Darf man Scheiße sagen? Nee, ne? Lieber nicht. Besser Ironie? Mal versuchen. Dies ist der wohl beste „Tatort“ des Jahres 2014. Noch selten wurde mit solcher Brillanz eine so frische Story konzipiert, kaum jemals sah man Schauspieler, die sich mit solcher Kraft in ihre Rollen warfen, und was die Regieleistung angeht, da ist kein Superlativ zu hoch angesetzt. Dieser Bodensee-„Tatort“ ist einfach spitze.

Oh, Mann, ich kann das nicht. Nein, mit Ironie geht das nicht. Nachher versteht das noch irgendwer falsch und guckt diesen großen Haufen Mist weg. Das kann ich nicht verantworten. Ich muss es also mal im Stil der großen Philosophin Sarah Knappik probieren: Dieser „Tatort“ ist der schlechteste „Tatort“ aller Zeiten und all jener, die da noch kommen mögen.

Um mich zu beruhigen, kommt hier die Story oder das, was die beteiligten Macher dafür halten. Kommissarin Blum, auch bekannt als die Trutsche vom Bodensee, wird zu einem besonderen Fall gerufen. Ein stinkreicher Schnösel mit Hang zu exzessivem Wahnsinn ist tot. Zwei Kugeln haben sich zwischen ihn und sein ausschweifendes Leben gemogelt. In dem hat er sich alles zum Feind gemacht, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Als Trutsche Blum einen Zeugen fragt, ob das Opfer Feinde hat, greift der Zeuge kurz neben sich und wirft das örtliche Telefonbuch auf den Tisch der Kommissarin. Man kennt das ja. In diesen Tagen hat ja quasi jeder das Telefonbuch im Büro parat liegen. So viele Nummern, die man sonst ja nicht herausbekommt. Aber ich werde schon wieder ironisch.

Im verdächtigen Freundeskreis des toten Ekels finden sich die Prototypen dessen, was Drehbuchautor Leo P. Ard unter ausschweifendem Highlife verbucht. Ein Finanzmakler, der kokst und betrügt; eine erst mit dem späteren Opfer fremdgehende und später von ihm abservierte Boutiquebesitzerin, die nichts verkaufen muss, weil ihr Gatte ein großer Schönheitschirurg ist; ein abgehalfterter Casting-Show-Star, der im Wettbewerb vor Jahren leider nur Platz zwei errang und deshalb nun singend Supermärkte eröffnen muss, wenn er nicht gerade unter knapper Kasse leidet, was meistens der Fall ist. Dazu gesellt sich eine dunkle Schönheit, die vom Ekel sexuell bedrängt wurde, sich aber zu behaupten wusste.

Halt, das ist noch nicht genug. Im Spiel ist schnell noch eine gestörte Blondine in einer Psychoklinik, bei der man nicht weiß, woher ihre Verstörung stammt. Man ahnt nur, dass die Clique des Ekels damit zu tun haben könnte. Das glaubt auch der Vater der Kranken, ein Polizist, der als erster am Tatort war und durchaus ein Motiv hätte.

Man hätte aus dieser Geschichte mit viel Mühe einen zumindest annehmbaren Film machen können. Dazu hätte man zuerst einmal die Ekel-Clique glaubhaft besetzen müssen. Regisseur Jürgen Bretzinger hat sich dagegen entschieden, er setzt den Zuschauern Figuren vor, die ihm geradewegs aus der Klischeewerkstatt geliefert wurden. Ohnehin scheinen dort Großteile dieses Machwerks fabriziert worden zu sein. Alles riecht in diesem „Tatort“ nach zusammengelesener Halbwahrheit. Der böse Finanzhai, der doofe B-Promi und die geile Textilverkäuferin, alle trinken pausenlos Champagner und sitzen in Lounges herum.

Das ist allein schon unerträglich genug. Müssen da auch noch Trutsche und ihre Assistent auftreten? Müssen sie. Eva Mattes ist die Trutsche Klara Blum, und Sebastian Bezzel mimt ihren Assistenten Perlmann. Der höchste Originalitätsgrad wird dabei bereits erreicht, wenn sie ihn duzt und er sie siezt. Sowohl Mattes als auch Bezzel haben sich ganz offensichtlich zur Arbeitsverweigerung entschieden. Irgendeine Laus muss ihnen vorher über die Leber gelaufen sein, weshalb sie nun das Schauspielerdasein verleugnen und lediglich Drehbuchtexte ausgeben mit einer Glaubhaftigkeit, die jede Navi-Stimme im Auto locker übertrumpfen könnte. 

Fein wird darauf geachtet, dass ein jeder die wohlvorgefertigten Sätze zu Ende sprechen kann. Dann folgt eine kleine Pause, und dann geht es weiter. Könnte man kollektives Organversagen visualisieren, es gliche sehr wahrscheinlich dieser Krimi-Simulation.

Natürlich versucht man auch, witzig zu sein. „Besitzen Sie außer Ihrer Dienstwaffe noch eine Waffe“, fragt Trutsche irgendwann den verdächtigen Polizisten. „Seh ich aus wie Django“, fragt der zurück, woraufhin sie den Ball noch einmal retourniert: „War das ein Nein?“

Doch, das hätte witzig sein können, wenn man Schauspieler und einen Regisseur engagiert hätte, die etwas von Timing verstehen und sich nicht mit dem erstbesten Take zufriedengeben. Um es mal ganz hart zu sagen, und ich weiß, dass ich mir mit diesem Urteil keine Freunde mache: Gegen diesen „Tatort“ ist jede Folge von „Berlin - Tag & Nacht“ ganz große Fernsehkunst. Und wer am Sonntag noch dringend sein Klo putzen muss, der tue das. Er wird dort dasselbe auffinden wie auf dem Fernsehschirm.