Ich erinnere mich noch gut an jenen Abend im August 2011. Eher müde und lustlos verfolgte ich damals den Auftakt der zweiten Staffel von "X Factor". Und nur weil mich die Faulheit davon abhielt, zur Fernbedienung zu greifen, stolperte ich ziemlich unverhofft in eine Sendung, die sich als eine der unterhaltsamsten entpuppte, die ich in den vergangenen Jahren sah. Plötzlich wurde ich Zeuge, wie Schlagersänger Chris Roberts zusammen mit seinem Sohn daran arbeitete, den Song eines Nachwuchs-Rappers in die Schlagerwelt zu bugsieren und der Rapper wiederum darauf erpicht war, aus "Du kannst nicht immer 17 sein" ein - nach seinen Aussagen - "cooles, fettes Teil" zu machen.

"Cover my Song" hieß das Format, das so herrlich unspektakulär daherkam, dass man es kaum im deutschen Fernsehen vermutet hätte. Doch obwohl es eine Nominierung für den Grimme-Preis einheimste und schließlich den Deutschen Fernsehpreis gewann, entschied sich Vox tragischerweise gegen eine Fortsetzung. Mit "Sing meinen Song" startete am Dienstag nun allerdings gewissermaßen das Nachfolge-Format, das auf dem Papier nicht minder ambitioniert klingt. Xavier Naidoo und sechs Musiker-Kollegen liefern sich einen Cover-Wettstreit und müssen sich an Songs der jeweils anderen versuchen. Wie klingt es also, wenn ein Popsänger plötzlich in die Volksmusik-Welt verfachtet wird und umgekehrt?

Im Gegensatz zu "Cover my Song" kommt das neue "Tauschkonzert" deutlich opulenter daher. Das fängt schon damit an, dass sich die Musiker nicht etwa in einer Kreuzberger Hinterhof-Garage treffen, sondern nach Südafrika geflogen werden, wo sie auf der Terrasse einer stattlichen Villa mit Blick aufs Kap der Guten Hoffnung bei Drinks und Snacks entspannt zusammensitzen, um sich bei Einbruch der Dunkelheit gegenseitig das musikalische Repertoire vorzutragen. Es ist eine schöne Atmosphäre, die sich sehr schnell auch auf das Publikum überträgt, auch wenn natürlich klar ist, dass sich die Musiker um Xavier Naidoo trotz aller Intimität darauf beschränken, vor allem Oberflächlichkeiten auszutauschen.

Lust, sich gegenseitig zu kritisieren, hat im südlichsten Teil Afrikas nämlich ganz offensichtlich niemand - selbst wenn sich zwischen wirklich gute Interpretationen einstiger Sasha-Hits auch die eine oder andere weniger gelungene Version mischt wie etwa der eher leidliche Versuch des selbsternannten Volks-Rock'n'Rollers Andreas Gaballier an "Lucky Day". Zum Song des Abends wählte Sasha übrigens Sarah Connors Version von "I Feel Lonely" - und zwar völlig zurecht. Aus dem fetzigen Song zauberte die Sängerin eine wunderbare Ballade, die nicht nur Sasha ans Herz ging. Da war er wieder, dieser magische Moment, den einst auch "Cover my Song" auszeichnete.

Nur schade, dass man - anders als bei dem inzwischen eingestellten Format - überhaupt nichts davon mitbekam, wie die doch mitunter sehr unterschiedlichen Interpretationen der Songs überhaupt zustande kamen. Einblicke in die Proben wären sicherlich spannend gewesen. Dafür hätte im Gegenzug die grenzenlose Lobhudelei an mancher Stelle gerne reduziert werden können. Dennoch haben Vox und die Produktionsfirma Schwartzkopff TV mit "Sing meinen Song" ein sehr schönes Format an den Start gebracht, das vor allem deshalb so entspannt daherkommt, weil es nichts zu gewinnen gibt, abgesehen von einem unterhaltsamen Abend unter freiem Himmel. Womöglich ist das aber ohnehin nicht der schlechteste Hauptpreis.