Hoff: Herr Schader, aufwachen. Ich habe gute Laune. Ich möchte loben, den ganzen Tag nur loben. Deutsches Fernsehen ist wunderbar! Haben Sie den letzten "Polizeiruf 110" aus Rostock gesehen? Der war großartig. Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau als Ermittlerpärchen, das war großes Kino. Und dann der Tukur-"Tatort". "Im Schmerz geboren" war tolles Zitattheater.

Schader: Woher kommt denn Ihr plötzlicher Schwung?

Hoff: Drogen, Herr Schader, Drogen. Nein, im Ernst. Ich kann mich an viele tolle Momente erinnern. Leider auch an die Tatsache, dass das Gute nicht immer honoriert wird von diesem komischen Wesen namens Zuschauer. Ich denke etwa an die großartige Annette Frier in ihrer letzten "Danni Lowinski"-Staffel, witzig und trotzdem ernst zu nehmen. Und was haben die Zuschauer gemacht? Nicht hingeguckt. Verstehen Sie das?

Hoff & Schader - Zwei außer Rand und Band© DWDL

Schader: Das verstehe ich sogar sehr gut. Fernsehen ist Gewohnheit. Viele Zuschauer schalten immerzu dasselbe Programm zur immer gleichen Zeit ein, weil sie sich daran gewöhnt haben. Bis sie es von heute auf morgen plötzlich nicht mehr tun. Weil er Bowling-Abend verlegt wurde; oder der Hund aus Versehen Sat.1 auf Platz 681 des Receivers umprogrammiert hat; oder sich das Publikum schlicht satt gesehen hat. Bei RTL ist ja im Grunde genommen über viele Jahre gar kein Programm gelaufen, sondern sendezeitgewordene Gewohnheit. Jetzt ist das vorbei, und man merkt, dass sich der Sender wieder anstrengen muss. Ich find das sehr begrüßenswert. Weil endlich Bewegung im Programm ist.

Hoff: Wo genau sehen Sie jetzt die Bewegung im RTL-Programm? In den unterschiedlichen Camp-David-Hemden, die Bohlen bei seinen jurorlogischen Untersuchungen trägt?

Schader: Ich find's schon gut, dass RTL unter Frank Hoffmann den eigenen Ehrgeiz wiederentdeckt hat, Themen selbst zu setzen, zum Beispiel mit den Recherchen von "Team Wallraff". Und vermutlich bleibe ich der einzige Mensch im Universum, der's richtig fand, mit "Rising Star" den Befreiungsschlag von dem von Ihnen erwähnten Werbehemdenträger zu versuchen. Die Rache dafür, dass die Zuschauer das nicht sehen wollten, materialisiert sich in der übernächsten Woche in Heino-Gestalt in der DSDS-Jury. Aber ich will Ihnen ja nicht die Laune verderben. Also: loben Sie weiter!

Rising Star© RTL/Stefan Gregorowius

Hoff: Tu ich auch. Ich finde zum Beispiel Heino großartig. Niemand sonst kann die Beschränktheit der sich als Volkstümlichkeit maskierenden deutschen Trivialkultur so wunderbar darstellen wie dieser ehemalige Bäcker aus Düsseldorf-Oberbilk, der sich übrigens jüngst wieder (13. Dezember) den Geburtstag mit Heinrich Heine teilte.

Schader: Was nicht strafbar ist.

Hoff: Wie man's sieht. Ich begrüße auf jeden Fall, dass Heino nun für RTL einen weiteren Abschaltimpuls bietet. Und dann kommt ja ab 15. Januar noch die neue Serie namens "Männer! Alles auf Anfang". Da steht der Anfang im Titel, aber das sollte nicht täuschen. Es ist das Ende. So stereotype Katalogcharaktere sah man noch nie.

Schader: Herr Hoff, wir reden von 2014. Und wir wollten loben.

Hoff: Sie haben ja so recht, Herr Schader. Habe ich Ihnen schon verraten, was mein ultimativer Fernsehmoment 2014 war?

Schader: Ich befürchte, es wird gleich so weit sein.

Hoff: Wird es. Aber vorher will ich Ihren schönsten Moment wissen. Ich will erfahren, wann bei Ihnen die Sonne so hell aufging, dass Sie vor dem Fernseher Sonnenbrille tragen mussten.

Schader: Mein schönster Sonnebrillen-Moment war eher ein schleichender Prozess, der zu einer erstaunlichen Erkenntnis führte: Ich schaue neuerdings gerne Menschen dabei zu, wie sie sich im Fernsehen unterhalten. Nein, nicht dem irren Ex-Richter bei Maischberger oder den gedankenschweren Runden aus dem Plastikpalast von "Günther Jauch". Sondern denen, die sich von neugierigen Interviewern besuchen lassen oder von ihnen besucht werden, um ganz altmodisch ein Gespräch miteinander zu führen, bei dem man als Zuschauer nachher das Gefühl hat, besagte Protagonisten besser kennengelernt zu haben als bei unzähligen TV-Auftritten davor. Sarah Kuttner hat das mit ihrem "Hausbesuch bei Kuttner" hingekriegt, Benjamin von Stuckrad-Barre bei "Stuckrads Homestory", Bettina Rust bei "Stadt, Rad, Hund". Das hat mir wieder bewusst gemacht, wie toll Fernsehen sein kann, wenn es mit dem Ziel gemacht wird, seine Zuschauer bestmöglich zu unterhalten.

Kuttner plus Zwei© ZDF/Holger Dauer

Hoff: Und nicht nur längstmöglich?

Schader: Ganz genau! Leider haben sich viele große Sendern genau darauf spezialisiert. Shows werden entweder unsäglich in die Länge gezogen – oder der Redakteur sagt: Tolle Idee, passt aber nicht ins Schema! Als sei das Programmschema ein unumstößliches Gesetz, bei dem eine Abweichung weder vor Gott – oder noch schlimmer: vor dem Intendanten – zu rechtfertigen sei. Ich bin der festen Überzeugung, dass gutes Fernsehen sich auch entscheiden muss, was es weggelassen will, und sein Erzähltempo immer wieder neu festlegen, um zu begeistern. Und jetzt legen Sie sich halt gefälligst mal fest: Was kommt ins Hoff'sche Buch der 2014-Knaller ganz nach vorn?

Hoff: Nun gut, wenn Sie mich so schön bitten, Herr Schader. Ich wollte ja erst Jan Böhmermanns wunderbares "Do They Know It's Scheiße" erwählen, weil es so schön gemein und ungerecht war und trotzdem soviel Spaß machte. Dann fiel mir aber noch etwas ein, was ich noch viel gemeiner und ungerechter und spaßiger fand. Es war jener Moment in "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Hugo Egon Balder", in dem der alte Mann von "Tutti Frutti" als "I am Legend"-Parodist durch eine Ruine stolperte und sich bedroht fühlte (ganze Sendung bei wdr.de ansehen). Er hörte was, nahm das Gewehr hoch, und auf einmal erschien seine "Alles Nichts Oder?!"-Partnerin Hella von Sinnen im Türrahmen und kreischte was wie "Balder, Sie altes Frettchen". Balders Reaktion war der große Moment. Er riss das Gewehr hoch, drückte ab, und rumms hatte Frau von Sinnen ein unschönes Loch in der Stirn. Das ist Fernsehen, das ich mag. Wenn man mir für 2015 wieder solch einen Moment verspricht, gucke ich weiter. Auch den ganzen Müll, auch "Brisant", auch mit Ihnen, Herr Schader.

Hugo Egon Balder bei DUEILV© WDR

Schader: Stell'n Sie schon mal die Schnittchen kalt. In vier Tagen ist 2015, in nur elf Tagen läuft "Männer!" bei RTL, und ich versprech Ihnen: Ich nehm Sie beim Wort. Schönes neues Jahr trotzdem!

Hoff: Seufz.

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