Nicht nur wegen der breiten Präsenz der Digital-Giganten lag Wandel in der Luft. Moonves etwa appellierte an die Werbeindustrie: "Sie müssen sich verändern, so wie wir uns verändern mussten." Mit seiner sendereigenen SVoD-Plattform CBS All Access, die Nutzer für 5,99 US-Dollar im Monat abonnieren können, müssten Werbekunden und vor allem deren Agenturen erst noch warm werden. "Die neue 'Star Trek'-Serie hätten wir für ein Vermögen an Netflix oder Amazon verkaufen oder natürlich auch bei CBS zeigen können", so Moonves. "Dass wir uns stattdessen für CBS All Access entschieden haben, zeigt, wie stark wir daran glauben, dass OTT die Zukunft ist."
Seinen Praktikanten zu vertrauen, empfahl Vice-Chef Shane Smith, der bei den Cannes Lions als "Media Person of the Year" ausgezeichnet wurde. "Alle zehn Jahre übergeben wir das Unternehmen an die nächste Generation, denn das bedeutet, dass etwas Neues entsteht", so Smith. Ganz gleich, ob Medien-, Agentur- oder Unternehmensvertreter auf der Bühne standen – ein Motiv zog sich in Cannes als roter Faden durch: Kaum einer glaubt mehr an den klassischen Werbeblock, an Spots oder Banner, die den jeweiligen Medienkonsum der Nutzer unterbrechen. Markenintegration und "Unskippable Content" lauteten die Zauberwörter. Und kompromisslose Authentizität. "Die Zeiten, in denen Marketing noch mit Verschleierung und Blendwerk funktionierte, sind vorbei", so Hollywood-Star Will Smith.
Organisch müssen sich die Marken in den Programminhalt einfügen, so das Fazit der Lions-Entertainment-Konferenz. "So gerne einige Marken das Batmobil umgebrandet hätten – das konnten wir nicht zulassen", erzählte "Batman v Superman"- und "The Dark Knight"-Produzent Charles Roven. "Das muss ein Wayne-Industries-Produkt bleiben." Stattdessen ließ er Bruce Wayne dann eben Jeep fahren. US-Starkomikerin Mindy Kaling berichtete, dass sie sich über Product Placement in ihrer Serie "The Mindy Project" stets freue. "Damals bei 'The Office' gab es im Writers' Room noch die Ansicht, Markenintegration sei kreativer Ausverkauf. Aber ich glaube, das war nur so, weil viele Beispiele eben schlecht umgesetzt werden."
Bei den neuen Entertainment Lions ging der Grand Prix an die Virtual-Reality-Reportage "The Displaced" der "New York Times" (Vrse.Works Los Angeles) inklusive des mit der Zeitung zusammen versandten VR-Cardboards. In der ebenfalls neuen Musik-Kategorie kürte die Jury gleich zwei Grand-Prix-Sieger: Edeka und Beyoncé. Der deutsche Lebensmittelhändler gewann in der Unterkategorie "Use of Original Composition for a Brand or Campaign" mit seiner legendären Weihnachtswerbung #heimkommen (Jung von Matt Hamburg). Die Auszeichnung für "Excellence in Music Video" ging an die US-Produktionsfirma Prettybird für den Clip zu Beyoncés "Formation".
Und was sorgte in Cannes neben den Löwen für Gesprächsstoff? Vor allem Snapchat, das 'in town' war, um den offiziellen Start seiner neuen Videowerbeplattform zu promoten. Zwar hatte das Social Network mit dem Geist bei weitem das größte Branding am und um das Palais des Festivals – doch ansonsten machte es aus seiner Präsenz ein Geheimnis. Keine Speaker, keine Yacht, kein Beach. Des Rätsels Lösung: Nur ausgewählte Top-Werbekunden waren in ein gut bewachtes Pop-up-Häuschen an der Croisette (Foto) eingeladen, um dort mit CEO Evan Spiegel zu plaudern. Auch der angeschlagene Viacom-CEO Philippe Dauman – noch Herr über MTV, Comedy Central und Nickelodeon – sorgte für Gossip: Er lud zur exklusiven Luxussause in die Berge über der Côte d'Azur und ließ dort Gwen Stefani zum Privatkonzert aufspielen. Laut Gerüchteküche von Cannes soll der Abend über eine Million Euro gekostet haben.