Der RBB hat jetzt einen Zuschauerbeauftragten. Kein Geringerer als Kurt Krömer beantwortet künftig an unterschiedlichen Stellen im Programm die bisweilen skurrilen Fragen des Publikums. Das passt gut, immerhin verkörpert Krömer wie kein Zweiter das, was man beim RBB gerne häufiger erreichen würde: Seine Shows sind nämlich längst nicht nur im Fernsehen beliebt, sondern auch auf den digitalen Plattformen. Mehr als 1,8 Millionen Mal wurde die erste Staffel von "Chez Krömer" im Netz abgerufen, jubelt der RBB – kein Wunder, dass der Sender ab dem 11. Februar sechs neue Folgen des für den Grimme-Preis nominierten Formats hinterherschieben wird.

Die Realität besteht allerdings nicht nur aus Krömer. Und so trug RBB-Intendantin Patricia Schlesinger am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Berlin eine erstaunlich kritische Analyse vor. Ihr Haus stehe vor der "größten Herausforderung seit der Gründung" und habe einen langen, mühevollen Weg vor sich, "aber er ist alternativlos". "Kosmetische Anpassungen reichen nicht mehr aus. Wir müssen uns mittelfristig komplett neu aufstellen, was Formatierung, Inhalte und Produktion betrifft", so Schlesinger, die vor fast vier Jahren vom NDR in die Hauptstadt kam und zusammen mit Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus bereits einige Veränderungen angestoßen hat.

Die TV-Quote ist seither nicht nennenswert gestiegen, lag zuletzt bei sechs Prozent im Sendegebiet. Damit sei sie "sehr fein", erklärte die Intendantin, machte zugleich aber deutlich, dass ihr der Marktanteil zunehmend egal ist. "Die Quote ist eine Währung, mit der wir noch arbeiten", sagte sie – mit der Betonung auf "noch". Vielmehr gelte es, sich konsequent ins Netz zu orientieren, auch wenn perspektivisch weniger Geld vorhanden sein wird. Rund 20 Millionen Euro werde der RBB wohl jährlich sparen müssen. Das sei "eine bittere Summe", schließlich sei der RBB schon jetzt ein schlank aufgestellter Sender, dessen Verwaltungsapparat gerade mal vier Prozent der Kosten ausmache.

"Wir haben als vergleichsweise kleiner und junger Sender finanziell nichts übrig, die absehbare Anpassung des Rundfunkbeitrags wird uns keinerlei Spielräume geben", so Schlesinger. "Im Gegenteil, sie reicht nicht einmal aus, um das bestehende, lineare Angebot auf Dauer zu sichern." In Zukunft werde man weitere Stellen abbauen und gleichzeitig am Programm sparen müssen. Ungeachtet dessen sieht die Intendantin zwei Vorteile: Sie spüre "viel Veränderungsbereitschaft und -willen" bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und setzt auf den Standort. "Unsere Region bebt vor Kreativität und Gestaltungswillen, auch im Digitalen."

"Ein spannendes Unterfangen"

Wie sich die RBB-Führung die Zukunft vorstellt, zeigen Formate wie das am Netflix-Hit "Queer Eye" angelehnte Format "Queer 4 you" und die neue Serie "Warten auf'n Bus", die im Laufe der Entwicklung immer spitzer geworden sei – weil sie eben nicht nur den in die Jahre gekommenen Stammzuschauern gefallen soll, sondern einer jüngeren Zielgruppe, die zunehmend unabhängig von einem starren Programmschema fernsehen will. Dazu passt, dass sich auch der Radiosender Fritz künftig als "digitale Marke" verstanden wissen will und mit Doku-Formaten wie "182 ½ Tage" experimentiert. "Das hat nichts mit Radio zu tun, das hat nichts mit Fernsehen zu tun", so Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus. 

Crossmedial sind indes auch Projekte wie "Auschwitz und ich" oder "100mal Berlin" angelegt. Mit Letzterem will der RBB in diesem Jahr den 100. Geburtstag von "Groß-Berlin" feiern und auf allen Ausspielwegen die Vielfalt der Stadt zeigen. Gezeigt wird die Reihe im August und September an vier Freitagabenden zur besten Sendezeit sowie mit einer Samstagabendshow. Ungewöhnlich auch, dass der RBB im Februar die Laureus-Awards übertragen wird. Dazu kommen Programme fürs nationale Erste wie das Doku-Drama "Die Getriebenen" über die Entscheidung der Bundeskanzlerin, die Flüchtlinge ins Land kommen zu lassen.

Schon am kommenden Mittwoch wird es zudem das Drama "Nur eine Frau" zu sehen geben. Der dokumentarische Spielfilm erzählt die Geschichte von Aynur Hatun Sürücü, deren Ermordung vor 15 Jahren für einen Aufschrei sorgte. Deutlich leichter dürfte es da schon bei der "WaPo Berlin" zugehen, die ebenfalls in der kommenden Woche die Ermittlungen aufnehmen wird. Im Herbst meldet sich dann auch die Talkshow "Hier spricht Berlin" zurück. Trotz magerer Premieren-Quoten wird dieser erneut im Hauptprogramm zu sehen sein – erneut präsentiert von Jessy Wellmer und Eva-Maria Lemke, die sich Anfang Februar erst mal in die Babypause verabschieden wird. Zuvor präsentiert sie aber noch eine Ausgabe des Politmagazins "Kontraste", das ein neues Studio und Design erhält.

Wer Patricia Schlesinger und Jan Schulte-Kellinghaus an diesem Vormittag zuhört, bekommt den Eindruck, dass der RBB in guten Händen ist – trotz aller Unsicherheiten, die dem Sender in nicht allzu ferner Zukunft bevorstehen. "Das ist ein spannendes Unterfangen, vor dem ich Respekt habe", betont die Intendantin sogleich. Die beste Eigenwerbung gibt dann aber doch der neue Zuschauerbeauftragte Kurt Krömer ab. Sein Urteil über denn RBB: "Teurer als Netflix, aber dafür mit Radio."