Frank Underwood wäre nicht glücklich über diesen Freitag. Wenn der von Kevin Spacey verkörperte Machtmensch einen großen Auftritt plant, dann will er schließlich maximale Aufmerksamkeit. Dass sich die Welt um ihn und nicht um die Sonne zu drehen hat, wissen Fans von „House of Cards“ schon seit der ersten Folge. Jetzt liegt die dritte Staffel der Polit-Serie vor, doch nicht jeder gönnt Frank Underwood in seinem neuen Amt die maximale Aufmerksamkeit. Wer stiehlt der Netflix-Serie die Show? In Deutschland ist es Netflix selbst. Die Situation könnte nicht amüsanter sein: Sky Deutschland rührt die Werbetrommel für eine Netflix-Serie, die aber nicht bei Netflix läuft, während Netflix für eine Serie wirbt, die gar keine Netflix-Serie ist, auch wenn sie so tut. Das kann und muss auf Anhieb nicht jeder verstehen.



Sky Deutschland also baut aktuell auf die dritte Staffel von „House of Cards“, eine originär für Netflix produzierte Serie, deren Ausstrahlungsrechte für Deutschland Netflix einst allerdings an Sky Deutschland verkaufte. Damals hatte Netflix noch keine eigene Präsenz in Deutschland geplant. Als der Anbieter von Subscription-Video-on-Demand (SVoD) im vergangenen September dann doch ein deutsches Angebot startete, hatte man von Sky zu einem hohen Kurs die Zweitverwertungsrechte an Staffel 1 und 2 seiner eigenen Serie zurückgekauft. Doch die Premiere der dritten Staffel wollte sich Sky Deutschland zu keinem Preis nehmen lassen. Gebetsmühlenartig erklärt Netflix seinen deutschen Kunden seit Tagen auf allen Social Media-Kanälen genau diese Besonderheit im deutschen Markt.

Gleichzeitig trumpft Netflix selbst mit einer großen Werbekampagne für das „Breaking Bad“-Spinoff „Better call Saul“ auf. Neben klassischen Werbemitteln setzt die schlagfertige Kampagne mit lokalen Motiven auch auf Out-of-Home-Präsenz. Zahlreiche Motive der außerordentlich einprägsamen und unterhaltsamen Werbung rund um die Hauptfigur des Anwalts Saul Goodman haben in den vergangenen Tagen via Social Media virale Verbreitung gefunden. Ausgerechnet am Launch-Tag der dritten Staffel von „House of Cards“ stiehlt sich Netflix aber selbst die Schuld: Bei Spiegel Online, immerhin neben Bild.de das reichweitenstärkste Nachrichtenportal in Deutschland, ist „Better call Saul“ mit XXL-Werbepräsenz nicht zu übersehen - und in diesem Fall sogar mit Motiven, die auf die aktuelle Nachrichtenlage abgestimmt sind. „Mehr Geld für Lehrer? Verkauft bessere Noten“, heißt es da beispielsweise.

Dass Netflix diesen Höhepunkt seiner Kampagne für „Better call Saul“ ausgerechnet am Tag des Starts der dritten Staffel von „House of Cards“ schaltet, ist schon kurios. Man könnte es auch aggressiv nennen. Dabei ist „Better call Saul“ anders als „House of Cards“ nicht einmal eine Netflix-Serie. Zwar wird sie den deutschen Kunden als „Netflix Original“ angepriesen, doch diese Bezeichnung ist irreführend. Wie schon „Breaking Bad“, so läuft auch die Anwaltsserie zuerst beim US-Kabelsender AMC - und das Woche für Woche. Außerhalb der USA hält Netflix die Rechte an der Produktion aus dem Hause Sony. Aufgrund der linearen Ausstrahlung kann Netflix kein Binge-Watching anbieten - und nur jede Woche eine Folge liefern.

Für einen Abo-Dienst ist das kein unattraktives Modell: So reicht der kostenlose Test-Monat nicht mehr aus, um die ganze Staffel von „Better call Saul“ zu sehen. Ein Schelm, wer sich da fragt, ob Netflix nicht auf den Geschmack kommen könnte. Denn während die Feuilletons noch die dritte Staffel von „House of Cards“ - jener Serie, die als Begründer des Binge-Watching-Trends und Durchbruch für Netflix gilt, feiern, grübelt die Branche schon über die Lehren, die der Anbieter aus der wöchentlichen Veröffentlichung ziehen kann. Netflix und Binge-Watching gehören, wie jetzt zu beobachten, nicht zwangsläufig zusammen. Und Kult-Serien wie „The Walking Dead“ oder „Game of Thrones“ - auch sie werden wöchentlich veröffentlicht.