Innerhalb weniger Jahre avancierte Guido Maria Kretschmer zum Liebling der Damenwelt. Das ist vor allem deshalb erstaunlich, weil der Modedesigner die meiste Zeit, in der er seit dem Start von "Shopping Queen" auf dem Bildschirm zu sehen war, bloß vor einem Greenscreen saß und nichts weiter tat, als Frauen beim Einkaufen zu beobachten. Dabei schafft er allerdings in aller Regel etwas, was Dieter Bohlen in all den Jahren als Juror großer Castingshows nur selten gelang: Harte Kritik möglichst sanft zu verpacken. Diesem Prinzip bleibt der hauptberufliche Strahlemann auch in seiner neuen Sendung treu, die von diesem Dienstag an bei Vox läuft.

Sie hört auf den Namen "Geschickt eingefädelt" und ist eine Adaption der BBC-Show "The Great British Sewing Bee" - einem Näh-Wettbewerb, der auf der Insel seit nunmehr drei Staffeln für ganz ordentliche Quoten sorgt. Für Vox ist die Sendung trotzdem eine Unbekannte, denn trotz ausgebuchter Nähkurse und gut gefüllter Näh-Cafés, auf die Kretschmer gleich zu Beginn verweist, ist nicht klar, ob dem deutschen Publikum wirklich der Kopf danach steht, drei wildfremden Männern und acht Frauen dabei zuzusehen, wie sie zur besten Sendezeit Röcke schneidern oder aus unspektakulären Herrenhemden mehr oder weniger spektakuläre Damenoberteile zaubern.

Für "Geschickt eingefädelt" gilt dabei, was auch auf Guido Maria Kretschmer zutrifft: Die Sendung ist nett - und zwar im besten Sinne. Autoschrauber oder Gas-Wasser-Installateure mit einem Hang zum Groben werden freilich kaum Freude haben an dem Format, das in den kommenden Wochen den mit großem Erfolg von der "Höhle der Löwen" vorgewärmten Sendeplatz am Dienstagabend übernimmt. Doch wer hätte schon gedacht, dass ein Format, in dem es um Erfinder und trockene Firmenbeteiligungen geht, das Zeug zur Marktführerschaft hat? Oder dass dem Publikum eine Musikshow Freude bereitet, in deren Mittelpunkt nichts anderes als Musik steht? Vielleicht verhält es sich mit den Hobbyschneidern ja ganz ähnlich.

Das wäre Vox und den Produzenten von Tower Productions schon alleine deshalb zu wünschen, weil "Geschickt eingefädelt" herrlich entspannt daherkommt, was einerseits an den sympathischen Kandidaten liegt, andererseits aber auch an der unspektakulären Erzählweise, für die sich die Macher der Show dankenswerterweise entschieden haben. Und natürlich liegt es zu einem guten Stück eben auch an Guido Maria Kretschmer, der hält, was man sich von ihm verspricht. Den jungen Florian bezeichnet er als "Anarcho-Näher mit Herz" und die Versuche von "Textil-Terrorist" Frank, einen karierten Bleistiftrock zu kreieren, kommentiert Kretschmer in gewohnter Manier: "Kariert fand ich schon immer gut. Haben wir auch in der Küche als Geschirrtuch."

Geschickt eingefädelt - Wer näht am besten?© Vox/Andreas Friese

Wenig später zweifelt er am Ergebnis: "Es kann nur in die Hose gehen - auch wenn's ein Rock ist." Böse kann man ihm allerdings kaum sein, weil es der Designer bei aller Bissigkeit stets schafft, charmant zu bleiben. "Guidos Kritik tut nie weh", sagt eine seiner Näh-Kandidatinnen nicht ohne Grund. So erklärt sich auch, weshalb die erste Teilnehmerin, die die Show verlassen muss, am Ende zwar Tränen in den Augen hat, gleichzeitig aber auch ein Lächeln im Gesicht trägt. Daran ändert dann auch die deutlich strengere Inge Szoltysik-Sparrer, ihres Zeichens Bundesvorsitzende des Maßschneiderhandwerks, nichts, die auch mal deutlichere Worte findet, wenn die genähten Teile nicht ihrem Verständnis von Qualität entsprechen. "Ein Satin verzeiht einem nichts", sagt sie über ein etwas ausgefranstes Kleidungsstück, nachdem sie dem Jersey zuvor bereits selbiges attestierte.

Als Kandidatin Katja Zeitdruck für ihre schwache Leistung verantwortlich macht, erntet sie Kopfschütteln: "Die Zeit kann nicht immer die Entschuldigung sein", mahnt die Frau mit dem komplizierten Doppelnamen und unterstellt der jungen Kandidatin mit den bunten Haaren, zur Selbstüberschätzung zu neigen. Das entworfene Party-Outfit einer anderen Teilnehmerin erinnert sie dagegen an "Frau Antje aus Holland". Doch immer wenn es zu streng zu werden droht, packt Guido Maria Kretschmer wieder sein Strahlen aus - und ist sich im Zweifel sogar für eine Anleitung zum Schummeln nicht zu schade. Keine Frage: Diese Sendung wird an Kretschmers Stellung als Liebling der Damenwelt nicht rütteln. Das hat Vox also im wahrsten Sinne des Wortes geschickt eingefädelt.

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