Also erst einmal, Kleiner, ist das nicht nur Zeichentrick. "Love, Death & Robots" ist CGI, Anime, Cartoon, nostalgisches 2D, foto-realistisches 3D und noch vieles mehr. Außerdem ist die neue Anthologie-Serie von "Deadpool"-Regisseur und "Mindhunter"-Mitschöpfer David Fincher absolut nichts für jemanden, der "Kleiner" genannt wird. Dafür macht das Animationsprojekt seinem Namen vor allem mit dem Mittelteil viel zu viel Ehre: Hier herrscht Mord und Totschlag und stets genügend Blut, um das alles zu vermischen. Es besteht also die ausdrückliche Warnung, seine Kinder nicht vor dieser neuen "Zeichentrickserie" zu parken – wenn, dann sollten verantwortungsbewusste Eltern dringend mitschauen. Vor allem, weil "Love, Death & Robots" mächtig Laune macht, die bei über 18-Jährigen nicht zwingend für bleibende Schäden sorgt.

Das Schönste vorweg: "Love, Death & Robots" ist keine in Serie gedrückte Provokation, die Sex und Gewalt nur deswegen einsetzt, um zu empören. David Fincher und Tim Miller haben hier vielmehr einen kreativen Spielplatz geöffnet, den die internationalen Animationsteams zu einem "Ninja Warrior"-Parkour der Superlative umfunktioniert haben. Für jede der insgesamt 18 Episoden gab es eine ganz klare Vision und eine Umsetzung, die für den jeweiligen Zweck nicht besser hätte gelingen können. Dabei ist es beinahe unheimlich zu sehen, wie experimentierfreudig an jeder Stelle gearbeitet wurde, obwohl die Kernaussage in einer jeweiligen Folge nie aus den Augen verloren werden sollte.

Fincher kündigte im Vorfeld an, dass er sich unfassbar darüber freue, dass Animationsserien nun ein Teil des kulturellen Gespräches seien. Früher sei so etwas "in die Randkultur der Geeks und Nerds verbannt" worden. Mit seinen neuen Ambitionen sorgt er dafür, dass der kreative Horizont weiter geöffnet wird und Menschen in Zukunft möglicherweise nicht nur zugeben, animierte Disney- und Pixar-Filme zu sehen, sondern auch nischigere Produktionen, die unkonventioneller arbeiten.

"Love, Death & Robots" ist auch deswegen die allerbeste Werbung dafür, da in den kompakten Episoden einmal alle denkbaren Genres abgegrast werden und in keinem das Gefühl aufkommen möchte, dass die angewandte Kunstform hier nicht funktioniert. Ärgerlich sind lediglich die kurzen Laufzeiten von sechs bis 17 Minuten, die bei mancher Geschichte viel zu wenig erscheinen. Positiv betrachtet weist "Love, Death & Robots" so jedoch keine einzige Länge auf. Das ist in einer modernen Welt, in der die Aufmerksamkeit scheinbar sowieso nur für wenige Minuten aufrecht gehalten werden kann, die perfekte Herangehensweise für eine erfrischend kurzweilige Produktion.

Doch obwohl der Kurzweiligkeit sollte man nicht erwarten, die Kurzgeschichte auch schnell verdauen zu können. Dafür gehen manch erzählte Schicksale zu arg durch Mark und Bein. So wird in der ersten Folge direkt mit einer Sci-Fi-#metoo-Story begonnen, die darin mündet, dass eine vergewaltigte Frau mit ihrem telepathisch verbundenem Alien-Monster dafür sorgt, dass ihre Peiniger zur Strecke gebracht werden.

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Während der Zuschauer noch mit den Gefühlen klarkommen muss, die er gerade eingeprügelt bekommen hat, läuft auch schon die zweite Episode, in der drei ulkige Roboter in locker leichter Manier über den verwüsteten Planeten Erde spazieren, um Urlaub zu machen. Dabei stellen sie sich die Frage, wieso Menschen so etwas unlogisches wie feste Nahrung zu sich nehmen mussten und ob Katzen wirklich explodieren, wenn man aufhört, sie zu streicheln. In den darauffolgenden Geschichten geht es um Zeitreisen, Paradoxe, mutierten Joghurt, Geisterjäger, Gestaltwandler, fliegende Fische, Cyborgs, Hitler und noch mehr Katzen. Seltenerweise geht es sogar in die reale Welt, in der dann Schauspielgrößen wie Mary Elizabeth Winstead ("Fargo") und Topher Grace ("Die wilden 70er") performen.

Fincher und Miller bilden das kongenialste Duo seit langem und sorgen für die Sehnsucht, dass sie in Zukunft noch mehr zusammen machen. Während Fincher in jeder Episode seine indiskutable Smartness spüren lässt, ist es Tim Millers unvergleichbarer "Deadpool"-Humor, der an den richtigen Momenten für wahrlich befreiende Momente sorgt. Damit soll jedoch nicht die Leistung der einzelnen Kreativ-Teams geschmälert werden, die das Ideen-Duo perfekt ergänzt hat. Sie haben selbst die Königsdisziplin gemeistert. Nämlich eine Animationsserie zu schaffen, die selbst jemandem gefallen wird, der gar keine Animationen mag.

Die erste Staffel von "Love, Death & Robots" steht ab sofort bei Netflix zur Verfügung