Kennen Sie "Eurovision Young Musicians"? Obwohl es den Wettbewerb schon seit 1982 gibt, haben Sie womöglich noch nie etwas von ihm gehört. Vielleicht fragen Sie sich im ersten Moment, ob die Veranstaltung etwas mit dem Eurovision Song Contest zu tun hat. Und so verkehrt ist dieser Gedanke gar nicht, denn organisiert werden sowohl ESC als auch EYM von der EBU, der Europäischen Rundfunkunion. Der kleine, aber feine Unterschied: Während die Teilnehmer beim klassischen Song Contest mindestens 16 Jahre alt sein müssen, um auf der Bühne zu stehen, liegt das Mindestalter den Eurovision Young Musicians bei elf - und wer älter als 19 ist, darf sich einen anderen Wettbewerb suchen.

Hinzu kommt, dass der deutlich unbekanntere Wettbewerb wohl kaum den nächsten Radio-Hit hervorbringen wird, dafür aber immerhin allerhand Klänge, die für einen Moment von all den bekannten Mainstream-Liedern ablenken möchten. Der Schwerpunkt liegt auf klassischer Musik und in diesem Bereich hat es der EYM zu einem der bedeutendsten Musikwettbewerbe auf internationaler Ebene gebracht. An diesem Samstag findet er nun erneut in Deutschland statt - wie schon vor zwei Jahren in Köln und erneut auf der Domplatte. Die Kulisse ist also durchaus beeindruckend, wenn der Violinist Daniel Hope zusammen mit WDR-Moderatorin Tamina Kallert am Abend durch die Show führen werden. 

Ähnlich wie der Eurovision Song Contest, wird auch der EYM im Fernsehen gesendet - wenn auch nicht im bundesweiten Ersten, sondern im regionalen WDR Fernsehen und beim Einsfestival-Nachfolger One. Hinzu kommen ein Livestream im Netz und eine Übertragung im Radiosender WDR 3. Dabei hätte die Show mit Blick auf ihre Teilnehmer und den Aufwand der Präsentation durchaus bundesweite Aufmerksamkeit verdient. Für Deutschland wir der der 16jährige Hornist Raul Maria Dignola antreten. Wenn er und die restlichen zehn Kandidatinnen und Kandidaten ihren Auftritt absolivert haben und es zur Entscheidung kommt, werden die Zuschauer zudem schnell merken, dass sich das Ganze dann doch etwas vom ESC unterscheidet.

Denn wenn der EYM etwas nicht ist, dann bunt und schrill. Ebenfalls anders als beim Eurovision Song Contest haben die Zuschauer hier auch kein Mitspracherecht bei der Wahl des Siegers. Stattdessen soll ein internationales Fach-Gremium die Entscheidung treffen - inkompetent sollte sich hier also niemand beurteilt fühlen. Alles andere wäre auch unfair gegenüber den "Athleten", wie WDR-Kulturchef Matthias Kremin die Teilnehmer im Vorfeld bei einem Pressegespräch nennt. Klassische Musik müsse nämlich mit einer Erzählidee verbunden werden, damit sie fessle. "Was die Kandidaten da leisten, ist vergleichbar mit Leichathleten bei den Olympischen Spielen", sagt Kremin. In Zusammenspiel mit dem WDR-Sinfonieorchester muss alles perfekt abgestimmt sein, damit ein einmaliger Klang entstehe.

Eurovision Young Musicians© WDR/Claus Langer

Musikalisch ist mit dem Orchester, das regelmäßig mit großem Erfolg in allen europäischen Ländern, in Nord- und Südamerika und in Asien auftritt, jedenfalls dafür gesorgt, den Jugendlichen all das zu bieten, was sie für einen möglichst perfekten Auftritt benötigen. Auch sonst nimmt man das Event beim WDR keineswegs auf die leichte Schulter - vielmehr möchte man abliefern: Über 100 Mitarbeiter und 14 Kameras sollen zum Einsatz kommen, sagt Lothar Mattner, Redaktionsleiter von WDR Klassik, und betont, dabei auf "fernsehgenuine Mitteln" setzen zu wollen. Immer wieder gerne erwähnt er auch, wie "unique" der WDR sei, wenn es um die umfangreiche Förderung junger Talente gehe.

Weniger "unique" ist der Ablauf der Vorentscheide, für den es bei den Eurovision Young Musicians ebenso wenig allgemeingültige Regeln gibt im Falle des Eurovision Song Contests. In den meisten Ländern kam es im Vorfeld zu internen Wettbewerben, die dafür sorgen sollten, den besten Musiker herauszukristallisieren. Deutschland jedoch setzte auf die Expertise eines ausgewählten Klassik-Gremiums. Die Wahl fiel, wie bereits erwähnt, auf Raul Maria Dignola, der seinen Teil dazu beitrug, dass sich die EYM-Frauenquote senkte: War beim vorigen Mal noch rund die Hälfte der Jungmusiker weiblich, so wird die Teilnehmerin aus Slowenien in diesem Jahr die einzige Frau im Rennen sein. Doch egal, wer am Ende gewinnen wird - der Sieger ist die klassische Musik, der zumindest einen Abend lang eine ungewohnt große Bühne im Fernsehen bereitet wird.