Anfangs gab es viel Kritik. Belächelt wurde das ZDF für den Versuch, mit "heute+" eine Nachrichtensendung schaffen zu wollen, bei der es ein wenig lockerer zugeht als im "heute-journal" oder der "Tagesschau". Das ist den Machern auch auf Anhieb wirklich gelungen: Dass die Moderatoren Daniel Bröckerhoff und Eva-Maria Lemke ihre Zuschauer aber manchmal mit "Tach auch" oder "Tach zusammen" begrüßten, verwirrte nicht nur das ZDF-Stammpublikum, das älter als 60 ist. Zu aufgesetzt, zu gewollt anders kam das rüber. Hier hat im Verlauf der ersten zwei Jahre wohl die sichtbarste Veränderung stattgefunden: Heute wünschen die beiden Moderatoren im TV meist einen "Schönen guten Abend". Nur noch im Livestream geht es umgangssprachlich zu.

"Wir haben registriert, was da an Kritik kam und uns dann dafür entschieden, eine Unterscheidung zwischen Fernsehen und Livestream zu machen. Weil es auch andere Publika sind. Die Ansprache hat vielen TV-Zuschauern einfach nicht gefallen", sagt Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Hauptredaktion Aktuelles, im Gespräch mit DWDL.de. Aber auch darüber hinaus hat sich bei "heute+" in den zurückliegenden 24 Monaten einiges geändert.

Anfangs wurde noch sehr fokussiert über Einzelschicksale berichtet, das habe den Zuschauern aber nicht gereicht, sagt Theveßen. Heute nutzt man Fälle von einzelnen Personen, um damit auf eine Meta-Ebene zu kommen. Mit persönlichen Geschichten lassen sich vielleicht auch eher trockene Themen wie TTIP oder die Steuerpolitik den Zuschauern besser verkaufen. "Wenn etwas mal eine Ecke oder Kante hat, dann ist sofort viel Interaktion da. Dann werden die Beiträge von den Usern auch mit anderen Leuten geteilt. Das Rundgelutschte kommt überhaupt nicht an."

In den sozialen Netzwerken ist "heute+" erfolgreich unterwegs: Auf Facebook kommt die Sendung schon auf rund 150.000 Likes und liegt damit gar nicht mehr so weit entfernt von den "RTL II News", die bei fast 200.000 Likes stehen. Das ZDF hat hier zuletzt deutlich aufgeholt - auch wenn es zur Hauptmarke "ZDF heute" natürlich noch ein weiter Weg ist. Über Twitter kommt das Team der Nacht-Nachrichtensendung noch einmal auf knapp 40.000 Follower. Theveßen glaubt fest daran, dass "heute+", neben vielen weiteren Formaten wie der "heute-show" und "Neues aus der Anstalt", zu einem Imagewandel des ZDF beigetragen habe.

Wir haben in der Interaktion mit den Usern viel Kritik, Anregungen und Lob bekommen. Das hat uns in der Weiterentwicklung der Sendung geholfen, übrigens auch inhaltlich.

Elmar Theveßen

Wichtiger als die reinen Zahlen ist aber das qualitative Ergebnis - und hier zeigt sich Elmar Theveßen sehr zufrieden. So entwickele sich die Sendung vor allem durch die sozialen Netzwerke weiter. "Wir haben in der Interaktion mit den Usern viel Kritik, Anregungen und Lob bekommen. Das hat uns in der Weiterentwicklung der Sendung geholfen, übrigens auch inhaltlich", sagt der stellvertretende Chefredakteur. So kämen von Usern immer wieder Vorschläge für bestimmte Themen. Wäre man etwa nicht darauf aufmerksam gemacht worden, wie hart die türkische Regierung gegen Kurden im Osten des Landes vorgeht - man hätte vermutlich nicht darüber berichtet, sagt Theveßen.

"Das wichtigste für uns ist, dass die Inhalte am ehesten in den sozialen Medien funktionieren. Dennoch registrieren wir, dass wir im Fernsehen zumindest keine Verluste hinnehmen müssen", sagt Theveßen. Das stimmt: In seinem letzten vollen Jahr kam "heute nacht" auf durchschnittlich rund 760.000 Zuschauer und 9,4 Prozent Marktanteil. Das war 2014. Die Reichweite von "heute+" liegt seit dem Start auch auf diesem Niveau, der Marktanteil meist etwas darunter. Falls das ZDF aber dachte, man könne mit der neuen Sendung vor allem junge Zuschauer anlocken - das hat nicht funktioniert. Der durchschnittliche Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen liegt seit Beginn des Jahres bei rund 5,2 Prozent und damit noch einmal unter den ohnehin schon niedrigen ZDF-Normalwerten. "Das alles ist natürlich noch immer nicht zufriedenstellend, aber es ist besser als wir befürchtet haben", sagt Theveßen. Wenn man so ein neues Format einführe, habe man ja auch immer die Angst, dass die Leute reihenweise abschalten. "Dem ist zum Glück nicht so." Dennoch wolle man versuchen, an den starken Tagen künftig das Publikum noch besser zu halten - Theveßen nennt hier die Tage Dienstag bis Donnerstag.

Das alles ist natürlich noch immer nicht zufriedenstellend, aber es ist besser als wir befürchtet haben.

Elmar Theveßen

Inhaltlich wird es in den kommenden Monaten keine Revolution bei "heute+" geben. Im Laufe des Jahres will man den Livestream nach vorne holen und, statt um 23 Uhr, bereits gegen 20:30 Uhr zeigen. Die Moderatoren sollen sich dann monothematisch mit einem Thema befassen (DWDL.de berichtete). Die Länge des Livestreams ist nicht vorgegeben: Es können 15 Minuten sein, manchmal aber auch nur fünf oder acht Minuten. Weil das ZDF aber noch am Moderatorenplatz arbeitet, er soll etwas professioneller werden als bislang, wird sich die Änderung wohl in die zweite Jahreshälfte ziehen.

Darüber hinaus will die Redaktion künftig stärker zeigen, wie sie arbeitet. "Das ist in den letzten zwei Jahren etwas unter die Räder gekommen. Zwar haben wir uns das immer vorgenommen und manchmal auch gemacht, wir wollen das aber intensivieren", sagt Theveßen und liegt damit voll im Trend. Den Menschen aufzeigen, wie Entscheidungen gefällt werden, um so Transparenz zu schaffen, ist ein Anliegen vieler Medienhäuser.

Zum Start von "heute+" sagte Elmar Theveßen, dass die Sendung auch eine "Experimentierwerkstatt" für andere Redaktionen sei. Heute sieht er sich darin bestätigt. So hätten die Autoren viel mehr Freiräume, besonders auch in der Grafik. "Die Beiträge sind oft aufwändig von unseren Korrespondenten im Ausland gemacht, auch die mussten die neue Herangehensweise von 'heute+' erst einmal lernen." Zudem hätten sich andere Sendungen wie das "heute-journal" auch etwas von "heute+" abgeschaut. Theveßen findet das gut und sagt, es spreche überhaupt nichts dagegen, wenn andere Formate gute Elemente übernehmen würden. Das ZDF als große Familie. Und in einer Familie kann es ja auch manchmal etwas lockerer zugehen. "Und Tschüss", heißt es dann meist auch im Netz und im TV.