Clement Schwebig © WarnerBros. Discovery/Tuckys Photography
Dass Thomas Coesfeld ab Januar 2027 neuer CEO von Bertelsmann wird, war nur eine Frage der offiziellen Bestätigung. Überraschender kam am Donnerstag die Benennung von Clément Schwebig zum neuen CEO der RTL Group. Und das liegt nicht an der Personalie Schwebig, viel mehr am Umstand, dass die RTL Group mit ihm wieder eine eigenständige Führung erhält. Für Schwebig ist der Wechsel zurück zur RTL Group, wo er von 2002 bis 2013 bereits in diversen Positionen tätig war, sicher auch eine willkommene Gelegenheit zur Flucht vor der Ungewissheit bei Warner Bros. Discovery, wo weiterhin unklar ist, ob es vor dem internationalen Rollout der geplanten Aufsplittung des Konzerns möglicherweise noch zu einem Verkauf oder Teilverkauf kommen könnte. Wilde Zeiten.

Thomas Rabe © Bertelsmann/RTL
Bei der RTL Group trifft der gebürtige Franzose auf einen TV-Konzern, der unter Thomas Rabe (Foto) zuletzt eine strategische Konsolidierung seiner internationalen Beteiligungen vorangetrieben hatte. In Belgien und - mit einigen Hindernissen - den Niederlanden verkaufte man sein Geschäft, wobei die RTL-Marken unter neuer Führung erhalten bleiben. 2022 wollte man sich eigentlich auch schon von seiner französischen Tochter M6 trennen, doch die Wettbewerbshüter machten einen Strich durch die geplante Fusion mit TF1. Weiterhin aktiv ist die RTL Group mit Sendern in Luxemburg, auch wenn die operative Führung des Konzerns inzwischen nach Köln verlegt wurde. Und auch in Ungarn ist RTL mit eigenen Sendern und dem Streamingdienst RTL+ engagiert. Und jetzt? 

Auch wenn Thomas Coesfeld bei Bertelsmann erst zum Jahresbeginn 2027 antritt und Schwebig bereits im Mai 2026, so darf man davon ausgehen, dass es eine koordinierte Strategie für die RTL Group als unverändert wichtigem Umsatz-Garanten für Bertelsmann gibt. Im April bekräftigte zwar Noch-Bertelsmann-CEO Thomas Rabe in einem Interview mit der „Financial Times“, grundsätzlich an den Verkaufsplänen in Frankreich festhalten zu wollen. Gleichzeitig aber bekundete Rabe in der Pressemitteilung am Donnerstag über Schwebig, seinen Nachfolger bei der RTL Group: „Neben seiner Medienexpertise bringt er vor allem Kenntnis der Wachstumsmärkte in Asien mit, in denen Bertelsmann auch in Zukunft wachsen will.“ 

Bertelsmann © Bertelsmann
Das lässt aufhorchen. In die USA wollte die RTL Group einst so gerne expandieren, scheiterte aber immer an Beschränkungen ausländischer Investoren im TV-Segment. Jetzt stattdessen der Blick nach Asien? Das bleibt abzuwarten. Klar ist hingegen: Bei der geplanten Übernahme von Sky Deutschland hat RTL Deutschland bereits wichtige Rückendeckung aus Gütersloh erhalten. Nicht wenige sorgten sich, wie groß das Interesse von Bertelsmann am schwieriger gewordenen TV-Geschäft wohl sein möge. Und nun stattet man die RTL Group wieder mit einen eigenen CEO aus. Die Führung des TV-Konzerns ist damit nicht länger der Nebenjob des Bertelsmann-CEO. Für reine Konsolidierung wäre das nicht nötig. 

Stephan Schmitter © RTL / Anne Werner
Es weckt durchaus Fantasien im Markt, auch wenn diese bei der Tochter RTL Deutschland vorerst nicht für Euphorie sorgen werden. Nicht nur beim dortigen CEO Stephan Schmitter, der künftig zwei Chefs statt einem über sich hat. Auch in der Belegschaft: Konzernstrategie und operatives Tagesgeschäft sind manchmal eben zweierlei Paar Schuhe. Die Stimmung ist derzeit angespannt. Nicht einmal die Aussicht auf die mögliche Übernahme von Sky Deutschland - eine allgemein als klug bewertete Stärkung der Marktposition und Diversifizierung der Erlöse abseits vom TV-Werbemarkt - mag gerade Begeisterung in Köln-Deutz auslösen. 

RTL-Logo in Köln-Deutz © IMAGO / Panama Pictures
Ende Oktober wurde die übliche Weihnachtsfeier bei RTL Deutschland gestrichen. Ein Vorbote für Hiobsbotschaften: Im Haus ist es ein offenes Geheimnis, das noch vor Jahresende erneut Stellen gestrichen werden sollen, der Werbemarkt bleibt weiter unter Druck. Zusätzlich gilt gerade auch noch ein Reisestopp für alle nicht zwingend nötigen Geschäftsreisen. Die zarte Hoffnung nach den Personalmeldungen vom Donnerstag: Dass mit der Verpflichtung Schwebigs, der damit zurückerlangten Aufmerksamkeit des Geschäfts und der Genehmigung der Sky Deutschland-Übernahme ab 2026 wieder Wachstum im Mittelpunkt steht - statt dem weiteren Auspressen der Zitrone und internationalen Verkaufsabsichten.

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