Wenn Barbara Schöneberger zusammen mit ihren Hörfunk-Kollegen Sina Peschke und Andreas Kuhlage am Donnerstag Abend durch die Verleihung des Deutschen Radiopreises führt, lässt sich die ganze Branche feiern. Und feiert kräftig mit. Einmal im Jahr fällt das ganz große Scheinwerferlicht auf jenen Zweig der Medienschaffenden, der zwar aus dem Alltag von 80 Prozent der Deutschen nicht wegzudenken ist, aber lange nicht so viele rote Teppiche ausgerollt bekommt wie die vom Fernsehen. "Die Macherinnen und Macher arbeiten täglich mit Kreativität, Engagement und Fleiß daran, den Hörerinnen und Hörern qualitativ hochwertige Programme bieten zu können", sagt Joachim Knuth, NDR-Hörfunkdirektor und Vorsitzender des Radiopreis-Beirats.

Sollte bei einigen dieser Macher die Feierlaune kurzzeitig getrübt sein, sind mutmaßlich meine zehn Jurykollegen und ich daran schuld. Wir haben unser Bestes getan – wie genau, dazu gleich mehr. Aber wo drei Nominierte sind, kann es nur einen Preisträger geben, und das in allen zehn Kategorien. Die systemübergreifende Harmonie für einen Abend stört das erfahrungsgemäß kaum. Und das ist das eigentliche Phänomen am Radiopreis: Während sich Öffentlich-Rechtliche und Private draußen mehr kloppen denn je, lassen sie ihre zentrale Leistungsschau daran keinen Schaden nehmen.



Wer die Medienbranche länger als fünf Jahre verfolgt, erinnert sich an Zeiten, in denen Glaubens- und Konkurrenzkämpfe zwischen den beiden Systemen überwiegend dem Fernsehen vorbehalten waren. Thoma gegen Stolte, Kofler gegen Pleitgen. Das hat sich entscheidend verändert. Seit ein paar Jahren streiten die Vertreter der großen Radiovermarkter – ARD-Werbung gegen RMS – nicht nur öffentlich wie die Kesselflicker, sondern schenken sich auch juristisch nichts, wenn es um Tarife und Kombis geht.

Die Gräben werden tiefer, die Konflikte grundsätzlicher. Längst macht sich der Privatfunk-Verband VPRT für gesetzliche Werbeverbote bzw. striktere Beschränkungen bei den Öffentlich-Rechtlichen stark. Wo Novellierungen anstehen wie etwa in Nordrhein-Westfalen beim WDR-Gesetz, entbrennt sofort die Diskussion um eine Reduzierung nach NDR-Vorbild. Dort darf nur eine einzige Radiowelle Werbung tragen und das auch nur 60 Minuten pro Tag. Die Parteien überschütten sich gegenseitig mit Gutachten, die der jeweils eigenen Position Nachdruck verleihen sollen. Grob vereinfacht argumentieren die Privaten mit dem Abbau von Wettbewerbsverzerrungen, die ARD mit dem drohenden Zusammenbruch der gesamten Radiowerbung.

Ein besonders heftiger System-Kampf tobt in Bayern, seit der Bayerische Rundfunk vorhat, die Frequenzen seiner Programme BR-Klassik und Puls auszutauschen. Laut Rundfunkratsbeschluss soll die neue Jugendwelle von 2018 an über UKW senden, der Klassiksender im Gegenzug nur noch digital verbreitet werden – jedenfalls wenn die Netzabdeckung des Digitalradios DAB+ bis dahin entsprechend aufgeholt hat. Laut Rundfunkstaatsvertrag sind solche Tausche verboten, laut BR-Gesetz erlaubt. Selbst für Experten ist die Gemengelage schwer durchschaubar.

Wie unerbittlich sich BR und Privatfunker – die schon jetzt Millionenverluste bei ihren Werbeeinnahmen befürchten – in diesem Chaos gegenüberstehen, durfte ich am eigenen Leibe erfahren. In München habe ich eine Veranstaltung moderiert, bei der der Hörfunkdirektor des BR sowie die Chefs von Antenne Bayern und Studio Gong aufeinander prallten – mit mir als einer Art verbalem Prellbock. Mein Fazit: Die Herren waren allesamt sympathisch, engagiert und überzeugend. Wie gut, dass von mir keiner ein Urteil erwartete. Ich hätte es bis heute nicht.

Deutscher Radiopreis - Trophäe© NDR/Gita Mundry
Da beurteile ich lieber zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen die vielen herausragenden Leistungen und Köpfe, die wieder einmal das Radiojahr inhaltlich geprägt haben. Völlig egal, ob privat oder öffentlich-rechtlich. Wir sind uns dabei unserer Verantwortung bewusst, gerade weil der Radiopreis als zusammenschweißender Monolith so einen hohen Wert für die Branche hat. Schon vor der gemeinsamen Jurysitzung hat sich jeder von uns über einen Zeitraum von mehreren Wochen intensiv mit den 361 Einreichungen beschäftigt. Gemeinsam haben wir das Feld dann sehr detailliert und kritisch diskutiert. Unsere 30 Nominierten haben es allesamt verdient, am Donnerstag Abend im Rampenlicht zu stehen.

Es ist ein kleines Jubiläum, denn immerhin feiert der Deutsche Radiopreis sein Fünfjähriges. Als ARD, Deutschlandradio und die privaten Radiosender ihre aufwendige Gemeinschaftsunternehmung starteten, für die sie sich eine unabhängige, vom Grimme-Institut berufene Jury leisten, wollten sie damit in erster Linie mehr Aufmerksamkeit auf das Medium lenken und den Ehrgeiz der gesamten Branche befeuern. Wer den Radiopreis kennt, weiß, dass beides erstaunlich gut gelungen ist.

Pünktlich zum Mini-Jubiläum gibt es gar hoffnungsvolle Anzeichen, dass ausgerechnet die gemeinsame Herausforderung der Digitalisierung, der notwendigen Antworten auf Spotify & Co. die Branche abermals einen könnte. Nach Vorbild des britischen "Radioplayer", den BBC und Privatkanäle gemeinsam betreiben, soll ab Anfang 2015 der "Radioplayer Deutschland" möglichst viele Sender online und per App verbreiten. Gründungsgesellschafter sind zwar 15 Privatradios, doch wie man hört, laufen die Gespräche mit den ARD-Hörfunkern positiv. Die Hälfte der Anteile ist für sie reserviert.