganzes Firmenimperium inklusive SpinOff-Shows bei TLC aufgebaut hat.

Ihn würde Donald Trump vielleicht lieben. Doch davon abgesehen kann man TLC nicht besser beschreiben als Anti-Trump-TV in Reinform. Der Sender erzählt in großer Vielfalt von Lebensentwürfen, -wirklichkeiten und -umständen, die nicht in ein konservatives Bild von Gesellschaft und restriktiven Normen passen können. Es geht darum zu leben und lieben wie man möchte. Und weder Körpergröße, Gewicht oder Sexualität machen irgendetwas weniger lebens- oder liebenswert. Dieses positive Gefühl ist allgegenwärtig - auch an jenem Samstag in Chicago. In einer der VIP-Bereiche des Stadions treffen sich alle angereisten Protagonisten von TLC bevor sie ab Mittag draußen auf dem Rasen vor dem Stadion bei der Blockparty auf tausende Fans treffen.