"Gremien voller Gremlins" haben wir es zu verdanken, dass Anne Will knapp vier Jahre lang am Sonntagabend im Ersten talkte. Als Nachfolgerin von Sabine Christiansen, aber nicht zuletzt als Ersatzspielerin für Günther Jauch musste sich Will in den vergangenen Jahren behaupten - was besonders deshalb absurd erscheint, da sich Jauch trotz mancher Politiker-Interviews bei "stern TV" bislang nicht als Polittalker im deutschen Fernsehen profilieren konnte.

Ebenso wenig wie Will der Name Jauch zu Beginn ihrer Talk-Karriere nicht in Ruhe ließ, so geisterte er auch zum Ende wie ein Phantom umher. Als im Juni vergangenen Jahres bekannt geworden war, dass Günther Jauch nun doch den Sendeplatz nach dem "Tatort" erhalten würde, erfuhr Will dies aus der Presse. "Das war unschön. Das kann man besser machen", sagte die Moderatorin Monate später. "Wenn ein Auftraggeber sagt, ich vergebe den Auftrag neu, kann ich in der Sache überhaupt nichts dagegen sagen", sagte Will.

An der Form habe sie sich allerdings gerieben. Der Sendung haben all die Diskussionen, die seit der Jauch-Ankündigung folgten, jedoch nicht geschadet. Im Gegenteil: Will machte ihre Sache zuletzt meist gut, strahlte Gelassenheit und Souveränität in vielen der so oft kritisierten Politikerrunden aus. Selbst Kritik von Seiten der Gäste schien sie gut verkraften zu können - wie etwa in ihrer letzten Sendung vor der Sommerpause, als über das angebliche Panzer-Geschäft der Bundesregierung mit Saudi-Arabien diskutiert wurde.

"Sie spekulieren über eine Sache, von der Sie genauso wenig wissen wie ich", sagte Historiker Arnulf Baring, der auch bei all den anderen Talk-Kollegen inzwischen zum unvermeidlichen Studio-Inventar gehört. Zugleich konterkarierte er mit eben jenem Satz die komplette Sendung - offizielle Fakten liegen zu dem umstrittenen Panzer-Geschäft nämlich gar nicht vor. "Ihre Generalisierungen sind wirklich schlecht", ließ er später die Runde wissen und fügte hinzu: "Ihr seid doch alles Simpel miteinander hier." Zurücknehmen wollte er diese Aussage nicht - und so ließ Anne Will danach einfach munter weiter diskutieren.

Man nimmt es ihr ab, wenn sie den Abschied vom prominenten Sendeplatz im Anschluss an den "Tatort" sagt: "Ich sehe das ohne Bitterkeit." Vermutlich ist sie sich inzwischen auch bewusst, dass sie auf ihrem neuen Sendeplatz am späten Mittwochabend überhaupt nicht scheitern kann. Stimmen die Quoten, ist es ihr Verdienst - stimmen sie nicht, ist die Programmdirektion schuld. Die eigentlich undankbare Aufgabe wird ohnehin Günther Jauch zuteil. "Jeder, der das macht, ist gut beraten, im Vorfeld nicht allzu große Erwartungen aufzubauen. Denn die bringt der Sonntagabend ganz von allein mit sich", sagte Will schon vor einem halben Jahr im "Spiegel".

Ohnehin arbeite jeder "mit den üblichen Methoden" - einer stellt Fragen, die anderen antworteten. Es gibt eine gute Runde und vielleicht Filme, die die Diskussion anheizen: "Viel mehr ist nicht drin." Jauch selbst scheint Wills Ratschlag zwei Monate vor dem Start seiner Show zu berherzigen. Er spüre eine "teilweise schon überbordende Erwartungshaltung", die er persönlich nicht nachvollziehen könne, sagte er kürzlich und räumte ein: "Sie werden vielleicht über mich herfallen. Ich mache mir da keinerlei Illusionen."

Doch bei allen gut gemeinten Ratschlägen, scheint Wills Schützenhilfe durchaus Grenzen zu kennen: Am Ende ihrer letzten Sonntags-Sendung erwähnte die Talkmasterin ihren Nachfolger mit keiner Silbe. Sollte das bereits ein Vorgeschmack auf die künftige Koordination von Gästen und Themen der bald fünf ARD-Talker gewesen sein, dürften sich die schon erwähnten "Gremien voller Gremlins" wohl als Jauchs mit Abstand geringstes Problem entpuppen.