Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie schon einmal eine komplette Ausgabe der "Late Late Show with James Corden" gesehen haben, ist nicht besonders hoch - und auch wenn man danach in den USA fragen würde, müssten viele mit dem Kopf schütteln. Und doch ist James Corden in aller Munde - YouTube und "Carpool Karaoke" oder "Drop the Mic" sei Dank. Die Reichweite, die diese Clips erreichen, ist gigantisch: Über 123 Millionen Mal wurde inzwischen "Carpool Karaoke" mit Adele aufgerufen, wie die Band One Direction mit James Corden im Auto Karaoke singt, erreichte über 80 Millionen Abrufe. Die First Lady Michelle Obama haben schon 40 Millionen auf YouTube gesehen.

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Alle Late-Night-Talker in den USA bespielen YouTube und Co. mit ihren Clips, doch keiner ist erfolgreicher als Corden. Die drei meistgesehenen Clips aller Zeiten aus Late-Night-Shows gehen auf das Konto seiner "Late Late Show", alles zusammengenommen sind es mittlerweile über 1,7 Milliarden Abrufe. Ein Erfolg, der so gar nicht abzusehen war, als CBS den Briten 2014 überraschend als neuen Gastgeber der Sendung ankündigte, die im Windschatten der inzwischen von Steven Colbert moderierten "Late Show" werktags um 0:30 Uhr auf Sendung geht. Corden war damals in den USA kaum jemandem ein Begriff.

Doch genau diese nicht gerade ideal erscheinende Ausgangslage war es, die zum Entstehen von "Carpool Karaoke" beitrug, wie Ben Winston, Executive Producer der Late Late Show auf dem Edinburgh International Television Festival erklärte. Das Problem, das es zu lösen galt, war nämlich: Ein Format zu finden, in dem man mit Gästen arbeiten kann, die keine Zeit oder Lust haben, zur Aufzeichnung einer Show mit unbekanntem Moderator auf einem Rand-Sendeplatz zu kommen - was läge da näher, als den Moderator mit dem Auto vorbei zu schicken? Und so erinnerte man sich an einen Einspieler, den Corden 2011 schon mit George Michael für den "Red Nose Day" gedreht hatte. Zudem konnte man mit "Carpool Karaoke" zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Während Musiker im Studio stets nur ihren aktuellen Song promoten wollen - was fürs Publikum häufig eher ein Abschalter ist - trällern sie im Auto auch Greatest Hits mit.

Und dass "Carpool Karaoke" sich von der Machart her perfekt für YouTube eignet, kommt auch nicht von ungefähr. "CBS gab uns Budget um ein eigenes Digital-Team zusammenzustellen. Und das ist bei uns gleichberechtigt bei allen Entscheidungen von Anfang an beteiligt. Digital ist für uns genauso so wichtig wie die TV-Show. Das war nicht der Standard", so Winston. Auch diese Entscheidung basiert auf einer nüchternen Analyse des Sendeplatzes: "James Corden hat gesagt: 'Ich finde James Corden den witzigsten und bestaussehenden Mann im US-Fernsehen. Und trotzdem kann nicht mal ich mich jeden Abend ab 0:30 Uhr Uhr noch eine Stunde wach halten.' Wir mussten also eine Show machen, die um Mitternacht gelauncht wird, die aber aber nicht unbedingt um Mitternacht geschaut wird."

Aus diesem Grund gehe der erste Blick am nächsten Morgen auch gar nicht in Richtung der klassischen Einschaltquote. "Die Einschaltquote zeigt nur, wieviele es geschafft haben, wach zu bleiben. Sie sagt nichts über die Qualität unserer Sendung aus", so Winston. Stattdessen schaue man zuerst: Wieviele Youtube-Klicks gab es, wie häufig wurde ein Beitrag über soziale Netzwerke geteilt? "Daran erkennt man, ob wir unsere Arbeit gut gemacht haben."

Doch greift diese Argumentation nicht zu kurz, wenn es doch zu einem großen Teil doch Werbegelder von der linearen Ausstrahlung sind, die die Finanzierung der Sendung überhaupt erst ermöglichen? Bringen YouTube-Klicks überhaupt etwas? Die Einnahmen, die über den vorgeschalteten Spot auf Youtube generiert werden, den die meisten ohnehin wegklicken, sind tatsächlich im Vergleich zu den TV-Einnahmen eher zu vernachlässigen. Doch der Showrunner des Formats erläutert: "Unsere Reichweite auf YouTube ermöglicht uns Deals, die für eine Mitternachts-Show sonst überhaupt nicht möglich wären." So hat beispielsweise McDonald's offenbar viel Geld dafür gezahlt, dass James Corden in "Carpool Karaoke" mit Selena Gomez gerade durch einen Drive-In-Schalter des Unternehmens gefahren sei. Auch der Wert jedes Merchandising-Deals steige durch diese auf YouTube gewonnene Bekanntheit an.

Vor allem aber gelang es, den Beweis anzutreten, dass "Carpool Karaoke" als eigenständige Show funktionieren könnte. Die Folge: Apple Music hat bekanntlich für einen sicherlich stattlichen Betrag die Rechte erworben, um "Carpool Karaoke" als eigenes Format zu adaptieren. "Drop the Mic" - eine Art Rap-Battle-Format, das ebenfalls in der "Late Late Show" entstand - wird von TBS als eigenständige Sendung aufgelegt. Der Verweis auf die Abrufzahlen bei YouTube dient gewissermaßen als Beleg dafür, dass die Shows auch ohne den Rahmen der "Late Late Show" funktionieren.

Doch bei aller Euphorie über YouTube & Co.: Die "Late Late Show" im Fernsehen bildet trotzdem die Grundlage für den Erfolg. "Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir diese Show machen dürfen", erklärt Winston. "Wir haben an fünf Abenden in der Woche jeweils eine Stunde Zeit, in der wir alles mögliche ausprobieren können. Und wenn davon etwas nicht funktioniert - so what? Darüber redet am nächsten Tag niemand mehr." Ganz anders als über "Carpool Karaoke".