Kaum sind eineinhalb Jahre vergangen, schon hat RTL am Freitagabend die erste Ausgabe der neuen Spielshow "Alle auf den Kleinen" an den Start gebracht - eine Sendung, die sich ohne Zweifel dem seit Jahren großen ProSieben-Erfolg "Schlag den Raab" stellen muss. Zu ähnlich wirkt bisweilen der Aufbau der RTL-Sendung, in der nicht Stefan Raab gegen einen Kandidaten antritt sondern eben Oliver Pocher gegen drei. Gewisse Ähnlichkeiten beider Formate sind kaum von der Hand zu weisen - das fängt beispielsweise schon bei der Anzahl der Spiele an. Wie bei Raab müssen es auch hier 15 Runden sein. Ein paar weniger hätten es gewiss auch getan. Das lässt sich nach der knapp vierstündigen Premiere, die noch dazu von auffallend wenigen Werbepausen unterbrochen war, mit Sicherheit sagen.

Das Klettern um einen Biertisch geriet noch dazu im ersten Spiel fast ein wenig zu minimalistisch. So wurde der Vergleich mit "Schlag den Raab" gleich zu Beginn der Sendung unausweichlich. Doch RTL und die Produktionsfirma i&u haben sich bei der Umsetzung sichtlich Mühe gegeben und eine gute Mischung gefunden aus banalen Spielchen und richtig unterhaltsamen Elementen. Wie etwa beim Auftritt von Komiker Max Giermann, der Songtexte auf unnachahmliche Weise mit Mimik und Gestik parodierte. Das war kreativ und machte richtig Spaß. Herrlich bekloppt auch die Idee, Pocher und seine Herausforderer mit verbundenen Augen auf einen zwischen Kakteen versteckten Buzzer drücken zu lassen. In den Armen eines Wrestlers machte Pocher noch dazu eine unfreiwillig komische Figur.

Und auch die Zubereitung von Essen ausschließlich mit dem Mund erwies sich als launiger Einfall, der reichlich skurrile Szenen beinhaltete. Oder haben Sie schon mal versucht, ohne Ihre Hände drei Kerzen mit einem Streichholz anzuzünden? Darüber hinaus zeigten zudem ein größerer Hindernis-Parcours oder ein Pool-Spiel im Foyer, dass man für "Alle auf den Kleinen" allerlei auf die Beine stellte. Und doch plätscherte die neue Show stellenweise vor sich hin, was nicht zuletzt daran lag, dass sie - anders als "Schlag den Raab" - auf keinen echten Höhepunkt hinsteuerte. Knapp vier Stunden sind letztlich doch etwas zu lang - vor allem gemessen daran, dass es letztlich um nicht allzu viel geht.

Umso ärgerlicher, dass ausgerechnet das Finalspiel nicht wirklich ausgereift wirkte. Zwar konnten sich Pochers Kontrahenten innerhalb von mehr als drei Stunden einen minimalen Vorteil herausspielen, doch der fiel am Ende kaum ins Gewicht. Nein, an dieser Stelle war "Alle auf den Kleinen" noch weit entfernt von Perfektion. Hinzu kommt, dass auch die Rolle von Formel 1-Mann Heiko Waßer als Kommentator zu überdenken ist. Wo Frank Buschmann bei Raabs Millionenspiel durch Sticheleien gegen den Star der Show für gute Momente sorgt, kamen von Waßer nicht mehr als ein paar laue Kalauer zum Vorschein. In diesem Punkt ist die neue Sendung jedenfalls noch stark ausbaufähig. Sonja Zietlow machte dagegen mit launigen Sprüchen eine gute Figur.

Sympathisch auch der Auftritt von Pochers Frau Alessandra, die die Aktivitäten ihres Gatten aus sicherer Entfernung mit skeptischen Blicken verfolgte und bei einem Spiel als Joker sogar selbst gefragt war. Zwischenzeitlich zickten sich die beiden beim Erschmecken von Berliner-Füllungen so sehr an, dass man sich vor dem Fernseher einfach nur gut unterhalten fühlte. Und als Pocher einer Gegnerin gleich zu Beginn unterlag, merkte seine Ehefrau spitzfindig an: "Schatz, du hast gegen eine Frau verloren!" Ein netter Unterschied gegenüber "Schlag den Raab". Ebenso wie das Fehlen längerer Vorstellungen der Kandidaten, die die Sendung nur noch weiter künstlich in die Länge getrieben hätten. Auch auf die bei Raab obligatorischen Music-Acts verzichtete RTL - wirklich vermisst hat man sie bei Pochers Show ganz sicher nicht.

Da fiel es weitaus mehr ins Gewicht, dass man es sich offenkundig nicht zutraute, die Sendung live über die Bühne zu bringen. Besonders deutlich fiel das beim Quiz-Spiel auf, als plötzlich nach dem Namen eines HSV-Spielers gefragt wurde, dessen Frau Sylvie heißt. Zu dumm, dass sich die van der Vaarts vor wenigen Tagen getrennt haben. In einer Live-Show wäre das vermutlich nicht passiert. Und doch war das eher eine Randnotiz in einer ansonsten ordentlichen Premiere von "Alle auf den Kleinen", die man sich ansehen konnte, ohne sich dafür zu schämen. Das ist heutzutage nämlich keine Selbstverständlichkeit. Nun muss es jedoch ans Feintuning gehen. Weniger Runden, dafür aber ein spannenderes Finale mit größerer Fallhöhe wären der richtige Weg. Aber schön, dass bei RTL inzwischen auch wieder Platz ist für Shows abseits von "DSDS" und "Supertalent".