Es ist eine Situation, in die sich wohl viele Menschen hineinversetzen können: Eine Beziehung ist gerade gescheitert und die Wege von zwei Personen trennen sich, aber eine Seite hat noch Klärungsbedarf. Das ist die Ausgangslage, auf der das neue Vox-Format "Eine Nacht mit dem Ex" basiert. Im realen Leben kommt es mal zur Aussprache, mal geht der Kontakt zur ehemals großen Liebe schnell verloren. Vox setzt in seiner Sendung, die auf einem britischen Original basiert, auf eine Aussprache der beiden Personen, die sich mal geliebt haben und steckt die beiden in ein mit Kameras ausgestattetes Apartment.

Jan Biekehör© MG RTL D/Jasmin Menzer
Vox greift in dem Format ein sehr intimes Thema auf, daher stellt sich schnell die Frage: Wer kommt überhaupt auf die Idee, seine Beziehungsprobleme in aller Öffentlichkeit zu besprechen? Und wie sehr mussten Sender und die Produktionsfirma ITV Studios Germany bei den Protagonisten Überzeugungsarbeit leisten? "Der Casting-Prozess für ein solches Format ist in der Tat ziemlich komplex", sagt Vox-Executive-Producer Jan Biekehör (Foto). Die Macher des englischen Originals haben sich auf Facebook konzentriert und mit Posts von verschiedenen thematisch gebrandeten Bildern versucht, Menschen für das Format zu interessieren. Wenn Neugierige auf die Bilder geklickt haben, kamen die entsprechenden Sendungsinfos und der Bewerbungsaufruf.

"Das war auch unser erster Ansatz", sagt Biekehör. Man habe Facebook und Instagram genutzt und auch in Online-Foren und via Uniaushängen nach Kandidaten gesucht. "Beworben hat sich in aller Regel ein Ex-Partner. Im zweiten Schritt wurde dann von diesem - wenn zwischen den Partnern noch ein Kontakt bestand - oder der Produktionsfirma der zweite Partner kontaktiert, gefolgt von Besuchen bei beiden." Biekehör räumt ein, dass es in den Gesprächen auch oft Vorbehalte gegen das Konzept der Sendung gab - sei es aufgrund der Öffentlichkeit oder überhaupt wegen der geplanten Aussprache mit dem/der Ex. Dennoch habe er den Eindruck gehabt, dass auch einige Ex-Partner froh gewesen seien, dass der Schritt der Aussprache von außen organisiert wurde. "Wenn Beziehungen auseinander gehen, sind ja immer zwei Menschen beteiligt, und oft haben eben dann doch beide Redebedarf - derjenige, der geht und der, der verlassen wird. Wenn dann einer den ersten Schritt geht – in diesem Fall angeregt durch ein TV-Format – ist plötzlich ein Gespräch möglich, das vorher vielleicht unmöglich erschien", sagt Biekehör.

Profitiert hat Vox hier ganz gewiss auch von der Tatsache, dass man zuletzt als seriöser TV-Sender aufgefallen ist, der die Kandidaten von Dokusoaps und anderen Sendungen nicht der Lächerlichkeit preisgibt. Gecastet wurde in alle Richtungen: "Wir haben nach einem niveauvollen Cast gesucht, nach interessanten Geschichten und einer guten Mischung zwischen Jung und Alt, von hetero- bis homosexuell." In der ersten Folge ist die Mischung sehr gut aufgegangen: Da ist zum einen das junge Paar, das mit 16 zusammengekommen ist und jahrelang eine Fernbeziehung führte. Irgendwann distanzierte er sich von ihr, die Beziehung ging in die Brüche. Und auf der anderen Seite ist eine 34-jährige Frau, die zu ihrem Freund nach Italien gezogen ist, dort aber nur schwer Fuß fassen konnte und auch den Unmut der Schwiegermutter auf sich zog. Sie fühlte sich von ihm nicht genügend unterstützt und ging zurück nach Deutschland.

"Der Casting-Prozess für ein solches Format ist in der Tat ziemlich komplex."
Vox-Executive-Producer Jan Biekehör

Anderen Paaren bei der Beziehungstherapie zuzusehen, ist ganz gewiss nicht jedermanns Sache, doch Vox hat das so elegant gelöst, dass man dem Sender zu keiner Zeit Voyeurismus vorwerfen könnte. "Eine Nacht mit dem Ex" ist einfach sehr authentisch. Das fängt schon mit der unbeholfenen Begrüßung der Paare an, die sich nach langer Zeit erstmals wieder in die Augen blicken. Wenn der Mann des älteren Paares gleich mehrmals fragt, wie es der Frau geht, merkt man, wie nervös er gerade ist. Auch als Zuschauer leidet man mit: Schnell wird klar, dass der 20-Jährige Leon Schuld am Beziehungs-Aus mit der gleichaltrigen Alica ist. Er kündigt gleich zu Beginn an, endlich die Wahrheit sagen zu wollen. Zunächst erfahren aber auch die Zuschauer nicht, was genau er gemacht hat - das baut zusätzlich Spannung auf. Die Paare haben Boxen zur Verfügung, in denen vorgefertigte Fragen bereitliegen, die sie stellen können, falls das Gespräch mit dem Ex-Partner stockt. Im Laufe der Zeit entstehen mal ernste und traurige Gespräche und manchmal auch heftige Streitereien zwischen den ehemaligen Liebespaaren. Auf ein Happy End kann man sich bei "Eine Nacht mit dem Ex" nicht verlassen, in der ersten Ausgabe giftet die 34-jährige Rebecca irgendwann in Richtung ihres Ex: "Wenn die Eier einmal ab sind, sind die Eier ab."

Die Kameras sind in der Wohnung zwar sichtbar, ähnlich wie bei "Big Brother" gibt es aber keine Kameraleute, die hin und her rennen. Dadurch sollen sich die Protagonisten unbeobachtet fühlen. "Wir haben in dem Apartment von ‘Eine Nacht mit dem Ex’ die Erfahrungen bestätigt gesehen, die wir zum Beispiel bei den Formaten 'Die Tierklinik' oder 'First Dates' bereits mit fixed-rig-Equipment gemacht hatten. Wenn Menschen emotional mit etwas beschäftigt sind, vergessen sie fest installierte Kameras erstaunlich schnell. Das war bei den Dreharbeiten zu ‘Eine Nacht mit dem Ex’ nicht anders", sagt Executive Producer Jan Biekehör. Das Apartment selbst sei als neutraler Boden, an dem eine Aussprache stattfindet, zudem sehr wichtig gewesen. Das hätten einige der Paare bestätigt. "Keiner der beiden ehemaligen Partner hat hier einen Heimvorteil."

Eine Nacht mit dem Ex© MG RTL D
Die Ex-Paare treffen sich in der Wohnung auf neutralem Terrain und können auch gemeinsam kochen. 

Vox und ITV Studios Germany haben mit "Eine Nacht mit dem Ex" ein emotional ganz starkes Format geschaffen, dessen Ende nie vorausgesehen werden kann. Die Abgründe, die sich in menschlichen Beziehungen auftun, sind tief. Einige davon kann man in dem Format beobachten. Am Ende müssen sich die Ex-Paare entscheiden, ob sie über Nacht gemeinsam in der Wohnung bleiben oder ob sich die Wege trennen. Auch das ist stimmig umgesetzt und der Zuschauer kann sich fragen: Wie hätte ich reagiert?

Jan Biekehör sagt, als man sich beim Sender anfangs mit dem Format beschäftigte, gab es bezüglich der Reaktionen große Unterschiede bei Männer und Frauen. "Ein Format, in dem Menschen sich noch einmal sehr ausführlich mit ihrer früheren Beziehung auseinandersetzen, leuchtete den Frauen insgesamt sehr viel schneller ein als den männlichen Kollegen." Auch er sei skeptisch gewesen, so Biekehör. "Umso überraschender war dann für mich persönlich die Erfahrung während der Aufzeichnungen. Diese Gespräche sind sehr, sehr spannend - mal schlägt man sich im Verlauf des Abends auf die Seite des einen Partners, im nächsten Moment entwickelt man Verständnis für den anderen." Er meint: "Eine Nacht mit dem Ex" ist auch etwas für Männer. "Eigentlich ist es Fernsehen für Paare – ein Art Paartherapie bevor es zu spät ist!"

Bleibt die Frage, ob das Format um 21:15 Uhr richtig platziert ist, oder ob nicht auch ein Sendeplatz eine Stunde später besser gewesen wäre. In "Eine Nacht mit dem Ex" wird viel geredet, vor allem über Emotionen. Das brach Vox 2017 schon bei "The Story of my Life" das Genick. In der Sendung ließ man Promis aufwendig altern und sie dann über ihre Gefühle reden. Das kam damals um 20:15 Uhr gar nicht an. Man kann nur hoffen, dass das bei "Eine Nacht mit dem Ex" nicht so sein wird. Denn die Sendung schafft nicht nur bei den beteiligten Paaren Klarheit, sondern kann tatsächlich auch den Zuschauern dabei helfen, sich selbst in einer Beziehung zu hinterfragen. Eine Beziehungstherapie zur Primetime sozusagen. 

Vox zeigt sechs Folgen von "Eine Nacht mit dem Ex" ab dem 3. September immer montags ab 21:15 Uhr.