Der Berg ist groß, der Berg ist breit, er steht da für die Ewigkeit. Mit diesem Sinnspruch wollte sich die Schweiz Ende des 19. Jahrhunderts nicht abfinden. Sie wollte sich nicht länger den Weg versperren lassen von einem Monstrum wie dem Gotthard, der zwar im Sommer Menschen über seine Pässe ließ, im Winter aber den Süden des Landes vom Norden abschnitt. Also sollte ein Tunnel her. Hoch oben, von Göschenen bis Airolo quer durch den Fels, rund 15 Kilometer lang. Also wurde 1872 der erste Spatenstich gesetzt. Acht Jahre später gelang der Durchstich. Zehn Jahre nach dem Anstich dampfte dann die erste Bahn durch den Tunnel. Bis dahin waren an die 200 Arbeiter bei den Bauarbeiten umgekommen, mehrere hundert starben an den Folgen der bisweilen unmenschlichen Arbeit unter Tage.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass der alte Tunnel durch der Eröffnung des neuen, gleich 57 Kilometer langen Basistunnels im Sommer 2016 bald nur noch Richtung Museumswert tendieren wird, hat sich das Schweizer Fernsehen an einen opulenten Zweiteiler gemacht, der zeigen soll, was für eine Herkulesaufgabe es im 19. Jahrhundert war, den Berg in seinem Innersten zu bezwingen.

Da ist jede Menge Ambition im Spiel. Man spürt bald, dass die Macher dieses Projekt ähnlich groß angesehen haben wie den Tunnelbau einst. Und man kann durchaus Parallelen ziehen, denn so langsam wie der Vortrieb im Stollen damals vorankam, so langsam kommt auch die Story heute voran. Sie fährt eindeutig jenes Schweizer Tempo, das man bei den Bodensee- oder Luzern-"Tatort"-Episoden so oft schon erleiden musste.

Erzählt wird im Vordergrund die Geschichte einer Freundschaft. Da ist der junge Deutsche Max, der ins Hochgebirge kommt, um an dem Jahrhundertprojekt als angehender Ingenieur mitzuwirken. Da ist der Italiener Tommaso, der am Bohrer steht, wenn er nicht gerade von aufrührerischen Gedanken umgetrieben wird. Beide kommen unter bei Anna, der Tochter eines sturen Fuhrmannes, der die Zeichen der Zeit nicht erkennen will. Er fürchtet zu Recht, dass die Eisenbahn seinen Fuhrbetrieb austrocknen wird. Seine Tochter hingegen riecht den Wandel und richtet Unterkünfte ein für die Legionen von Arbeitern, die aus ärmlichen Alpentälern zum Tunnelbau streben und keine andere Wahl haben als hier zu malochen. Bringen sie kein Geld heim, sterben ihre Familien an Unterernährung.

Max, Anna und Tommaso freunden sich erst an, später wird dann mehr daraus. Aber nicht so, wie sich die drei das vorstellen. Es ergeben sich die üblichen Widrigkeiten eines Tunnelbaus, die sich in diesem Film weitgehend an den realen Vorlagen orientieren. Es kommt zum Arbeiteraufstand, es kommt zu tödlichen Unglücken, es kehren Seuchen ein, und gegen Ende der ersten Folge geht das Geld aus. Was für ein Cliffhanger. Da geht den Tunnelbauern das Geld aus, und die Zuschauer hocken daheim und fragen sich bis zur nächsten Folge, ob der Tunnel wohl jemals fertigwerden wird.

Um es mal ganz knapp zu sagen. Die filmische Kunst bleibt hier weit hinter dem Geschick der Tunnelkonstrukteure zurück. Über Strecken wird aus diesem Sittengemälde, das die Unmenschlichkeit der Verhältnisse aufzeigen soll, trotz einer sehr guten Ausstattung ein pilchereskes Kitschmärchen. Wenn sich etwa Anna und Max zum Sinnieren auf einem Felsen treffen, scheint stets die Sonne auf das Paar, während unten beim Tunnelbau das ewige Grau herrscht.

Gotthard© ZDF/Pascal Mora

Vieles ist furchtbar absehbar, manches dann auch wieder unfreiwillig lustig. Etwa den Schweizer Roeland Wisnekker, den man als Schurken aus vielen deutschen Filmen schätzt. Er spielt den Dorfpolizisten und sieht dabei stets aus, als wäre er frisch der Räuber-Hotzenplotz-Kasperleschule entwachsen. Auch Joachim Krol wirkt als feister Bürohengst nicht in der sonst von ihm gewohnten Klasse, und Marie Bäumer muss mal wieder das Wirtshausluder geben. Schließlich hat das ZDF diesen Film mitfinanziert, da müssen dann schon gehörig viele deutsche Schauspieler ihr Gesicht hergeben, um das Ganze nicht arg so schweizerisch aussehen zu lassen.

Das Drehbuch hat Stefan Dähnert geschrieben, während Urs Egger als Regisseur verantwortlich zeichnet. Wenn man ihnen wohl wollte, könnte man sagen, dass sie die Unternehmung mit viel Engagement angegangen sind, dass sie aber sehr schnell auf Granit gebissen haben. Wollte man eine Tunnelbauer-Metapher bemühen, könnte man sagen, dass sie mit Verve am Berg geknabbert haben, dass sie sich aber sehr bald am Granit die Zähne ausgebissen haben. Von Durchstich keine Rede.

Das ZDF zeigt "Gotthard" am Montag und Mittwoch jeweils um 20:15 Uhr.