Wenn es in zehn Jahren eine Konstante bei "Deutschland sucht den Superstar" gab, dann war es gewiss Dieter Bohlen. Doch umgeben vom Culcha-Cundela-Frontmann Mateo und den schrillen, aber letztlich doch farblosen Zwillingen von Tokio Hotel wirkte der selbsternannte Pop-Titan am Samstagabend bei der Premiere der Jubiläumsstaffel fast schon wie ein Relikt vergangener Tage. Um ihn herum war RTL nämlich sichtlich bemüht, so viel wie möglich zu verändern. Und so wurde nicht nur die Jury mal wieder ausgetauscht - sondern nach vielen Jahren auch Moderator Marco Schreyl. Stattdessen begrüßten nun also Nazan Eckes und "GSZS"-Star Raúl Richter, umgeben von ehemaligen "DSDS"-Gewinnern, singend das Publikum. Ohne Zweifel ein gewöhnungsbedürtiger Auftakt.

Allzu viel bekam man ansonsten vom neuen Moderatoren-Duo der Castingshow jedoch beim Staffel-Auftakt gar nicht mit. Das tat allerdings auch gar nicht Not, schließlich bot die Inszenierung der Sendung auch sonst schon reichlich Neues. Dankenswerterweise verzichtet RTL bei "Deutschland sucht den Superstar" nämlich inzwischen wieder darauf, seine Kandidaten durch schrille Inszenierungen komplett der Lächerlichkeit preiszugeben. Gesangliche Total-Ausfälle gibt es zwar weiterhin - doch die sind ebenso ein Versprechen an das Stammpublikum der Show wie die Sprüche von Dieter Bohlen. Der darf auch weiterhin Sätze sagen wie: "Vielleicht kannst du mit deiner Stimme ja irgendwelchen Leuten die Beine enthaaren."

Eines aber muss man RTL und der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment lassen: "DSDS" wirkt hochwertig wie nie - tolle Städte-Aufnahmen und Slow Motions, mit denen ein gewisses Lebensgefühl zum Ausdruck gebracht werden sollen, fügen sich ein in die Casting-Highlights, die in Wirklichkeit gar keine sind. Viel mehr dominiert bei der "Superstar"-Suche inzwischen mehr denn je das Mittelmaß. Fünf Minuten dauert es, bis man Dieter Bohlen erstmals "Scheiße" sagen hört, und drei weitere Minuten vergehen, ehe der erste Kandidat überhaupt mal singen darf. Zuvor trinkt dieser einen Schluck des "heiligen Wassers" aus Lourdes und sagt: "Ich liebe es, im Mittelpunkt zu stehen." Für die Zuschauer wäre guter Gesang besser gewesen. Den suchte man zumindest anfangs vergebens.

"Ganz ehrlich: Das war noch nicht geil", platzte es aus Juror Mateo heraus - und genau damit benannte er das Hauptproblem der kompletten Sendung. Wirklich berührende und begeisternde Stimmen bot "DSDS" zu weiten Teilen nicht. Angesichts dieser schonungslosen Wahrheit verzieh man Mateo beinahe schon die dreiste Behauptung, "Deutschland sucht den Superstar" sei "die Mutter der Unterhaltungsshows". Einem anderen Kandidaten attestierte Dieter Bohlen später übrigens, er habe "eine Stimme, wie tausende andere auch". Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass er kurz vor dem Start der Staffel bereits von einem "Kandidaten-Problem" sprach. Wer den Auftakt der Jubiläums-Staffel gesehen hat, wird wissen, was Bohlen damit meinte.

Wer es trotzdem in die nächste Runde schafft, erhält neuerdings übrigens einen "VIP-Pass", der es ermöglicht, mehr oder weniger wertvolle Tipps ehemaliger Kandidaten zu erhalten - übrigens auch jener, denen einst nicht mal der Sieg gelang. Auch den bisher gesehenen Kandidaten der aktuellen Staffel traut man den "Superstar"-Titel kaum zu. Dass man bis zur ersten Werbepause nach knapp 40 Minuten nicht einen Spitzensänger zu hören bekam, spricht Bände. Immerhin scheint RTL seinem Publikum die ätzenden Überinszenierungen schlechter Gesangsleistungen nach vielen Jahren weitgehend ersparen zu wollen. Wer mies trällert, muss zwar mit bösen Kommentaren rechnen, bleibt aber wenigstens vom fürchterlichen Fickfrosch verschont. Das ist angesichts der sich immer weiter drehenden Spirale ein kleiner Fortschritt.

Fraglich ist nur, ob das "DSDS"-Stammpublikum ohne all das überhaupt noch Lust hat auf die Sendung, die dem Marktführer seit nunmehr einem Jahrzehnt mit zunehmendem Peinlichkeits-Faktor hohe Zuschauerzahlen beschert. Letztlich wirkt es aber eben auch komisch, wenn sich der Sender an einem traditionsreichen Jubiläum mit Protagonisten früherer Staffeln versucht, und gleichzeitig einen völligen Neuanfang versuchen will. In der Summe betrachtet will das nicht so recht zusammengehen. So gesehen dürfte die zehnte Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" in besonderem Maße eine richtungsweisende werden. Doch so lange Dieter Bohlen noch das Sagen hat, mag man einen völligen Richtungswechsel ohnehin nicht glauben.