Das Gute an "Deutschland sucht den Superstar" ist: Selbst wenn man die Sendung jahrelang nicht gesehen hat und zufällig wieder einschaltet, stellt sich sofort ein heimeliges "DSDS"-Gefühl ein, das irgendwo angesiedelt ist zwischen ungläubigem Staunen und Fremdscham. Vorne versucht sich der zumeist minderbegabte Nachwuchs daran, möglichst fehlerfrei ein Liedchen zu summen, und hinten sitzt Dieter Bohlen, der noch immer hässliche Pullover von Camp David trägt.

All das ist auch in diesem Jahr so, in der – man mag es kaum glauben – 16. Staffel. Nur eines ist anders: Während man in den vergangenen Jahren zunehmend das Internet bemühen musste, um herauszufinden, dass Bohlens Beisitzer auf Namen wie Carolin Niemczyk, Ella Endlich oder Shirin David hören, ist die Jury der RTL-Castingshow diesmal doch recht prominent besetzt.

 

Gut, Oana Nechiti dürfte den meisten außerhalb des "Let's dance"-Universums kein Begriff sein, aber Pietro Lombardi und, mehr noch, Xavier Naidoo sind dann doch von einer gewissen Prominenz. Während Ex-Kandidat Pietro ("'DSDS' ist praktisch mein Leben") nun gewissermaßen in neuer Funktion an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrt, vermag Naidoos neuer TV-Job durchaus zu überraschen. Bislang tauchte der Trauersänger nämlich vorwiegend in Musikshows auf, die sich von manchen seiner persönlichen Ansichten darin unterschieden, seriös zu sein.

Von Seriosität ist "DSDS" auch 2019 gewiss noch immer weit entfernt – und das ist ja auch gut so, schließlich glaubt 17 Jahre nach der ersten Folge wohl kaum noch einer daran, am Ende der "Superstar"-Suche ernsthaft einen neuen "Superstar" gefunden zu haben. Abgesehen von der jungen Frau vom Staffel-Auftakt, deren Hauptjob es nach eigenem Bekunden ist, sich darauf vorzubereiten, "irgendwann mal ein Superstar zu werden". Nach erstaunlich solider Leistung kommt sie übrigens tatsächlich in den sagenumwobenen Recall.

Bekannte Sprüche und ein verwaister Flügel

Das größte Glück für RTL ist, dass sich bei "DSDS" noch immer genügend geistige Tiefflieger melden, die es dem Sender ermöglichen, über Monate hinweg wöchentlich gleich mehrere Stunden seines Primetime-Programms zu füllen. Denn ganz gleich ob nun Xavier Naidoo da sitzt oder nicht: Die von der UFA produzierte Show bleibt ein Hort für Paradiesvögel. Allerdings muss man es Sender und Produzenten zugutehalten, das Rad in den vergangenen Jahren kräftig zurückgedreht zu haben. Ganz so schlimm und peinlich wie zu Zeiten des Fickfroschs ist "DSDS" schon lange nicht mehr. Aber zumindest stellenweise immer noch peinlich genug, um sich vor dem Fernseher über die Talentfreiheit zahlreicher Darbietungen auslassen zu können.

Aus diesem Grund kann Dieter Bohlen auch heute noch guten Gewissens Sprüche raushauen, die er in ähnlicher Form schon vor vielen Jahren zum Besten gab. "Die Hämorrhoiden von meiner Oma singen besser", sagt er dann zum Beispiel zu einem Kandidaten. Bei einem anderen übt sich der Pop-Titan an Modekritik: "Dieser Hut passt zu dir überhaupt nicht", lässt Bohlen ihn wissen, was deshalb besonders lustig ist, weil der Jury-Chef in diesem Moment einen rosaroten Hoodie trägt, der erst recht zu nichts passt.

Deutschland sucht den Superstar© MG RTL D / Stefan Gregorowius

Unfreiwillig komisch wird es auch, als sich ein Hobby-Sänger an Bruno Mars versucht und Klavierklänge vom Band ertönen, während im Hintergrund ein verwaister Flügel einsam darauf wartet, von geübten Fingern bespielt zu werden. Immerhin: Dem Kandidaten, dem man gerade beim Scheitern zusehen kann, begegnet "DSDS"-Neuzugang Xavier Naidoo durchaus mit Respekt. "Wenn ich jemals jemanden mit angezogener Handbremse hab singen hören, dann warst du es", sagt er. Und: "Ich nehme es dir ab, dass du das anders fühlst, anders wahrnimmst." In ihm schlummere vielleicht ein Sänger, "aber du musst ihn auch rauslassen".

Vielleicht menschelt es ein wenig mehr in dieser neuen Staffel von "Deutschland sucht den Superstar". Vor allem aber ist die Show nach all den Jahren "business as ususal" geworden; eine Zitrone, die so lange gepresst wird, bis auch der letzte Zuschauer sauer ist. Gleich zu Beginn der Show sagt Dieter Bohlen im Stile des barmherzigen Samariters einen bemerkenswerten Satz: "Die Stärke dieses Formats", erzählt er schulterklopfend, "ist einfach, dass wir die Leute von der Straße holen." Wenn das der Maßstab ist, dann wird die 16. Staffel ganz sicher nicht die letzte gewesen sein.

RTL zeigt "Deutschland sucht den Superstar" samstags und dienstags um 20:15 Uhr.