Die Idee ist so naheliegend wie in der Umsetzung ungewöhnlich: Der Factual Entertainment-Sender A&E, vor ziemlich genau zwei Jahren aus dem Biography Channel hervorgegangen, hat aus der Not eine Tugend gemacht und mit "Protokolle des Bösen" eine gleichermaßen kostengünstige wie faszinierende Möglichkeit gefunden, das True Crime-Genre für sich zu nutzen: Mit einem  Kammerspiel der besonderen Art. Basierend auf Aufzeichnungen von Kriminalist und Profiler Stephan Harbort inszenierte die Produktionsfirma Shinyside Media in enger Zusammenarbeit mit Emanuel Rotstein, Director of Production bei A+E, eine fiktionalisierte Version von Gesprächen Harborts mit diversen Serienmördern.

Gespielt werden diese in den fünf Folgen von Uwe Ochsenknecht, Sven Martinek, Michaela May, Detlef Bothe und Fritz Wepper. Der Look ist stimmig: Vom sehr atmosphärischen OnAir-Design bis zum reduzierten Setting, das die Aufmerksamkeit ganz auf den Dialog und das Spiel der prominenten besetzten Serienmörder-Rollen lenkt. In Folge 1 mit der das Format heute um 21.50 Uhr startet, spielt Uwe Ochsenknecht Daniel Küster, "den Oma-Killer". Der Name des Täters sowie weitere konkrete Umstände wurden aus Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte geändert.

Nach einer kurzen Einleitung in den Fall durch Kriminalist und Profiler Harbort steigt "Protokolle des Bösen" direkt ein ins Gespräch. Der Auftakt mit Uwe Ochsenknecht ist nicht das Highlight der Staffel, aber auch bei ihm merkt man: In der ungewöhnlichen Aufgabe gehen alle beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler auf. Das ist leider gleichzeitig aber auch das Problem. Die Herausforderung dieser ungewöhnlichen Idee wirkt für die prominenten Protagonisten reizvoller als für den Zuschauer, der das Ergebnis betrachtet. Wir sehen große Namen mit spürbarer Lust an diesem Experiment. Doch der Grusel, den es vermutlich auslösen soll, stellt sich beim Zuschauen nicht ein.

Vielleicht fehlt dazu der für das Genre True Crime so wichtige Bezug zum realen Verbrechen; dass die Protokolle auf echten Fällen basieren, reicht nicht. Es fehlen Zeitungs-Ausschnitte, Filmaufnahmen oder O-Töne des realen Verbrechens, die das prominente Reenactment des Gesprächs mit mehr Bedeutung aufladen würden. Mit dieser zu starken Fiktionalisierung der Fälle dokumentiert "Protokolle des Bösen" sinnbildlich das Problem des deutschen Fernsehens bei der Adaption des aus den USA kommenden Trend-Genre True Crime. Anders als in den USA erlaubt das deutsche Rechtssystem weit weniger Filmaufnahmen bei Ermittlungen und Prozessen.

So gesehen war - wie eingangs erwähnt - der Ansatz hier clever. Auch die Spielfreude von Fritz Wepper und Co. ist sehenswert und die Einordnung durch Kriminalist und Profiler Harbort überzeugt. Auch das Setting ist stimmig. Am Ende löst "Protokolle des Bösen" nur einfach nicht das ein, was viele stimmige Zutaten versprechen. Es fehlt das Salz in der Suppe.