Cannes Lions© Cannes Lions
CBS-Chef Leslie Moonves kennt Cannes vor allem von den unvermeidlichen Fernsehmessen Mipcom und MipTV. Wie klein die doch im Vergleich zu den Cannes Lions seien, entfuhr es ihm, als er am Donnerstag das neu eingeführte Entertainment-Segment des weltgrößten Festivals für Werbung und Kreativität eröffnete. Und alle, mit denen man reden müsse, seien da. Moonves hat Recht: Zu Lions-Zeiten kann einem gegen den Blick vom prall gefüllten Palais des Festivals entlang der Croisette über den Facebook Beach, den YouTube Beach bis hin zum Twitter Beach die Mip schon mal wie eine kleine Dorfkirmes erscheinen.

Cannes Lions 2016 / Leslie MoonvesNicht nur wegen der breiten Präsenz der Digital-Giganten lag Wandel in der Luft. Moonves etwa appellierte an die Werbeindustrie: "Sie müssen sich verändern, so wie wir uns verändern mussten." Mit seiner sendereigenen SVoD-Plattform CBS All Access, die Nutzer für 5,99 US-Dollar im Monat abonnieren können, müssten Werbekunden und vor allem deren Agenturen erst noch warm werden. "Die neue 'Star Trek'-Serie hätten wir für ein Vermögen an Netflix oder Amazon verkaufen oder natürlich auch bei CBS zeigen können", so Moonves. "Dass wir uns stattdessen für CBS All Access entschieden haben, zeigt, wie stark wir daran glauben, dass OTT die Zukunft ist."

 

Seinen Praktikanten zu vertrauen, empfahl Vice-Chef Shane Smith, der bei den Cannes Lions als "Media Person of the Year" ausgezeichnet wurde. "Alle zehn Jahre übergeben wir das Unternehmen an die nächste Generation, denn das bedeutet, dass etwas Neues entsteht", so Smith. Ganz gleich, ob Medien-, Agentur- oder Unternehmensvertreter auf der Bühne standen – ein Motiv zog sich in Cannes als roter Faden durch: Kaum einer glaubt mehr an den klassischen Werbeblock, an Spots oder Banner, die den jeweiligen Medienkonsum der Nutzer unterbrechen. Markenintegration und "Unskippable Content" lauteten die Zauberwörter. Und kompromisslose Authentizität. "Die Zeiten, in denen Marketing noch mit Verschleierung und Blendwerk funktionierte, sind vorbei", so Hollywood-Star Will Smith.

Cannes Lions 2016 / Mindy KalingOrganisch müssen sich die Marken in den Programminhalt einfügen, so das Fazit der Lions-Entertainment-Konferenz. "So gerne einige Marken das Batmobil umgebrandet hätten – das konnten wir nicht zulassen", erzählte "Batman v Superman"- und "The Dark Knight"-Produzent Charles Roven. "Das muss ein Wayne-Industries-Produkt bleiben." Stattdessen ließ er Bruce Wayne dann eben Jeep fahren. US-Starkomikerin Mindy Kaling berichtete, dass sie sich über Product Placement in ihrer Serie "The Mindy Project" stets freue. "Damals bei 'The Office' gab es im Writers' Room noch die Ansicht, Markenintegration sei kreativer Ausverkauf. Aber ich glaube, das war nur so, weil viele Beispiele eben schlecht umgesetzt werden."

Cannes Lions© Cannes Lions
In der Media-Kategorie der Cannes Lions zeichnete die Jury die "McWhopper"-Kampagne von Burger King (Y&R New Zealand, Y&R Media New Zealand) mit einem Grand Prix aus. Mit ganzseitigen Anzeigen in der "New York Times" und der "Chicago Tribune", adressiert an den Erzrivalen McDonald's, hatte die Burgerkette zum Peace Day im September 2015 vorgeschlagen, einen Tag lang gemeinsame Sache zu machen – als Teil einer globalen Kampagne für Waffenstillstand und gegen Gewalt (DWDL.de berichtete). Goldene Media-Löwen gingen u.a. an die "SMS Last Words"-Kampagne der Global Road Safety Partnership (Havas Worldwide Shanghai), an "The Dilemma" für Heineken (Publicis Italy, Starcom Mediavest Milan) oder "Le Bon" für Lidl (Ingo Stockholm) – allesamt sehr sehenswert und besonders. Das gilt auch für die deutschen Gewinner: Zwei Bronze-Löwen holte DDB Berlin für die Anti-Brustkrebs-Kampagne "Check it before it's removed" für Pink Ribbon Germany, die Facebook und Instagram bewusst mit unzähligen Fotos von nackten Brüsten herausforderte.

Bei den neuen Entertainment Lions ging der Grand Prix an die Virtual-Reality-Reportage "The Displaced" der "New York Times" (Vrse.Works Los Angeles) inklusive des mit der Zeitung zusammen versandten VR-Cardboards. In der ebenfalls neuen Musik-Kategorie kürte die Jury gleich zwei Grand-Prix-Sieger: Edeka und Beyoncé. Der deutsche Lebensmittelhändler gewann in der Unterkategorie "Use of Original Composition for a Brand or Campaign" mit seiner legendären Weihnachtswerbung #heimkommen (Jung von Matt Hamburg). Die Auszeichnung für "Excellence in Music Video" ging an die US-Produktionsfirma Prettybird für den Clip zu Beyoncés "Formation".

Cannes Lions 2016 / SnapchatUnd was sorgte in Cannes neben den Löwen für Gesprächsstoff? Vor allem Snapchat, das 'in town' war, um den offiziellen Start seiner neuen Videowerbeplattform zu promoten. Zwar hatte das Social Network mit dem Geist bei weitem das größte Branding am und um das Palais des Festivals – doch ansonsten machte es aus seiner Präsenz ein Geheimnis. Keine Speaker, keine Yacht, kein Beach. Des Rätsels Lösung: Nur ausgewählte Top-Werbekunden waren in ein gut bewachtes Pop-up-Häuschen an der Croisette (Foto) eingeladen, um dort mit CEO Evan Spiegel zu plaudern. Auch der angeschlagene Viacom-CEO Philippe Dauman – noch Herr über MTV, Comedy Central und Nickelodeon – sorgte für Gossip: Er lud zur exklusiven Luxussause in die Berge über der Côte d'Azur und ließ dort Gwen Stefani zum Privatkonzert aufspielen. Laut Gerüchteküche von Cannes soll der Abend über eine Million Euro gekostet haben.

Christof Baron, Mindshare© Mindshare
Speziell aus deutscher Sicht waren zwei Top-Personalien daheim Gesprächsthema: Mindshare-Abgänger und Media-Vordenker Christof Baron (Foto) baut ab Oktober als geschäftsführender Gesellschafter einen neuen Standort der Agenturgruppe Pilot in Frankfurt auf. "Die Agentur steht für Innovation und den Mut, neue Wege und Ansätze zu gehen, und eröffnet mir damit ideale Voraussetzungen für das, was ich nun vorhabe", so Baron. Und Esther Busch, langjährige Geschäftsführerin der AS&S Radio, wird am 15. Juli neue Geschäftsführerin von Mediaplus Regio in KölnDort soll sie sich um die nationale und internationale Expansionsstrategie rund um die Spezialisierung auf Geo-Targeting und regionalisierbare Medien sowie um die Neukundengewinnung kümmern.