Frau Fahrenkrog-Petersen, Mitte April bekommt Ihr „Trödeltrupp“ die große Bühne bei RTL II: “Die große Trödeltrupp-Auktionsnacht". In dem Genre sind sie bislang noch nicht unterwegs gewesen...

Das ist für Good Times eine Erweiterung unseres Genre-Spektrums um eine Show. Ich selbst habe schon Shows produziert, aber wir als Produktionshaus noch nicht. Wir sind ja im Factual Entertainment oder Dokutainment - je nachdem welchen Begriff man bevorzugt - zuhause. Bei dieser Show bin ich sehr stolz auf mein Team, weil wir das ausschließlich inhouse produziert haben. Normalerweise kauft man sich dann ja Executive Producer ein, die Expertise auf dem Gebiet haben. Aber an "Die große Trödeltrupp-Auktionsnacht“ wollten wir als Team wachsen. Wir wollten es wissen - und beweisen, dass wir auch Show können. Das Ergebnis gibt es dann am 17. April zu sehen.

Haben Sie Blut geleckt? Oder war der Ausflug ins Genre Show jetzt die Ausnahme von der Regel für Good Times?

Nö, das würden wir jederzeit wiederholen. Ich glaube, wir haben mit der „Trödeltrupp-Auktionsnacht“ bewiesen, dass wir Show können. Der Sender ist sehr zufrieden. Wenn das Publikum, das unserem Trodeltrupp bei RTL II sehr treu verbunden ist, das auch so sieht, dann ist das sicher eine Visitenkarte für Good Times.

Heute feiern diverse Trödel-Formate Quotenerfolge auf mehreren Sendern...

Ja, heute erlebt das Genre ja einen regelrechten Boom, aber als wir 2007 mit dem Thema von Sender zu Sender gingen, da war zunächst niemand von Trödelmärkten und Antiquitäten begeistert. Der damalige RTL II-Programmchef Axel Kühn hat dann angebissen und hat mal testweise neun Folgen beauftragt. Während wir produziert haben, musste Axel den Sender verlassen und der „Trödeltrupp“ lag sage und schreibe ein Jahr lang fertig produziert rum. Der Sender tat sich schwer mit dem Genre und hatte Sorgen, dass das ein zu altes Publikum ansprechen würde. Wir sollten dann am Sonntagnachmittag versendet werden und haben dann - zur freudigen Überraschung aller - super Einschaltquoten geholt. Und dann ging es richtig los.

RTL II und Good Times haben mit dem „Trödeltrupp“ ein Genre entdeckt, was inzwischen mehrere Sender beäugen. Das ZDF feiert mit „Bares für Rares“ auch große Erfolge. Freuen Sie sich über Wettbewerb oder sorgen Sie sich um eine Überreizung des Themas?

Ich vergleich mich da nicht gerne mit anderen Produktionen. Wir hätten dem ZDF auch gerne etwas für das Nachmittagsprogramm vorgeschlagen. Aber wir waren beim Pitch des ZDF nicht erwünscht. Mir wurde schriftlich mitgeteilt, dass man sich gegen uns entschieden habe. Warum? Das wurde nicht erklärt. Das wurmt einen schon. Insbesondere wo wir doch in dem Genre bereits aktiv waren. Aber ähnliche Erfahrungen haben wir auch schon bei ZDFneo gemacht.

Aber für ZDFinfo arbeiten Sie doch?

Für ZDFinfo machen wir viel. Da haben wir auch einen ganz guten Draht. Umso unverständlicher ist mir, dass ZDF bzw. ZDFneo kein Interesse daran hat, sich neue Ideen anzuhören. Man liest hin und wieder ja, dass Kollegen anderer Produktionsfirmen sich darüber beschweren, dass es von Sender-Seite zu wenig Mut gebe. Das kann und will ich so gar nicht unterschreiben. Es ist nur immer schwerer geworden, eine Idee überhaupt einmal vorzustellen. Die geschaffenen Strukturen und die einzuschlagenden Wege sind doch so undurchsichtig, dass ich mich frage, wie viele gute TV-Ideen es wohl gibt, die einfach nur nie zu Gehör gebracht wurden.

"Ich bin vielleicht für manchen Angestellten in dieser Branche etwas zu leidenschaftlich unterwegs. Aber wenn man mit eigenem Geld arbeitet, dann ist man halt stärker involviert."

Ist das bei den Privatsendern anders? Transparenter?

Die Öffentlich-Rechtlichen betonen doch immer ihre besonderen Pflichten und die einzigartige Positionierung. Man müsse für alle da sein, heißt es. Das ist dann meist auf das Programmangebot bezogen. Ich würde mir wünschen, dass das auch produktionsseitig gelten würde und dort ebenso breit geschaut werden würde. Wenn aber dann auch noch eine öffentlich-rechtlichen Produktionstochter versucht, unsere Protagonisten mit viel Geld abzuwerben, dann geht das für mich schon in Richtung Wettbewerbsverzerrung. Ich zahle privat meinen Rundfunkbeitrag und dann wird mir von dem Geld abgeworben, was ich mit meiner Firma aufgebaut habe - während man gleichzeitig hört: Sie sind beim Pitch nicht zugelassen.

Sie nehmen das sehr persönlich. So fühlt es sich gerade jedenfalls an.

Wie kann man es nicht persönlich nehmen? Wir sind eine unabhängige Produktionsfirma. Ich trage hier das alleinige wirtschaftliche Risiko. Das kennen Sie doch auch. Deswegen bin ich vielleicht für manchen Angestellten in dieser Branche etwas zu leidenschaftlich unterwegs. Aber wenn man mit eigenem Geld arbeitet, dann ist man halt stärker involviert. Wenn nachhaken und kämpfen bedeutet, anstrengend zu sein, dann muss ich zum Wohle meins Teams anstrengend sein.

Ist das Geschäft denn schwieriger geworden? Andere Produktionshäuser sehen positive Signale durch immer neue Sender und Plattformen.

Der Wettbewerb an sich ist schwieriger geworden. Wir erleben zwar immer neue Sender und Plattformen, die manchmal die Fantasie beflügeln, aber bislang nur in sehr geringem Umfang neue Inhalte beauftragen. Dem gegenüber stehen die großen Sender bzw. Sender-Familien, die ihr Netz an eigenen Produktionstöchtern stetig ausgebaut haben. Zuletzt erklärte ja ProSiebenSat.1 den Wunsch, mehr inhouse zu produzieren, sogar zur Strategie. Das lässt den Kuchen kleiner werden. Auf die Good Times bezogen, glaube ich, dass ich mich ganz gut durchgebissen habe. Wir sind da den Partnern, mit denen wir arbeiten, sehr dankbar. Unsere beiden großen Produktionen sind zweifelsohne der „Trödeltrupp“ für RTL II und „Mein Lokal, Dein Lokal“ für Kabel Eins. Und dann sind wir nach einiger Zeit ja auch bei Vox an Bord gegangen. Das hat lange gedauert, aber dann haben wir mit einer vierteiligen Reihe über Frühchen überzeugt. Das war eine relativ kleine Produktion, aber sie gab uns die Gelegenheit, Vox zu überzeugen. Inzwischen sind wir einer der Zulieferer für „Goodbye Deutschland“.

Wie attraktiv sind denn diese Zulieferungen für Format-Gefäße? Oder Wochen-Serien innerhalb bestehender Magazine?

Wirtschaftlich sind eigene Formate natürlich attraktiver, aber diese Wochen-Serien haben beispielsweise für einige Sender die klassische Format-Pilotierung ersetzt. „Mein Lokal, Dein Lokal“ ist auf diesem Wege entstanden. Diese Entwicklung ist relativ pragmatisch, auch für mich. Wenn einem ein eigenes Format abgesetzt wird, kann man recht kurzfristig so Produktionsvolumen bekommen. Das ist vielleicht nicht besonders hochpreisig, aber ich brauche bei mir dafür keine Mitarbeiter entlassen.

Joker, Imago, South & Browse - es gibt eine ganze Reihe unabhängiger Produktionsfirmen, die übernommen wurden. Wollten Sie nie oder gab es keine Angebote für Good Times?

Es gab schon mal Angebote, aber es hat nie harmoniert.

Die MIPTV steht bevor. Lassen Sie uns über das Unwort reden.

Welches Unwort denn?

Trends?

Achso (überlegt). Momentan suchen alle außer Vox nach Crime-Formaten. Da können Sie reden, mit wem sie wollen. Da hat offenbar jeder ein Netflix-Abo und hofft auf den Zug von „Making a murderer“ aufspringen zu können. Und das ZDF scheint mit der Verjüngung von „Aktenzeichen XY“ auch imponiert zu haben.

"Sie könnten eine Idee selbst entwickeln und würden sie nicht verkauft bekommen. Wenn es aber in Bolivien den Sendeplatz-Marktanteil verdreifacht hat, dann hören ihnen die Sender plötzlich zu."

Das wäre ein Genre sowohl für Prime- als auch Daytime. Gerade beim Tagesprogramm stagniert die Programmentwicklung zuletzt. Die oft zitierte Wellenbewegung ist irgendwie abgeebbt. Wie könnten die Privatsender ihre Daytime aufpolieren?

Wenn ich das Rezept hätte, würde ich es nicht verraten (lacht). Ich finde ja Bernd Schumachers Erfolg mit „Zwischen Tüll und Tränen“ bei Vox ganz toll. Eigene Ideen plaziert zu bekommen, ist leider unglaublich schwer. Wenn ein Format aber in Bolivien den Sendeplatz-Marktanteil verdreifacht hat, dann hören Ihnen die Sender plötzlich zu. Solange eine Idee nicht irgendwo gehandelt wurde, ist sie scheinbar nichts wert. Wissen Sie, mich regt auch immer dieser Recherche-Tourismus auf. Wenn ich lese, dass ganze Delegationen in die USA oder nach Israel fliegen, um sich dort von kreativen Köpfen inspirieren zu lassen. Also zu uns ist noch niemand gereist. Köln ist offenbar nicht so attraktiv wie eine Fernreise. Dabei würde ich es sehr begrüßen, wenn sich einige Sender für kreative Ideen aus Deutschland öffnen würden. Da geht es mir nicht mal um die Good Times, sondern generell den deutschen Produzentenmarkt.

Sie hatten im vergangenen Jahr Fördermittel zur Entwicklung von zwei fiktionalen Stoffen erhalten. Wie steht es um die beiden Projekte?

Die Stoffe sind entwickelt und eingereicht. Jetzt warten wir auf die Entscheidung der Film- und Medienstiftung NRW, ob wir auch einen Zuschlag für die Pilot-Produktion bekommen.

Um welche Genres geht es denn bei den beiden Projekten?

Ich würde da ungern ins Detail gehen. Aber einer meiner Träume war immer, mal eine Serie zu probieren wie einst „Ein Herz und eine Seele“. Die Aufarbeitung der politischen Geschehnisse in einer Sprache, die jeder versteht. Da braucht es natürlich besonders viel Sorgfalt bei der Suche des passenden Protagonisten. Aber eine fiktive Aufarbeitung des realen Geschehens in einem Setting aus der Lebenswirklichkeit des Publikums. Das wäre dann ganz bestimmt nicht Berlin-Mitte. Als wenn ganz Deutschland in schicken Lofts arbeiten und leben würde. Viele deutsche Serien zeichnen ein furchtbar künstliches Bild dessen, was Realität in Deutschland sein soll. Ekel Alfred neu interpretiert, pointiert und für alle verständlich. Das wäre doch was.

Eine Show für den „Trödeltrupp“, Entwicklung in der Fiction. Gibt es darüber hinaus noch aktuell neue Projekte bei Good Times?

Mal sehen: Ich habe mich jetzt auch für die Drittsendelizenz von Sat.1 beworben. Das wird spannend, ob wir da mit unserem Konzept zum Zuge kommen. Die Voraussetzung einer unabhängigen Produktionsfirma erfüllen wir jedenfalls auf Anhieb einwandfreier als manch anderer Bewerber. Abgabetermin war vor einigen Wochen. Wir warten gespannt auf die Entscheidung.

Frau Fahrenkrog-Petersen, herzlichen Dank für das Gespräch.