Das Fernsehen entdeckt die Vielfalt: Nachdem die RTL-Gruppe gerade erst die erste schwule Datingshow an den Start gebracht hat, legt ProSieben jetzt mit der Suche nach der "Queen of Drags" nach. Anders als die Kölner, die "Prince Charming" lediglich über den Streamingdienst TVNow ausstrahlen, zeigt ProSieben seine Show zur besten Sendezeit – ein mutiges und zugleich wichtiges Signal. Sollte man zumindest meinen.

Denn was hat es im Vorfeld für eine Aufregung gegeben! Erstaunlicherweise nicht bloß von Ewiggestrigen, von denen man Kritik an einem Format dieser Art erwarten könnte, sondern ausgerechnet von der Community selbst. Die störte sich nämlich daran, dass ProSieben Heidi Klum für die Show verpflichtete und machte ihrem Ärger in den sozialen Netzwerken Luft. Dabei zeigte die Aufregung vor allem die Engstirnigkeit einiger weniger. 

Nicht umsonst erklärte Conchita Wurst, die neben Klum und Bill Kaulitz zur "Queen of Drags"-Jury gehört, in dieser Woche bei der Premiere in Berlin, die Äußerungen seien "demaskierend für unsere Community". Stark auch, dass die Kritik an Klum in der Auftaktepisode nicht ausgespart wurde. Sie selbst sei doch "tolerant für alle Menschen", sagt Klum und zeigt sich erstaunlich darüber, dass einige das Gegenteil davon sind. Eine der Drag-Queens bringt es schließlich auf den Punkt: "Man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst nach Respekt verlangt." Vom Premieren-Publikum im Berliner Zoo-Palast gab's dafür großen Applaus.

Tatsächlich erweist sich "Queen of Drags" glücklicherweise nicht als die erwartete Klum-Show. Wer mit "Germany's next Drag-Queen by Heidi Klum" gerechnet hat, dürfte sich nach Ansicht der ersten Folge einigermaßen getäuscht sehen. Vielmehr legt Klum ehrliche Begeisterung für die Künstler an den Tag und nimmt sich ansonsten angenehm zurück. Das zeigt sich auch bei der Entscheidung am Ende jeder Folge bei der Punktevergabe, für die sich die Show am ESC-Prinzip orientiert. Dieses Element sorgt dafür, dass jede Stimme gleichberechtigt ist – und birgt nebenbei reichlich Spannung, für wen das Rennen um die Krone vorzeitig beendet ist.

A propos Rennen: Schnell wird deutlich, dass sich "Queen of Drags" spürbar vom beliebten "Drag Race" unterscheidet, das seit einiger Zeit weltweit für Furore sorgt. Die Sorge, es könne sich um einen billigen Abklatsch des Erfolgs-Formats mit RuPaul handeln, erweist sich als unbegründet. Vielmehr trifft die Redseven-Produktion ihren eigenen Ton, auch wenn es anfangs immer ganz einfach ist, den zehn Männern ihre Kunstfiguren zuzuordnen. Das ist aber auch Beleg dafür, dass sich die die Show dem Thema Drag letztlich mit einer ganz eigenen, bemerkenswerten Selbstverständlichkeit nähert. Da braucht es nicht viele Worte, um den Zuschauern zu Beginn zu vermitteln, worum es wirklich geht, nämlich um Werte wie Toleranz und Akzeptanz. 

Queen of Drags

"Wir sind Menschen wie Du und Ich", sagt eine der Queens – und fügt augenzwinkernd hinzu: "Mit ein bisschen mehr Make-up." In der Folge zeigt sich die Vielfalt der Drag-Welt, hinter deren schillernder Fassade aber ganz bestimmt nicht alles derart glitzert wie es die Auftritte vermuten lassen. Da ist plötzlich von der "Magie" der Verkleidung die Rede, "die dich größer werden lässt als das Leben". Und von Schüchternheit: "Ich probe nicht, weil ich schüchtern bin", erklärt ein Kandidat, der sich nicht traut, ungeschminkt vor den anderen neun Mitstreitern zu tanzen.

Natürlich geht die Show nicht ohne Tränen und Bitch-Fights über die Bühne. Und so entsteht schon kurz nach dem Einzug der mit zahlreichen Koffern, Kostümen und Perücken beladenen Drag-Queens in der Villa in Los Angeles ordentlich zur Sache. Beim anschließenden Jury-Besuch fällt Heidi Klum aber vor allem die Unordnung auf: "Haben wir denn keinen Schrank?", fragt sie die Queens und verweist auf ihre vier Kinder. "Da sieht es aufgeräumter aus." Auch Kandidat Bambi ist am Ende des ersten Tages fertig mit den Nerven: "Ich kann mir vorstellen, wie die Kelly Family sich damals gefühlt hat", sagt er. 

Bei allen persönlichen Geschichten und Fehden wird irgendwann auch noch performt – passenderweise in intimer Club-Atmosphäre. Da fallen dann mitunter kuriose Vergleiche. Das Gesicht einer Drag-Queen erinnere ihn an ein Sex-Toy, lässt etwa Bill Kaulitz wissen, meint das aber offensichtlich positiver als es klingt: "Ich find's geil", ergänzt er. Ein anderer Auftritt wiederum erinnert Gast-Jurorin Olivia Jones an das "DDR-Fernsehballett". Später sagt sie: "Geisterbahn goes Muppetshow." Zwischen all der Show sogar Raum für politische Statements. Auf diese Weise gelingt es "Queen of Drags" spielend, eine Botschaft zu vermitteln – und zwar ohne den berühmten erhobenen Zeigefinger.

"Informationen liefern, indem man unterhält, ist der beste Weg", sagte Conchita Wurst bei der Premiere in Berlin und sprach vom "Potenzial, Menschen eine Alternative zu bieten und sich selbst die Frage zu stellen: Könnte mein Leben ein bisschen geiler sein?" Die Antwort darauf gibt ProSieben in den kommenden Wochen mit "Queen of Drags".

ProSieben zeigt "Queen of Drags" donnerstags um 20:15 Uhr.