Eigentlich war der Abend spätestens nach eineinhalb Stunden gelaufen. Die 25-jährige Isabella Levina Lueen kristallisierte sich bereits nach der ersten Runde als klare Favoritin der Zuschauer für das Ticket nach Kiew heraus, wo im Mai der Eurovision Song Contest ausgetragen wird. Und daran sollte sich auch nichts mehr ändern. Ihr einziger verbliebener Gegenspieler, ein junger Mann mit der Bühnenpräsenz eines Staubsaugervertreters, schied noch vor der letzten Runde aus, sodass die Studentin früh als Siegerin feststand und mit zwei potenziellen Sieger-Songs im Finale quasi gegen sich selbst antreten musste.

Dass "Unser Song 2017" dann doch mit einer kleinen Überraschung endete, hat die ARD einzig und alleine den Fernsehzuschauern zu verdanken, die - anders als es die Stimmung im Studio vermuten ließ - nicht das etwa die vergleichsweise gemächliche "Wildfire"-Version aus der Feder der Norwegerin Marit Larsen zum Siegertitel wählten, sondern das fetzigere "Perfect Life", das die amerikanische Songwriterin Lindy Robbins mit zwei Kollegen schrieb. Dummerweise lagen zwischen Levinas erstem Auftritt, der sie streng genommen schon zur deutschen ESC-Vertreterin machte, und der Kür ihres Gewinner-Songs viele, viele Minuten.

Dass es nicht allzu zäh wurde, lag vor allem an der Moderatorin: Barbara Schöneberger führte in Höchstform durch den Grand-Prix-Abend und war immer dann am besten, wenn sie mal für einen Augenblick vom Drehbuch abwich. Sie machte sich lustig über "Deutschland sucht den Superstar", flirtete mit Jury-Mitglied Tim Bendzko, schäkerte mit dem Publikum und trug kurz vor dem Ende der Show sogar den Mikrofonständer von der Bühne. Schnell merkt man, dass da eine Frau steht, die offensichtlich großen Spaß hat an dem, was sie macht. Die spielende Leichtigkeit, mit der sie Schwung in den etwas lang geratenen Abend brachte, war in jeder Minute beeindruckend.

Ob es im Falle stärkerer Konkurrenten für Kandidatin Levina etwas spannender zugegangen wäre? Unklar. Ganz sicher aber wäre die Show straffer ausgefallen, hätten sich Sender und Produktionsfirma Raab TV getraut, die in solchen Castingshows leider obligatorischen Jury-Elemente wegzulassen. Gerade am Ende, als längst klar war, wie der Hase läuft, gab's Lobeshymnen im Sekundentakt. Weniger wäre ganz sicher mehr gewesen. Immerhin konnten sich insbesondere Bendzko und 2010-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut zumindest anfangs dazu durchringen, den Kandidaten ein paar kritische Worte mit auf den Weg zu geben, während Kollege Florian Silbereisen ausschließlich darauf bedacht schien, Komplimente zu machen.

"Das Auge isst mit", rief er einer Kandidatin zu und wollte ihr damit offenkundig gutes Aussehen attestieren. Einer anderen unterstellte er, jede Castingshow gewinnen zu können - sogar "Germany's next Topmodel". Bei womöglich gut gemeinten, aber letztlich dann doch leicht deplatzierten Äußerungen wie diesen ging so manches Mal ein leises Raunen durchs Studios. Aber sei's drum - unterm Strich war's dann doch ein ganz unterhaltsamer ESC-Abend, der dank unvebrauchter Gesichter auf der Bühne weitaus frischer daherkam als mancher Vorentscheid vergangener Jahre. Zu welchem Platz es für Levina in Kiew reichen wird, ist ohnehin zweitrangig, immerhin lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass es aus deutscher Sicht schlechter als zuletzt ohnehin kaum laufen kann.