Wenn es darum geht, eine Verfilmung von Leo Tolstoios "Krieg und Frieden" auf die Beine zu stellen, dann ist die BBC mit ihrer jüngsten Produktion alles andere als ein Pionier. Bereits zahlreiche Umsetzungen haben in der Vergangenheit das Licht der Welt erblickt, darunter auch schon mal eine der BBC, die bereits 1972 einen Mehrteiler mit Anthony Hopkins drehte. Mit der Fassung von Sergei Fjodorowitsch Bondarchuk, die 1966 in Russland entstand, wurde nicht nur die bis dato beste Adaption veröffentlicht, sondern auch gleichzeitig Filmgeschichte geschrieben. Für den knapp sieben Stunden langen Film standen seinerzeit mehr als 120.000 Statisten vor der Kamera; und würde man heutige Maßstäbe anlegen, beliefen sich die Produktionskosten auf stolze 700 Millionen US Dollar. Ein episches Werk, das nicht nur mit großen Zahlen protzen kann, sondern auch mit einer inhaltlichen Meisterleistung, die noch heute ihresgleichen sucht.


Jetzt folgte also der nächste Versuch aus England und den USA, diesen gewaltigen Roman umzusetzen. Die Geschichte um "Krieg und Frieden" setzt 1805 ein und erstreckt sich bis zum Jahr 1812. Es ist jene Zeit, in der Napoleon Bonaparte eine Invasion auf Russland starten möchte und daran bekanntermaßen am Ende scheitert. Die BBC fokussiert sich in ihrem neuen Unterfangen, das Werk zu verfilmen, erneut ausschließlich auf die russische Adelsgemeinde, die ihre einzigartige Geschlossenheit demonstriert. Um Tolstois Geschichte gerecht zu werden, wurden große Geschütze aufgefahren: Bis oben hin besticht "Krieg und Frieden" durch grandiose Schauspieler - und mit der Weinstein Company sitzt ein Filmstudio im Nacken, das bereits sehenswerte Blockbuster wie "Django Unchained" und "The King's Speech" umgesetzt hat.

Keine schlechten Vorzeichen also für eine Produktion, die sich am Ende möglicherweise ein Stück weit mit Bondarchuks Geniestreich von einst messen lassen kann. In der Tat gelingt es Regisseur Tom Harper überaus gut, eine Version von "Krieg und Frieden" auf die Beine zu stellen, die mit ihrem modernen Stil durchgehend zu unterhalten weiß. Was dem Unterhaltungswert jedoch weichen musste, war vor allem die komplexe Philosophie, die sich durch das Buch zieht. Stattdessen haben die Macher besonders all die übrigen Highlights aus Tolstois Geschichte bunt angemalt und groß aufgeblasen: Krieg! Liebe! Etwas Inzest! Nein, an Bondarchucks Epos kommt die BBC-Neuauflage nicht heran, sind die großen Ambitionen doch stets spür-, aber nicht durchweg greifbar. Allerdings geriet die neue Version leichter zugänglich und dadurch womöglich auch ein wenig kurzweiliger.

Pierre Bezukhov (Paul Dano, "Prisoners") ist der uneheliche Sohn eines sterbenden Grafes und kommt genau dann zu einem unerwartenden Erbe, als sich die Konflikte zwischen Russland und Napoleon auf das Höchstmaß zuspitzen. Dano hat in seiner Karriere beinahe keine Chance ausgelassen, um gute Werbung für sich zu machen und denkt gar nicht daran, damit aufzuhören. Als peinlicher, impulsiver, disziplinloser und idealistischer Pierre beweist er einmal mehr, dass er sich in jede Figur hineinversetzen und sie in bestmöglicher Manier erstrahlen lassen kann. Prince Andrei (James Norton, "Grantchester") ist ein guter Freund von Pierre und begibt sich, um seinem monotonen Leben und der Aristokratie zu entfliehen, in den Krieg. Hätten alleine die unterschiedlichen Lebenswege dieser beiden ausgereicht, um das russische Adelsleben zur damaligen Zeit ideal darzustellen, geht "Krieg und Frieden" gemäß seiner Buchvorlage viel weiter und involviert dermaßen viele Figuren, dass am Ende eine Serie entstanden ist, die man besser nicht mit halber Konzentration Chips essend auf dem Smartphone konsumieren sollte. Zu groß wäre die Gefahr, die komplette Atmosphäre dieses Werkes zu verpassen, die - man könnte sie ein Stück weit mit "The Revenant" vergleichen - absolut verzaubernd ist.

Krieg und Frieden© RTL Passion / BBC

Andrew Davies, der als Autor für alle sechs Teile der Miniserie fungierte, hatte einen erheblichen Einfluss auf die knackige moderne Fassung von "Krieg und Frieden". Sein Talent konnte er unter anderem bereits vor mehr als 20 Jahren unter Beweis stellen, als er sich - ebenfalls für die BBC - an einer Version von "Stolz und Vorurteil" probierte, in der der charmante Colin Firth in der Hauptrolle zu sehen war.

Wie jedes gute Kostümdrama lebt "Krieg und Frieden" jedoch nicht nur von den Figuren und der Erzählung, sondern auch von seinem Look. Typisch für eine BBC-Produktion, ist förmlich zu spüren, wie viel Liebe zum Detail in der Umsetzung des Buchklassikers steckt. Das liegt vielleicht daran, dass es der BBC gelungen ist, Drehgenehmigungen für einige Originalschauplätze zu bekommen - so entstanden zum Beispiel die pompösen Ballszenen im Katharinenpalast bei St. Petersburg. Weitere Drehorte waren die Eremitage, Lettland und Litauen. Und man muss gewiss kein Experte für die Bekleidung russischen Aristokraten aus dem 19. Jahrhundert sein, um angesichts all des Detailreichtums ins Schwärmen zu geraten. Das macht Spaß - und lässt auch das Fehlen einiger philosophischer Ansätze, die in Tolstois Werk vorkommen, weitgehend verschmerzen. Und überhaupt: Für Fans komplexerer Umsetzungen gibt es ja bereits genügend Alternativen. 

"Krieg und Frieden" läuft montags um 20:15 Uhr in Doppelfolgen bei RTL Passion.