Als sich Sat.1 einst dazu entschied, US-Krimiserien am Sonntagabend zu zeigen, waren viele Beobachter in der Branche skeptisch. "Navy CIS" gegen die quotenstarken Hollywood-Blockbuster und den "Tatort" zu programmieren, erschien ihnen wenig vielversprechend. Bekanntlich sollte jedoch alles anders kommen: Die Serien-Schiene wurde zum vollen Erfolg für den Sender und bescherte ihm auf Anhieb starke Quoten. Die mutige Entscheidung, "NCIS" auf den Sonntag zu legen, fiel übrigens im Sommer 2006, und prägte das Programm ungewöhnlich lange.

Über viele Jahre hinweg fuhr Sat.1 mit seiner Programmierung prächtig, doch zuletzt setzte bei den Zuschauern dann doch eine gewisse Krimi-Müdigkeit ein. Als die einstelligen Marktanteile häufiger wurden, gab sich Sat.1 im vorigen Herbst allerdings noch einmal ähnlich mutig wie in besagtem Sommer vor mehr als zehn Jahren. Überraschend wie einst die Krimis, schob der Sender mit "The Voice of Germany" sein stärkstes Zugpferd auf den am härtesten umkämpften Abend der Woche - und wurde mit Marktanteilen von teils mehr als 20 Prozent beim jungen Publikum belohnt.

Dass es für Shows einen Markt gibt, stellt Vox bereits seit einiger Zeit unter Beweis. Längst mauserte sich die einst angestaubte "Kocharena" in Form von "Grill den Henssler" zum Riesen-Erfolg für den Kölner Sender, der als erstes die Lücke erkannt hat. Zuletzt erreichten Show-Formate über alle Kanäle hinweg zusammengerechnet rund ein Drittel des jungen Publikums - es besteht also durchaus ein Bedarf an diesem Genre. Das Problem: Offenkundig lassen sich die Zuschauer nicht jede Show am Sonntagabend vorsetzen, wie Sat.1 kürzlich zu spüren bekam.

Wenige Wochen nach der "Voice"-Euphorie sorgte "Das Duell der Stars" für ein böses Erwachen. Mit teils weniger als 1,3 Millionen Zuschauern fiel die Spielshow beim Publikum gnadenlos durch. Ähnlich leidvolle Erfahrungen musste RTL gerade erst mit seiner neuen Musikshow "It takes 2" machen, deren Finale man jüngst in der Nacht versendete, nachdem sich der Marktanteil in der Primetime binnen weniger Wochen auf gerade mal noch sechs Prozent mehr als halbierte. Auch die arg lang geratene Sendung "Mensch Gottschalk" ging im Sommer mit kaum mehr als zwei Millionen  Zuschauer glanzlos über die Bühne.

"Der Sonntag verlangt als Höhepunkt der Woche eher eine große Eventshow."
Sat.1-Unterhaltungschef Mario Kristl

Und so laufen derzeit sowohl in Unterföhring als auch in Köln die Analysen, welche Art von Shows die Zuschauer am Sonntag von den großen Sendern eigentlich erwarten. "Das Format war zwar neu, hatte aber offenbar nicht genug Alleinstellung, um vom Publikum als wirkliche eigene Idee wahrgenommen zu werden", sagt RTL-Sprecher Christian Körner mit Blick auf die mageren Quoten von "It takes 2". "Gleichzeitig konnte es nicht auf bereits vorhandene Bekanntheit setzen und damit verbundene Strahlkraft für die Fans entwickeln. Und schließlich waren wir im Januar mit 'Ich bin ein Star' Talk of the town, sodass wir, neben 'DSDS' und den 'Puppenstars' vielleicht nicht genug Aufmerksamkeit auch noch für 'It takes 2' auf bislang ungewohntem Sendeplatz erzeugen konnten."

Auch Sat.1-Unterhaltungschef Mario Kristl hat nach dem Flop des "Duells der Stars" eine erste Erklärung gefunden. "Der Versuch, mit der Farbe 'Gameshow' am Sonntag zu punkten, ist leider nicht aufgegangen und hat gezeigt, dass der Sonntag als Höhepunkt der Woche eher eine große Eventshow verlangt", so sein Fazit gegenüber DWDL.de. "'The Voice of Germany' und 'The Voice Kids' sind etablierte Marken mit einem klaren Versprechen: große Show für die ganze Familie, erstklassige Musiker als Coaches, echtes Talent, ein klares Konzept und entspannte Unterhaltung zum Ausklang des Wochenendes. Anscheinend wünschen sich die Zuschauer am Sonntag Shows, die sich durch genau diese Merkmale auszeichnen."

The Voice Kids© Sat.1/Andre Kowalski

Tatsächlich funktionierte "The Voice Kids" auf Anhieb weitaus besser als die harmlose Spielshow in den Wochen zuvor. Aus dieser Erfahrung heraus plant der Sender nun bereits weitere Shows. "Der Sonntag bleibt für Sat.1 der Sendetag für große Familien-Unterhaltung", kündigt Kristl an und stellt neben der gerade in Köln aufgezeichneten Show-Adaption "Little Big Stars" mit Thomas Gottschalk noch eine weitere Talentshow in Aussicht. Diese hört auf den Namen "It's Showtime" und will  mit Michelle Hunziker, Michael Bully Herbig und Sasha in der Jury das Publikum abseits der Fiction für sich gewinnen.

Und auch bei RTL möchte sich man nach dem jüngsten Rückschlag nicht aus dem Konzept bringen lassen. Auf die Frage, ob der Sonntagabend für den Sender perspektivisch noch immer ein Sendeplatz für Shows ist, heißt es aus Köln: "Durchaus, denn nach nur einem Format lassen sich kaum generelle Rückschlüsse zur Eignung des Sonntagabends als Showtag ziehen. Es braucht aber sicher eine besondere Idee und eine ebensolche Aufmerksamkeit, um ein neues Genre auf eher ungewohntem Sendeplatz zu etablieren." Für RTL wäre ein Show-Erfolg am Sonntagabend im Übrigen beinahe noch wichtiger als für Sat.1 - angesichts überschaubarer Hollywood-Deals käme eine Alternative gerade recht.